Soden, Julius von: Alethia. Leipzig, 1796.Wenn die Seele irgend einen Gegenstand Leidenschaft mag man also nur für Wenn die Seele irgend einen Gegenſtand Leidenſchaft mag man alſo nur fuͤr <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0018" n="6"/> <p>Wenn die Seele irgend einen Gegenſtand<lb/> auffaßt, ſo ſcheint ſie allerdings alle ihre Kraft<lb/> auf dieſe Leidenſchaft zu konzentriren, an ihm<lb/> alle Quellen ihrer Empfindungen zu erſchoͤp-<lb/> fen. — Aber dieß iſt doch nur der Fall bei<lb/> dem <hi rendition="#g">hoͤchſten</hi> Grad von Liebe, den man aus-<lb/> zeichnungsweiſe <hi rendition="#g">Leidenſchaft</hi> nennt, der<lb/> an Wahnſinn graͤnzt, vielmehr eine Krank-<lb/> heit der Seele als ein eigenthuͤmliches Sym-<lb/> ptom iſt.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Leidenſchaft</hi> mag man alſo nur fuͤr<lb/> Ein Weſen fuͤhlen koͤnnen, aber darum<lb/> nicht Liebe. Wenn nun die Seele eines We-<lb/> ſens von dem zarteſten Gewebe, wenn ihre<lb/> Empfaͤnglichkeit fuͤr das Schoͤne und Gute<lb/> bis zu einem hohen Grade geſpannt iſt, wenn<lb/> es nun dieſes Schoͤne und Gute unter meh-<lb/> rere Weſen vertheilt, hier Sanftheit und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [6/0018]
Wenn die Seele irgend einen Gegenſtand
auffaßt, ſo ſcheint ſie allerdings alle ihre Kraft
auf dieſe Leidenſchaft zu konzentriren, an ihm
alle Quellen ihrer Empfindungen zu erſchoͤp-
fen. — Aber dieß iſt doch nur der Fall bei
dem hoͤchſten Grad von Liebe, den man aus-
zeichnungsweiſe Leidenſchaft nennt, der
an Wahnſinn graͤnzt, vielmehr eine Krank-
heit der Seele als ein eigenthuͤmliches Sym-
ptom iſt.
Leidenſchaft mag man alſo nur fuͤr
Ein Weſen fuͤhlen koͤnnen, aber darum
nicht Liebe. Wenn nun die Seele eines We-
ſens von dem zarteſten Gewebe, wenn ihre
Empfaͤnglichkeit fuͤr das Schoͤne und Gute
bis zu einem hohen Grade geſpannt iſt, wenn
es nun dieſes Schoͤne und Gute unter meh-
rere Weſen vertheilt, hier Sanftheit und
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