[Spalding, Johann Joachim]: Betrachtung über die Bestimmung des Menschen. 3. Aufl. Berlin, 1749.Jch will meine Lust und meinen Nutzen suchen; aber ich Dieser Leib, den ich an mir trage, soll erhalten werden, Jndessen soll doch dieß beständig meine Hauptsache seyn, Jch will dahin trachten, daß die Neigung der Güte und der Nein! B 3
Jch will meine Luſt und meinen Nutzen ſuchen; aber ich Dieſer Leib, den ich an mir trage, ſoll erhalten werden, Jndeſſen ſoll doch dieß beſtaͤndig meine Hauptſache ſeyn, Jch will dahin trachten, daß die Neigung der Guͤte und der Nein! B 3
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Jch will meine Luſt und meinen Nutzen ſuchen; aber ich
will ſie nicht allein ſuchen, weil ich meinen ganzen Zweck und
meinen wahren Wehrt darin nicht ſetzen kann.
Dieſer Leib, den ich an mir trage, ſoll erhalten werden,
und das iſt der vernunftmaͤßige Zweck, worauf die mir einge-
pflanzte Begierde nach ſinnlicher Luſt abzielet. Jch bin ſelbſt
ein Theil des Ganzen, und mir ſelber dabey am naͤheſten; ich
kann niemanden ſo bald und ſo leicht, als mir ſelbſt, nuͤtzen;
darum koͤmmt mir der Trieb ſo wol zu ſtatten, der mich be-
ſonders veranlaſſet, auf dasjenige Acht zu haben, was ich am
erſten beſorgen kann. Jch weiß auch, daß die Schmerzen
und Wiederwaͤrtigkeiten, welche meine Sinnlichkeit angreifen,
zugleich allemal mein hoͤheres Vergnuͤgen in einigem Grade
ſchwaͤchen; darum will ich darauf bedacht ſeyn, auch dieſer
Stimme der Natur zu gehorchen, die mir jene vermeiden heiſſet.
Jndeſſen ſoll doch dieß beſtaͤndig meine Hauptſache ſeyn,
daß ich die hoͤhern und edlern Triebe meiner Sele nicht unter-
druͤcken, noch uͤbergehen moͤge; dieſe Triebe, von welchen ich
deutlich genug erkenne, daß ſie billig regieren muͤſſen.
Jch will dahin trachten, daß die Neigung der Guͤte und der
wolthaͤtigen Liebe, die mir eingepflanzt iſt, immer mehr geſtaͤr-
ket, und auf alle moͤgliche Weiſe befriediget werde. Die
Gluͤckſeligkeit des menſchlichen Geſchlechts, die mich ſo ange-
nehm ruͤhret, ſoll unveraͤnderlich ein Gegenſtand meiner ernſt-
lichſten Beſtrebungen, und meine eigene Gluͤckſeligkeit ſeyn.
Wenn ich den Unſchuldigen vertheidiget, den Elenden gehol-
fen, den Nothleidenden gerettet, den Menſchen uͤberhaupt
gluͤcklich gemacht ſehe, ſo will ich mich dem Vergnuͤgen, das ich
daruͤber fuͤhle, gaͤnzlich uͤberlaſſen, und mir dieſe Zaͤrtlichkeit
meiner Sele zu einer Ehre anrechnen, da ſie ſo tief und weſent-
lich in meiner Natur gegruͤndet iſt. Wie ſollte ich wuͤnſchen,
gluͤcklich zu ſeyn, und doch bey den Angelegenheiten derjenigen
unempfindlich bleiben, die es eben ſo wol wuͤnſchen, als ich?
Nein!
B 3
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