Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

Bild:
<< vorherige Seite
SECTIO XLI.
SECTIO XLI.
Von dem heil der Heiden. Von den 1000 jahren
in Apocalypsi.

JN der frag wegen des heils der Heiden bin ich über das jenige/ was
ich neulich geschrieben/ wegen der kinder seligkeit eben der meinung mei-
nes S. Praeceptoris Dannhaueri, und ist mir lieb/ daß vernehme/ wie
auch Herr D. Schertzer gleiches gelehret. Jch weiß zwahr wol/ daß die mei-
ste Theologi widersprechen/ und hat unser D. Dannhauer selbs in Straß-
burg dissentientes gefunden: Jch sehe aber nicht/ wie wir die göttliche ge-
rechtigkeit salviren könten/ wo wir das gegentheil lehreten: Und bleibet bey
mir dieses eine feste regel/ quod Deo per satisfactionem Christi placato ne-
mo nisi ob rejectionem mediorum gratiae vel mediate vel immediate obla-
torum condemnetur.
Was die anderen Heiden anlangt/ welche er-
wachsen/ ob ihnen wol die gnaden-mittel nicht unmittelbar angetragen wor-
den/ haben schon schuld/ daß sie nicht GOtt auff diese art gedienet/ wie ih-
nen noch möglich war/ aus Rom. 1. Da gewiß ist/ fals sie solches duncke-
len liechtleins/ mit dem sie freylich das heil nicht erreichen konten/ sich recht
gebraucht hätten/ daß GOtt nicht ermangelet haben würde/ auff ihm bekan-
te weise das wahre liecht der gnaden zu schicken. Wie gedachter D. Dann-
hauer vocationem universalem, per naturam, als eine praeambulam gratio-
sae vocationis
betrachtet. Was den locum Johan. 1/ 9. betrifft/ bringt
solcher nichts mehr/ als daß JEsus das wahre liecht seye/ so alle erleuchtet/
so viel nemlich an ihm ist: Gleich wie die sonne/ wie solches gleichnüß von
meinem werthen bruder recht gebraucht wird/ alle erleuchtet/ das ist/ das ih-
rige an ihnen thut/ und sich niemand entzeucht/ ob sich wol viel ihr entziehen
können und also keinen nutzen von ihr haben. Treibt man auff den buchsta-
ben in dem wort alle/ daß also niemand übrig bleiben müsse/ welcher nicht
solcher erleuchtung wircklich geniesse/ so treibe ich mit gleichem recht auff das
wort photizein das in seinem schärffsten verstand heisset thätlich licht und
hell machen.
Da müssen aber auch die widrigen bekennen/ daß nicht thät-
lich alle menschen erleuchtet werden; dann es bleiben viele finsternüß und
ohne liecht. Also müssen sie bekennen/ daß das wort in solchem rigore nicht
könne genommen werden/ massen derselbe verstand offenbahrlich falsch ist.
Wie sie dann zu dessen salvirung es also verstehen/ es erleuchte alle menschen/
das ist/ es fange an einen schein in ihre hertzen zu geben/ durch eine überzeu-
gung des gewissens/ dero aber jene widerstrebeten/ und hinderten/ nicht völ-
lig erleuchtet zu werden; so ist mirs eben so wol erlaubt/ es zuverstehen
daß es erleuchten wolle/ und zu solchem erleuchten so viel thue/ als

viel
D d 3
SECTIO XLI.
SECTIO XLI.
Von dem heil der Heiden. Von den 1000 jahren
in Apocalypſi.

JN der frag wegen des heils der Heiden bin ich uͤber das jenige/ was
ich neulich geſchrieben/ wegen der kinder ſeligkeit eben der meinung mei-
nes S. Præceptoris Dannhaueri, und iſt mir lieb/ daß vernehme/ wie
auch Herr D. Schertzer gleiches gelehret. Jch weiß zwahr wol/ daß die mei-
ſte Theologi widerſprechen/ und hat unſer D. Dannhauer ſelbs in Straß-
burg diſſentientes gefunden: Jch ſehe aber nicht/ wie wir die goͤttliche ge-
rechtigkeit ſalviren koͤnten/ wo wir das gegentheil lehreten: Und bleibet bey
mir dieſes eine feſte regel/ quod Deo per ſatisfactionem Chriſti placato ne-
mo niſi ob rejectionem mediorum gratiæ vel mediatè vel immediatè obla-
torum condemnetur.
