haltung dem Weisen wichtig. Aber muß er denn durch dunkle Darstellungen genährt werden? Wozu also die schwarze Farbe der Trauer? Wäre die grüne Farbe, die Farbe der Hoffnung, die Bezeichnung der Hoff- nung des Wiedersehens, nicht philosophisch richtiger, nicht wohlthätiger, schmeicheln- der und lindernder für den Schmerz? Und indem sie diesen nährte, so weit er der Moralität wichtig ist, würde sie nicht zugleich die Jdee der Unsterblichkeit mehr versinnli- chen? und die Seele der Ueberlebenden in jene freundliche, balsamische, aber aufwärts blik- ende Schwermuth wiegen, die Streben wekt, sich durch Tugenden mit dem verlohrnen We- sen wieder zu vereinen, und die Seele erwei- tert, indeß das Düstre, das Schwarze sie einengt und niederdrükt? Hat die empor- hebende Sehnsucht nicht mehr Gold auf dem
haltung dem Weiſen wichtig. Aber muß er denn durch dunkle Darſtellungen genaͤhrt werden? Wozu alſo die ſchwarze Farbe der Trauer? Waͤre die gruͤne Farbe, die Farbe der Hoffnung, die Bezeichnung der Hoff- nung des Wiederſehens, nicht philoſophiſch richtiger, nicht wohlthaͤtiger, ſchmeicheln- der und lindernder fuͤr den Schmerz? Und indem ſie dieſen naͤhrte, ſo weit er der Moralitaͤt wichtig iſt, wuͤrde ſie nicht zugleich die Jdee der Unſterblichkeit mehr verſinnli- chen? und die Seele der Ueberlebenden in jene freundliche, balſamiſche, aber aufwaͤrts blik- ende Schwermuth wiegen, die Streben wekt, ſich durch Tugenden mit dem verlohrnen We- ſen wieder zu vereinen, und die Seele erwei- tert, indeß das Duͤſtre, das Schwarze ſie einengt und niederdruͤkt? Hat die empor- hebende Sehnſucht nicht mehr Gold auf dem
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haltung dem Weiſen wichtig. Aber muß er
denn durch dunkle Darſtellungen genaͤhrt
werden? Wozu alſo die ſchwarze Farbe der
Trauer? Waͤre die gruͤne Farbe, die Farbe
der Hoffnung, die Bezeichnung der Hoff-
nung des Wiederſehens, nicht philoſophiſch
richtiger, nicht wohlthaͤtiger, ſchmeicheln-
der und lindernder fuͤr den Schmerz? Und
indem ſie dieſen naͤhrte, ſo weit er der
Moralitaͤt wichtig iſt, wuͤrde ſie nicht zugleich
die Jdee der Unſterblichkeit mehr verſinnli-
chen? und die Seele der Ueberlebenden in jene
freundliche, balſamiſche, aber aufwaͤrts blik-
ende Schwermuth wiegen, die Streben wekt,
ſich durch Tugenden mit dem verlohrnen We-
ſen wieder zu vereinen, und die Seele erwei-
tert, indeß das Duͤſtre, das Schwarze ſie
einengt und niederdruͤkt? Hat die empor-
hebende Sehnſucht nicht mehr Gold auf dem
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Soden, Julius von: Alethia. Leipzig, 1796, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/soden_alethia_1796/244>, abgerufen am 23.11.2024.
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