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[Spalding, Johann Joachim]: Betrachtung über die Bestimmung des Menschen. 3. Aufl. Berlin, 1749.

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dieß giebt mir die Vorstellung von einem Urbilde der Voll-
kommenheiten, von einer ursprünglichen Schönheit, von einer
ersten und allgemeinen Quelle der Ordnung. ---- Welch
ein Gedanke! ---- So ist denn etwas, von dem alles, was
ich bisher bewundert habe, abhänget? So ist denn etwas,
von dem alle Theile der Natur ihre Uebereinstimmungen,
ihre Verhältnisse und ihren Reiz haben? ein Verstand, der
für das Ganze denkt, der das Ganze einrichtet und lenket?
ein Geist, der durch seine unbegreiflichen Ausflüsse allen Din-
gen Daseyn, Dauer, Kräfte und Schönheit mittheilet? ----
Hier erweitert sich meine erstaunte Sele bis zum Unendlichen.
Mich dünkt, ich empfinde, und mit einem entzückenden Schau-
der, die Wirklichkeit dieses obersten Geistes. ---- Wahrlich,
er belebet mich, er wirket in mir! Was würde ich seyn, ohne
ihn? Was würde ich können? ich, der ich aufs kläreste weiß,
daß ich einmal nicht gewesen bin, und daß ich meine Thätig-
keit mir nicht gegeben habe? ----

Und was sollten sich daher wol bey mir für Empfindungen
gegen dieses Wesen schicken, in welches alle meine Begriffe
von Vortrefflichkeiten zusammenfliessen? Bewunderung,
Ehrerbietung, und die tiefste Anbetung ist noch wenig genug,
das Verhältniß auszudrucken, worin ich gegen einen unend-
lichen Geist stehe. Weil ich ihm aber nur so wenig leisten
kann, so will ich es ihm doch auch desto aufrichtiger leisten.
Jch will mich einer so ungeheuren und abscheulichen Verrük-
kung nicht theilhaftig machen, daß ich mit Gleichgültigkeit und
Geringschätzung an den Ursprung der Wesen und der Voll-
kommenheiten denken sollte. Jch erschrecke über meine Klein-
heit in der unermäßlichen Natur, und gegen die noch unermäß-
lichere Gottheit. Dieser Sonnenwirbel ist ein Sandkorn.
Diese Erde ist ein Staub, ein Punkt. Und ich auf dieser
Erde ---- was bin ich? ---- Nur das macht mich noch
zu etwas, daß ich die Ordnung empfinden, und in derselben
bis zu dem Anfange aller Ordnung hinaufsteigen kann. Zu

einer
C



dieß giebt mir die Vorſtellung von einem Urbilde der Voll-
kommenheiten, von einer urſpruͤnglichen Schoͤnheit, von einer
erſten und allgemeinen Quelle der Ordnung. —— Welch
ein Gedanke! —— So iſt denn etwas, von dem alles, was
ich bisher bewundert habe, abhaͤnget? So iſt denn etwas,
von dem alle Theile der Natur ihre Uebereinſtimmungen,
ihre Verhaͤltniſſe und ihren Reiz haben? ein Verſtand, der
fuͤr das Ganze denkt, der das Ganze einrichtet und lenket?
ein Geiſt, der durch ſeine unbegreiflichen Ausfluͤſſe allen Din-
gen Daſeyn, Dauer, Kraͤfte und Schoͤnheit mittheilet? ——
Hier erweitert ſich meine erſtaunte Sele bis zum Unendlichen.
Mich duͤnkt, ich empfinde, und mit einem entzuͤckenden Schau-
der, die Wirklichkeit dieſes oberſten Geiſtes. —— Wahrlich,
er belebet mich, er wirket in mir! Was wuͤrde ich ſeyn, ohne
ihn? Was wuͤrde ich koͤnnen? ich, der ich aufs klaͤreſte weiß,
daß ich einmal nicht geweſen bin, und daß ich meine Thaͤtig-
keit mir nicht gegeben habe? ——