Was die anderen Heiden anlangt/ welche er-
wachſen/ ob ihnen wol die gnaden-mittel nicht unmittelbar angetragen wor-
den/ haben ſchon ſchuld/ daß ſie nicht GOtt auff dieſe art gedienet/ wie ih-
nen noch moͤglich war/ aus Rom. 1. Da gewiß iſt/ fals ſie ſolches duncke-
len liechtleins/ mit dem ſie freylich das heil nicht erreichen konten/ ſich recht
gebraucht haͤtten/ daß GOtt nicht ermangelet haben wuͤrde/ auff ihm bekan-
te weiſe das wahre liecht der gnaden zu ſchicken. Wie gedachter D. Dann-
hauer vocationem univerſalem, per naturam, als eine præambulam gratio-
ſæ vocationis
betrachtet. Was den locum Johan. 1/ 9. betrifft/ bringt
ſolcher nichts mehr/ als daß JEſus das wahre liecht ſeye/ ſo alle erleuchtet/
ſo viel nemlich an ihm iſt: Gleich wie die ſonne/ wie ſolches gleichnuͤß von
meinem werthen bruder recht gebraucht wird/ alle erleuchtet/ das iſt/ das ih-
rige an ihnen thut/ und ſich niemand entzeucht/ ob ſich wol viel ihr entziehen
koͤnnen und alſo keinen nutzen von ihr haben. Treibt man auff den buchſta-
ben in dem wort alle/ daß alſo niemand uͤbrig bleiben muͤſſe/ welcher nicht
ſolcher erleuchtung wircklich genieſſe/ ſo treibe ich mit gleichem recht auff das
wort φωτίζειν das in ſeinem ſchaͤrffſten verſtand heiſſet thaͤtlich licht und
hell machen.
Da muͤſſen aber auch die widrigen bekennen/ daß nicht thaͤt-
lich alle menſchen erleuchtet werden; dann es bleiben viele finſternuͤß und
ohne liecht. Alſo muͤſſen ſie bekennen/ daß das wort in ſolchem rigore nicht
koͤnne genommen werden/ maſſen derſelbe verſtand offenbahrlich falſch iſt.
Wie ſie dann zu deſſen ſalvirung es alſo verſtehen/ es erleuchte alle menſchen/
das iſt/ es fange an einen ſchein in ihre hertzen zu geben/ durch eine uͤberzeu-
gung des gewiſſens/ dero aber jene widerſtrebeten/ und hinderten/ nicht voͤl-
lig erleuchtet zu werden; ſo iſt mirs eben ſo wol erlaubt/ es zuverſtehen
daß es erleuchten wolle/ und zu ſolchem erleuchten ſo viel thue/ als

viel
D d 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0229" n="213"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#g">SECTIO XLI.</hi> </hi> </hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO XLI.</hi></hi><lb/>
Von dem heil der Heiden. Von den 1000 jahren<lb/><hi rendition="#aq">in Apocalyp&#x017F;i.</hi></hi> </head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">J</hi>N der frag wegen <hi rendition="#fr">des heils der Heiden</hi> bin ich u&#x0364;ber das jenige/ was<lb/>
ich neulich ge&#x017F;chrieben/ wegen der kinder &#x017F;eligkeit eben der meinung mei-<lb/>
nes S. <hi rendition="#aq">Præceptoris Dannhaueri,</hi> und i&#x017F;t mir lieb/ daß vernehme/ wie<lb/>
auch Herr <hi rendition="#aq">D.</hi> Schertzer gleiches gelehret. Jch weiß zwahr wol/ daß die mei-<lb/>
&#x017F;te <hi rendition="#aq">Theologi</hi> wider&#x017F;prechen/ und hat un&#x017F;er <hi rendition="#aq">D.</hi> Dannhauer &#x017F;elbs in Straß-<lb/>
burg <hi rendition="#aq">di&#x017F;&#x017F;entientes</hi> gefunden: Jch &#x017F;ehe aber nicht/ wie wir die go&#x0364;ttliche ge-<lb/>
rechtigkeit <hi rendition="#aq">&#x017F;alvi</hi>ren ko&#x0364;nten/ wo wir das gegentheil lehreten: Und bleibet bey<lb/>
