Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.Das erste Capitel. er uns an/ behalten/ aber in der schrifft selbs den Papistischen sinn gantzdeutlich geoffenbahret/ wie er auch nechstens darauff öffentlich zu gegentheil übergetreten/ oder vielmehr nur damit/ was schon in ihm gewesen/ vor der welt auch bekant hat. Daher uns was er schreibt/ so wenig graviren kan/ als andere der Papisten eigene schrifften. Jndessen wird unvorsichtigen o- der doch dieser historie unwissenden leuten ein blauer dunst vor die augen ge- macht/ als ob er/ als er sein buch geschrieben/ noch ein auffrichtiger Luthera- ner gewesen/ und möge man ihn mit fug wider uns anziehen. Welches zu thun sich billig hüten solten/ die von christlichem candore profession machen. Der HErr HErr steure allen irrthumen/ wehre der macht Babels und hei- lige uns alle in seiner wahrheit/ sein wort ist die wahrheit Amen. SECTIO XVI. Wie die vierdte bitte zu verstehen? Ob GOtt und die Gottheit unterschieden? Ob die Gottheit in Christo gelidten? DJe beyde fragen anlangend: so betraff die erste die vierdte bitte des nem-
Das erſte Capitel. er uns an/ behalten/ aber in der ſchrifft ſelbs den Papiſtiſchen ſinn gantzdeutlich geoffenbahret/ wie er auch nechſtens darauff oͤffentlich zu gegentheil uͤbergetreten/ oder vielmehr nur damit/ was ſchon in ihm geweſen/ vor der welt auch bekant hat. Daher uns was er ſchreibt/ ſo wenig graviren kan/ als andere der Papiſten eigene ſchrifften. Jndeſſen wird unvorſichtigen o- der doch dieſer hiſtorie unwiſſenden leuten ein blauer dunſt vor die augen ge- macht/ als ob er/ als er ſein buch geſchrieben/ noch ein auffrichtiger Luthera- ner geweſen/ und moͤge man ihn mit fug wider uns anziehen. Welches zu thun ſich billig huͤten ſolten/ die von chriſtlichem candore profeſſion machen. Der HErr HErr ſteure allen irrthumen/ wehre der macht Babels und hei- lige uns alle in ſeiner wahrheit/ ſein wort iſt die wahrheit Amen. SECTIO XVI. Wie die vierdte bitte zu verſtehen? Ob GOtt und die Gottheit unterſchieden? Ob die Gottheit in Chriſto gelidten? DJe beyde fragen anlangend: ſo betraff die erſte die vierdte bitte des nem-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0160" n="144"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das erſte Capitel.</hi></fw><lb/> er uns an/ behalten/ aber in der ſchrifft ſelbs den Papiſtiſchen ſinn gantz<lb/> deutlich geoffenbahret/ wie er auch nechſtens darauff oͤffentlich zu gegentheil<lb/> uͤbergetreten/ oder vielmehr nur damit/ was ſchon in ihm geweſen/ vor der<lb/> welt auch bekant hat. Daher uns was er ſchreibt/ ſo wenig <hi rendition="#aq">gravi</hi>ren kan/<lb/> als andere der Papiſten eigene ſchrifften. Jndeſſen wird unvorſichtigen o-<lb/> der doch dieſer hiſtorie unwiſſenden leuten ein blauer dunſt vor die augen ge-<lb/> macht/ als ob er/ als er ſein buch geſchrieben/ noch ein auffrichtiger Luthera-<lb/> ner geweſen/ und moͤge man ihn mit fug wider uns anziehen. Welches zu<lb/> thun ſich billig huͤten ſolten/ die von chriſtlichem <hi rendition="#aq">candore profeſſion</hi> machen.<lb/> Der HErr HErr ſteure allen irrthumen/ wehre der macht Babels und hei-<lb/> lige uns alle in ſeiner wahrheit/ ſein wort iſt die wahrheit Amen.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO XVI</hi>.</hi><lb/> Wie die vierdte bitte zu verſtehen? Ob GOtt und<lb/> die Gottheit unterſchieden? Ob die Gottheit in<lb/> Chriſto gelidten?</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#in">D</hi>Je beyde fragen anlangend: ſo betraff die erſte die vierdte bitte des<lb/> Vater unſers/ ob eigentlich der grund-text <hi rendition="#fr">uͤberweſentliches</hi> oder<lb/><hi rendition="#fr">taͤgliches brodt</hi> nenne: Nun iſt nicht ohne/ daß wie das Grichiſche<lb/> wort lautet/ daſſelbe wol moͤchte uͤberweſentlich gegeben werden/ und alſo<lb/> heiſſen/ wie auch unſer liebe <hi rendition="#aq">Lutherus T. I. Altenb. f. 91. a.