Und was ſollten ſich daher wol bey mir fuͤr Empfindungen
gegen dieſes Weſen ſchicken, in welches alle meine Begriffe
von Vortrefflichkeiten zuſammenflieſſen? Bewunderung,
Ehrerbietung, und die tiefſte Anbetung iſt noch wenig genug,
das Verhaͤltniß auszudrucken, worin ich gegen einen unend-
lichen Geiſt ſtehe. Weil ich ihm aber nur ſo wenig leiſten
kann, ſo will ich es ihm doch auch deſto aufrichtiger leiſten.
Jch will mich einer ſo ungeheuren und abſcheulichen Verruͤk-
kung nicht theilhaftig machen, daß ich mit Gleichguͤltigkeit und
Geringſchaͤtzung an den Urſprung der Weſen und der Voll-
kommenheiten denken ſollte. Jch erſchrecke uͤber meine Klein-
heit in der unermaͤßlichen Natur, und gegen die noch unermaͤß-
lichere Gottheit. Dieſer Sonnenwirbel iſt ein Sandkorn.
Dieſe Erde iſt ein Staub, ein Punkt. Und ich auf dieſer
Erde —— was bin ich? —— Nur das macht mich noch
zu etwas, daß ich die Ordnung empfinden, und in derſelben
bis zu dem Anfange aller Ordnung hinaufſteigen kann. Zu

einer
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[17/0027] dieß giebt mir die Vorſtellung von einem Urbilde der Voll- kommenheiten, von einer urſpruͤnglichen Schoͤnheit, von einer erſten und allgemeinen Quelle der Ordnung. —— Welch ein Gedanke! —— So iſt denn etwas, von dem alles, was ich bisher bewundert habe, abhaͤnget? So iſt denn etwas, von dem alle Theile der Natur ihre Uebereinſtimmungen, ihre Verhaͤltniſſe und ihren Reiz haben? ein Verſtand, der fuͤr das Ganze denkt, der das Ganze einrichtet und lenket? ein Geiſt, der durch ſeine unbegreiflichen Ausfluͤſſe allen Din- gen Daſeyn, Dauer, Kraͤfte und Schoͤnheit mittheilet? —— Hier erweitert ſich meine erſtaunte Sele bis zum Unendlichen. Mich duͤnkt, ich empfinde, und mit einem entzuͤckenden Schau- der, die Wirklichkeit dieſes oberſten Geiſtes. —— Wahrlich, er belebet mich, er wirket in mir! Was wuͤrde ich ſeyn, ohne ihn? Was wuͤrde ich koͤnnen? ich, der ich aufs klaͤreſte weiß, daß ich einmal nicht geweſen bin, und daß ich meine Thaͤtig- keit mir nicht gegeben habe? —— Und was ſollten ſich daher wol bey mir fuͤr Empfindungen gegen dieſes Weſen ſchicken, in welches alle meine Begriffe von Vortrefflichkeiten zuſammenflieſſen? Bewunderung, Ehrerbietung, und die tiefſte Anbetung iſt noch wenig genug, das Verhaͤltniß auszudrucken, worin ich gegen einen unend- lichen Geiſt ſtehe. Weil ich ihm aber nur ſo wenig leiſten kann, ſo will ich es ihm doch auch deſto aufrichtiger leiſten. Jch will mich einer ſo ungeheuren und abſcheulichen Verruͤk- kung nicht theilhaftig machen, daß ich mit Gleichguͤltigkeit und Geringſchaͤtzung an den Urſprung der Weſen und der Voll- kommenheiten denken ſollte. Jch erſchrecke uͤber meine Klein- heit in der unermaͤßlichen Natur, und gegen die noch unermaͤß- lichere Gottheit. Dieſer Sonnenwirbel iſt ein Sandkorn. Dieſe Erde iſt ein Staub, ein Punkt. Und ich auf dieſer Erde —— was bin ich? —— Nur das macht mich noch zu etwas, daß ich die Ordnung empfinden, und in derſelben bis zu dem Anfange aller Ordnung hinaufſteigen kann. Zu einer C

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Zitationshilfe: [Spalding, Johann Joachim]: Betrachtung über die Bestimmung des Menschen. 3. Aufl. Berlin, 1749, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spalding_bestimmung_1749/27>, abgerufen am 21.11.2024.