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[Spalding, Johann Joachim]: Betrachtung über die Bestimmung des Menschen. 3. Aufl. Berlin, 1749.

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einer solchen Hoheit bin ich bestimmt, und der will ich immer
näher zu kommen suchen. Jch will nicht eher stehen bleiben,
als bis ich der Schönheit bis zu ihrer ersten Quelle gefolget
bin. Da soll dann meine Sele ruhen. Da soll sie in allen
ihren Fähigkeiten vergnüget, in allen ihren Trieben befriedi-
get, satt von göttlichem Licht, und entzückt in den Verehrungen
und Anbetungen der obersten allgemeinen Vollkommenheit,
alles niedere und sich selbst vergessen. ----

Hiebey erkenne ich denn nun auch ungezweifelt, daß dieser
alles regierende Verstand keine andere Absicht haben könne,
als daß alle Dinge in ihrer Art und im Ganzen gut seyn
mögen. Dahin sind alle Gesetze eingerichtet, die er in sie
geleget hat. Dahin zielen die Bewegungen der Körper, und
die ursprünglichen Triebe der verständigen Wesen. Die
grosse Empfindung des Guten- und Bösen, des Rechts und
Unrechts, die ich in mir erkannt habe, rühret nicht weniger
von demjenigen her, der seine mächtigen Einflüsse überall
ausbreitet. Es ist also eine göttliche Stimme, es ist die
Stimme der ewigen Wahrheit, die in mir redet.

Da ich nun einen so ehrwürdigen Lehrer und Gesetzgeber
an meinem Gewissen habe, so bin ich zwar deswegen so viel
mehr verbunden, auf seine Sprache, die sich ohne Unterlaß
in dem innersten Grunde meiner Sele hören lässet, aufmerk-
sam zu seyn, und ihr zu gehorchen; allein ich bin dann auch
zugleich gewiß, daß die unwandelbare Redlichkeit, die ich
hierin beweise, der richtige Weg ist, jenem Urbilde der Ord-
nung nach meiner Fähigkeit ähnlich zu werden, und ihm zu
gefallen. Es ist nichts bey mir möglich, das mir einen Wehrt
geben kann, nichts, das mich mit der anfänglichen Einrichtung
meiner Natur, und mit den Absichten der höchsten Regierung
übereinstimmig machen kann, als meine innerliche Richtigkeit.
Dieser Grund des Wolgefallens der Gottheit ist so ewig und
unveränderlich, als sie selbst.

Höher



einer ſolchen Hoheit bin ich beſtimmt, und der will ich immer
naͤher zu kommen ſuchen. Jch will nicht eher ſtehen bleiben,
als bis ich der Schoͤnheit bis zu ihrer erſten Quelle gefolget
bin. Da ſoll dann meine Sele ruhen. Da ſoll ſie in allen
ihren Faͤhigkeiten vergnuͤget, in allen ihren Trieben befriedi-
get, ſatt von goͤttlichem Licht, und entzuͤckt in den Verehrungen
und Anbetungen der oberſten allgemeinen Vollkommenheit,
alles niedere und ſich ſelbſt vergeſſen. ——

Hiebey erkenne ich denn nun auch ungezweifelt, daß dieſer
alles regierende Verſtand keine andere Abſicht haben koͤnne,
als daß alle Dinge in ihrer Art und im Ganzen gut ſeyn
moͤgen. Dahin ſind alle Geſetze eingerichtet, die er in ſie
geleget hat. Dahin zielen die Bewegungen der Koͤrper, und
die urſpruͤnglichen Triebe der verſtaͤndigen Weſen. Die
groſſe Empfindung des Guten- und Boͤſen, des Rechts und
Unrechts, die ich in mir erkannt habe, ruͤhret nicht weniger
von demjenigen her, der ſeine maͤchtigen Einfluͤſſe uͤberall
ausbreitet. Es iſt alſo eine goͤttliche Stimme, es iſt die
Stimme der ewigen Wahrheit, die in mir redet.