</hi> erſtlich ſolche deu-<lb/> tung ſich nicht mißfallen laſſen/ ſondern ſie angenommen hat: indeſſen moͤ-<lb/> gen wir nicht ſagen/ daß das Grichiſche wort nothwendig uͤberweſent-<lb/> lich gedolmetſchet werden muͤſſe/ ſondern es kan gantz recht heiſſen taͤglich<lb/> brodt/ das <hi rendition="#fr">nachfolgende brodt/</hi> oder <hi rendition="#fr">das brodt des folgenden tages.</hi><lb/> Wie in dem grund-text <hi rendition="#fr">Apoſt. Geſch.</hi> 7/ 26. 16/ 11. 20/ 15. 21/ 18. 23/ 11.<lb/> dasjenige woͤrtlein den folgenden tag anzeiget/ von welchem das hier befind-<lb/> liche herſtammet. Wann dann nun beyderley verſtand dem wort an ſich<lb/> ſelbs nicht zu wider iſt/ fragt ſichs nun/ welchen man gewiſſer annehmen koͤn-<lb/> te/ da laͤugne ich nun nicht/ daß ich den verſtand verſicherter halte/ da es gege-<lb/> ben wird <hi rendition="#fr">unſer taͤglich brodt/</hi> um damit die zeitliche nahrung auszutru-<lb/> cken. Meine urſachen ſind unter andern dieſe: wo wir das uͤberweſentliche<lb/> brodt Chriſtum/ oder auch ſein wort damit verſtanden haben wolten/ wuͤr-<lb/> den wir die zeitliche nahrung entweder zugleich mit verſtehen/ oder ſie davon<lb/> ausſchlieſſen: das erſte laͤſſet ſich nicht wol thun/ da wir unter einem wort<lb/> des brodts ſo gantz unterſchiedliche dinge/ die in keinem gemeinen verſtand<lb/> uͤberein kommen/ der ſie bequem mit einander einfaſte/ begreiffen wolten/<lb/> <fw place="bottom" type="catch">nem-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [144/0160]
Das erſte Capitel.
er uns an/ behalten/ aber in der ſchrifft ſelbs den Papiſtiſchen ſinn gantz
deutlich geoffenbahret/ wie er auch nechſtens darauff oͤffentlich zu gegentheil
uͤbergetreten/ oder vielmehr nur damit/ was ſchon in ihm geweſen/ vor der
welt auch bekant hat. Daher uns was er ſchreibt/ ſo wenig graviren kan/
als andere der Papiſten eigene ſchrifften. Jndeſſen wird unvorſichtigen o-
der doch dieſer hiſtorie unwiſſenden leuten ein blauer dunſt vor die augen ge-
macht/ als ob er/ als er ſein buch geſchrieben/ noch ein auffrichtiger Luthera-
ner geweſen/ und moͤge man ihn mit fug wider uns anziehen. Welches zu
thun ſich billig huͤten ſolten/ die von chriſtlichem candore profeſſion machen.
Der HErr HErr ſteure allen irrthumen/ wehre der macht Babels und hei-
lige uns alle in ſeiner wahrheit/ ſein wort iſt die wahrheit Amen.
SECTIO XVI.
Wie die vierdte bitte zu verſtehen? Ob GOtt und
die Gottheit unterſchieden? Ob die Gottheit in
Chriſto gelidten?
DJe beyde fragen anlangend: ſo betraff die erſte die vierdte bitte des
Vater unſers/ ob eigentlich der grund-text uͤberweſentliches oder
taͤgliches brodt nenne: Nun iſt nicht ohne/ daß wie das Grichiſche
wort lautet/ daſſelbe wol moͤchte uͤberweſentlich gegeben werden/ und alſo
heiſſen/ wie auch unſer liebe Lutherus T. I. Altenb. f. 91. a. erſtlich ſolche deu-
tung ſich nicht mißfallen laſſen/ ſondern ſie angenommen hat: indeſſen moͤ-
gen wir nicht ſagen/ daß das Grichiſche wort nothwendig uͤberweſent-
lich gedolmetſchet werden muͤſſe/ ſondern es kan gantz recht heiſſen taͤglich
brodt/ das nachfolgende brodt/ oder das brodt des folgenden tages.
Wie in dem grund-text Apoſt. Geſch. 7/ 26. 16/ 11. 20/ 15. 21/ 18. 23/ 11.
dasjenige woͤrtlein den folgenden tag anzeiget/ von welchem das hier befind-
liche herſtammet. Wann dann nun beyderley verſtand dem wort an ſich
ſelbs nicht zu wider iſt/ fragt ſichs nun/ welchen man gewiſſer annehmen koͤn-
te/ da laͤugne ich nun nicht/ daß ich den verſtand verſicherter halte/ da es gege-
ben wird unſer taͤglich brodt/ um damit die zeitliche nahrung auszutru-
cken. Meine urſachen ſind unter andern dieſe: wo wir das uͤberweſentliche
brodt Chriſtum/ oder auch ſein wort damit verſtanden haben wolten/ wuͤr-
den wir die zeitliche nahrung entweder zugleich mit verſtehen/ oder ſie davon
ausſchlieſſen: das erſte laͤſſet ſich nicht wol thun/ da wir unter einem wort
des brodts ſo gantz unterſchiedliche dinge/ die in keinem gemeinen verſtand
uͤberein kommen/ der ſie bequem mit einander einfaſte/ begreiffen wolten/
nem-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/160 |
Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/160>, abgerufen am 16.02.2025. |