Soden, Julius von: Alethia. Leipzig, 1796.Bei Verwandten und Ehegatten ist das Bei Verwandten und Ehegatten iſt das <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0043" n="31"/> <p>Bei Verwandten und Ehegatten iſt das<lb/> ſchwarze Gewand oft eine heuchleriſche Mas-<lb/> ke geheimer Freude; doch die Aufrechthal-<lb/> tung der oͤffentlichen Sitten gebiethet, ſie<lb/> beizubehalten, wenn ſie auch ein falſcher He-<lb/> rold iſt. Aber warum iſt dem <hi rendition="#g">Freunde</hi>,<lb/> der oft, der vielleicht oͤfter, mit innigerer<lb/> Zaͤrtlichkeit liebt, der ſuͤße Troſt entriſſen,<lb/><hi rendition="#g">oͤffentlich</hi> ſeinen entrißnen Geliebten den<lb/> Zoll der Liebe, der Achtung und Dankbar-<lb/> keit zu bringen? Warum verſagt die grillen-<lb/> hafte Gewohnheit <hi rendition="#g">ihm</hi> das wohlthaͤtige<lb/> Recht, die ganze Menſchheit zu Zeugen ſei-<lb/> nes Schmerzes zu machen? Warum verſagt<lb/> ſie <hi rendition="#g">ihm</hi> das Recht, aus dem Anblik ſeines<lb/> feierlichen Trauer-Gewands erneuete Erin-<lb/> nerung der entflohnen Freuden, und <hi rendition="#g">aus<lb/> dieſer</hi> Balſam fuͤr die Wunde des Ver-<lb/> luſts zu ſaugen?</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [31/0043]
Bei Verwandten und Ehegatten iſt das
ſchwarze Gewand oft eine heuchleriſche Mas-
ke geheimer Freude; doch die Aufrechthal-
tung der oͤffentlichen Sitten gebiethet, ſie
beizubehalten, wenn ſie auch ein falſcher He-
rold iſt. Aber warum iſt dem Freunde,
der oft, der vielleicht oͤfter, mit innigerer
Zaͤrtlichkeit liebt, der ſuͤße Troſt entriſſen,
oͤffentlich ſeinen entrißnen Geliebten den
Zoll der Liebe, der Achtung und Dankbar-
keit zu bringen? Warum verſagt die grillen-
hafte Gewohnheit ihm das wohlthaͤtige
Recht, die ganze Menſchheit zu Zeugen ſei-
nes Schmerzes zu machen? Warum verſagt
ſie ihm das Recht, aus dem Anblik ſeines
feierlichen Trauer-Gewands erneuete Erin-
nerung der entflohnen Freuden, und aus
dieſer Balſam fuͤr die Wunde des Ver-
luſts zu ſaugen?
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