mir die&#x017F;es eine fe&#x017F;te regel/ <hi rendition="#aq">quod Deo per &#x017F;atisfactionem Chri&#x017F;ti placato ne-<lb/>
mo ni&#x017F;i ob rejectionem mediorum gratiæ vel mediatè vel immediatè obla-<lb/>
torum condemnetur.</hi> Was die anderen Heiden anlangt/ welche er-<lb/>
wach&#x017F;en/ ob ihnen wol die gnaden-mittel nicht unmittelbar angetragen wor-<lb/>
den/ haben &#x017F;chon &#x017F;chuld/ daß &#x017F;ie nicht GOtt auff die&#x017F;e art gedienet/ wie ih-<lb/>
nen noch mo&#x0364;glich war/ aus <hi rendition="#fr">Rom.</hi> 1. Da gewiß i&#x017F;t/ fals &#x017F;ie &#x017F;olches duncke-<lb/>
len liechtleins/ mit dem &#x017F;ie freylich das heil nicht erreichen konten/ &#x017F;ich recht<lb/>
gebraucht ha&#x0364;tten/ daß GOtt nicht ermangelet haben wu&#x0364;rde/ auff ihm bekan-<lb/>
te wei&#x017F;e das wahre liecht der gnaden zu &#x017F;chicken. Wie gedachter <hi rendition="#aq">D.</hi> Dann-<lb/>
hauer <hi rendition="#aq">vocationem univer&#x017F;alem, per naturam,</hi> als eine <hi rendition="#aq">præambulam gratio-<lb/>
&#x017F;æ vocationis</hi> betrachtet. Was den <hi rendition="#aq">locum</hi> <hi rendition="#fr">Johan.</hi> 1/ 9. betrifft/ bringt<lb/>
&#x017F;olcher nichts mehr/ als daß JE&#x017F;us das wahre liecht &#x017F;eye/ &#x017F;o alle erleuchtet/<lb/>
&#x017F;o viel nemlich an ihm i&#x017F;t: Gleich wie die &#x017F;onne/ wie &#x017F;olches gleichnu&#x0364;ß von<lb/>
meinem werthen bruder recht gebraucht wird/ alle erleuchtet/ das i&#x017F;t/ das ih-<lb/>
rige an ihnen thut/ und &#x017F;ich niemand entzeucht/ ob &#x017F;ich wol viel ihr entziehen<lb/>
ko&#x0364;nnen und al&#x017F;o keinen nutzen von ihr haben. Treibt man auff den buch&#x017F;ta-<lb/>
ben in dem wort <hi rendition="#fr">alle/</hi> daß al&#x017F;o niemand u&#x0364;brig bleiben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e/ welcher nicht<lb/>
&#x017F;olcher erleuchtung wircklich genie&#x017F;&#x017F;e/ &#x017F;o treibe ich mit gleichem recht auff das<lb/>
wort &#x03C6;&#x03C9;&#x03C4;&#x03AF;&#x03B6;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BD; das in &#x017F;einem &#x017F;cha&#x0364;rff&#x017F;ten ver&#x017F;tand hei&#x017F;&#x017F;et tha&#x0364;tlich <hi rendition="#fr">licht und<lb/>
hell machen.</hi> Da mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en aber auch die widrigen bekennen/ daß nicht tha&#x0364;t-<lb/>
lich alle men&#x017F;chen erleuchtet werden; dann es bleiben viele fin&#x017F;ternu&#x0364;ß und<lb/>
ohne liecht. Al&#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie bekennen/ daß das wort in &#x017F;olchem <hi rendition="#aq">rigore</hi> nicht<lb/>
ko&#x0364;nne genommen werden/ ma&#x017F;&#x017F;en der&#x017F;elbe ver&#x017F;tand offenbahrlich fal&#x017F;ch i&#x017F;t.<lb/>
Wie &#x017F;ie dann zu de&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#aq">&#x017F;alvi</hi>rung es al&#x017F;o ver&#x017F;tehen/ es erleuchte alle men&#x017F;chen/<lb/>
das i&#x017F;t/ es fange an einen &#x017F;chein in ihre hertzen zu geben/ durch eine u&#x0364;berzeu-<lb/>
gung des gewi&#x017F;&#x017F;ens/ dero aber jene wider&#x017F;trebeten/ und hinderten/ nicht vo&#x0364;l-<lb/>