Da ich nun einen ſo ehrwuͤrdigen Lehrer und Geſetzgeber
an meinem Gewiſſen habe, ſo bin ich zwar deswegen ſo viel
mehr verbunden, auf ſeine Sprache, die ſich ohne Unterlaß
in dem innerſten Grunde meiner Sele hoͤren laͤſſet, aufmerk-
ſam zu ſeyn, und ihr zu gehorchen; allein ich bin dann auch
zugleich gewiß, daß die unwandelbare Redlichkeit, die ich
hierin beweiſe, der richtige Weg iſt, jenem Urbilde der Ord-
nung nach meiner Faͤhigkeit aͤhnlich zu werden, und ihm zu
gefallen. Es iſt nichts bey mir moͤglich, das mir einen Wehrt
geben kann, nichts, das mich mit der anfaͤnglichen Einrichtung
meiner Natur, und mit den Abſichten der hoͤchſten Regierung
uͤbereinſtimmig machen kann, als meine innerliche Richtigkeit.
Dieſer Grund des Wolgefallens der Gottheit iſt ſo ewig und
unveraͤnderlich, als ſie ſelbſt.

Hoͤher
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[18/0028] einer ſolchen Hoheit bin ich beſtimmt, und der will ich immer naͤher zu kommen ſuchen. Jch will nicht eher ſtehen bleiben, als bis ich der Schoͤnheit bis zu ihrer erſten Quelle gefolget bin. Da ſoll dann meine Sele ruhen. Da ſoll ſie in allen ihren Faͤhigkeiten vergnuͤget, in allen ihren Trieben befriedi- get, ſatt von goͤttlichem Licht, und entzuͤckt in den Verehrungen und Anbetungen der oberſten allgemeinen Vollkommenheit, alles niedere und ſich ſelbſt vergeſſen. —— Hiebey erkenne ich denn nun auch ungezweifelt, daß dieſer alles regierende Verſtand keine andere Abſicht haben koͤnne, als daß alle Dinge in ihrer Art und im Ganzen gut ſeyn moͤgen. Dahin ſind alle Geſetze eingerichtet, die er in ſie geleget hat. Dahin zielen die Bewegungen der Koͤrper, und die urſpruͤnglichen Triebe der verſtaͤndigen Weſen. Die groſſe Empfindung des Guten- und Boͤſen, des Rechts und Unrechts, die ich in mir erkannt habe, ruͤhret nicht weniger von demjenigen her, der ſeine maͤchtigen Einfluͤſſe uͤberall ausbreitet. Es iſt alſo eine goͤttliche Stimme, es iſt die Stimme der ewigen Wahrheit, die in mir redet. Da ich nun einen ſo ehrwuͤrdigen Lehrer und Geſetzgeber an meinem Gewiſſen habe, ſo bin ich zwar deswegen ſo viel mehr verbunden, auf ſeine Sprache, die ſich ohne Unterlaß in dem innerſten Grunde meiner Sele hoͤren laͤſſet, aufmerk- ſam zu ſeyn, und ihr zu gehorchen; allein ich bin dann auch zugleich gewiß, daß die unwandelbare Redlichkeit, die ich hierin beweiſe, der richtige Weg iſt, jenem Urbilde der Ord- nung nach meiner Faͤhigkeit aͤhnlich zu werden, und ihm zu gefallen. Es iſt nichts bey mir moͤglich, das mir einen Wehrt geben kann, nichts, das mich mit der anfaͤnglichen Einrichtung meiner Natur, und mit den Abſichten der hoͤchſten Regierung uͤbereinſtimmig machen kann, als meine innerliche Richtigkeit. Dieſer Grund des Wolgefallens der Gottheit iſt ſo ewig und unveraͤnderlich, als ſie ſelbſt. Hoͤher

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Zitationshilfe: [Spalding, Johann Joachim]: Betrachtung über die Bestimmung des Menschen. 3. Aufl. Berlin, 1749, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spalding_bestimmung_1749/28>, abgerufen am 27.04.2024.