lig erleuchtet zu werden; &#x017F;o i&#x017F;t mirs eben &#x017F;o wol erlaubt/ es zuver&#x017F;tehen<lb/>
daß es erleuchten wolle/ und zu &#x017F;olchem erleuchten &#x017F;o viel thue/ als<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D d 3</fw><fw place="bottom" type="catch">viel</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[213/0229] SECTIO XLI. SECTIO XLI. Von dem heil der Heiden. Von den 1000 jahren in Apocalypſi. JN der frag wegen des heils der Heiden bin ich uͤber das jenige/ was ich neulich geſchrieben/ wegen der kinder ſeligkeit eben der meinung mei- nes S. Præceptoris Dannhaueri, und iſt mir lieb/ daß vernehme/ wie auch Herr D. Schertzer gleiches gelehret. Jch weiß zwahr wol/ daß die mei- ſte Theologi widerſprechen/ und hat unſer D. Dannhauer ſelbs in Straß- burg diſſentientes gefunden: Jch ſehe aber nicht/ wie wir die goͤttliche ge- rechtigkeit ſalviren koͤnten/ wo wir das gegentheil lehreten: Und bleibet bey mir dieſes eine feſte regel/ quod Deo per ſatisfactionem Chriſti placato ne- mo niſi ob rejectionem mediorum gratiæ vel mediatè vel immediatè obla- torum condemnetur. Was die anderen Heiden anlangt/ welche er- wachſen/ ob ihnen wol die gnaden-mittel nicht unmittelbar angetragen wor- den/ haben ſchon ſchuld/ daß ſie nicht GOtt auff dieſe art gedienet/ wie ih- nen noch moͤglich war/ aus Rom. 1. Da gewiß iſt/ fals ſie ſolches duncke- len liechtleins/ mit dem ſie freylich das heil nicht erreichen konten/ ſich recht gebraucht haͤtten/ daß GOtt nicht ermangelet haben wuͤrde/ auff ihm bekan- te weiſe das wahre liecht der gnaden zu ſchicken. Wie gedachter D. Dann- hauer vocationem univerſalem, per naturam, als eine præambulam gratio- ſæ vocationis betrachtet. Was den locum Johan. 1/ 9. betrifft/ bringt ſolcher nichts mehr/ als daß JEſus das wahre liecht ſeye/ ſo alle erleuchtet/ ſo viel nemlich an ihm iſt: Gleich wie die ſonne/ wie ſolches gleichnuͤß von meinem werthen bruder recht gebraucht wird/ alle erleuchtet/ das iſt/ das ih- rige an ihnen thut/ und ſich niemand entzeucht/ ob ſich wol viel ihr entziehen koͤnnen und alſo keinen nutzen von ihr haben. Treibt man auff den buchſta- ben in dem wort alle/ daß alſo niemand uͤbrig bleiben muͤſſe/ welcher nicht ſolcher erleuchtung wircklich genieſſe/ ſo treibe ich mit gleichem recht auff das wort φωτίζειν das in ſeinem ſchaͤrffſten verſtand heiſſet thaͤtlich licht und hell machen. Da muͤſſen aber auch die widrigen bekennen/ daß nicht thaͤt- lich alle menſchen erleuchtet werden; dann es bleiben viele finſternuͤß und ohne liecht. Alſo muͤſſen ſie bekennen/ daß das wort in ſolchem rigore nicht koͤnne genommen werden/ maſſen derſelbe verſtand offenbahrlich falſch iſt. Wie ſie dann zu deſſen ſalvirung es alſo verſtehen/ es erleuchte alle menſchen/ das iſt/ es fange an einen ſchein in ihre hertzen zu geben/ durch eine uͤberzeu- gung des gewiſſens/ dero aber jene widerſtrebeten/ und hinderten/ nicht voͤl- lig erleuchtet zu werden; ſo iſt mirs eben ſo wol erlaubt/ es zuverſtehen daß es erleuchten wolle/ und zu ſolchem erleuchten ſo viel thue/ als viel D d 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/229
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/229>, abgerufen am 29.11.2024.