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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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SECTIO XLV.
den geistlichen stand versetzet worden/ daß eben solches feuer ihn augenblick-
lich verwandelt habe. Sind nun schmertzen des leibes vorhanden/ so fehlets
nicht/ daß nicht auch wegen der genauen vereinigung leibes und der seelen/
diese eben so wohl auch davon leiden/ und ob wol kurtze gleichwohl so viel
schmertzlichere ängsten empfinden werde. Jndessen aber ist gleichwohl leib
und seele stetig beysammen geblieben/ und niemahls getrennet worden/ wel-
ches sonsten der todt pflegt genennet zu werden.

Deme besagten mag nun nicht entgegen gesetzt werden/ wann Rom. 6.
der todt der sünden sold
insgemein genennet/ und Hebr. 9. allen men-
schen der todt
vorzustehen gelehret wird. Jndem die schrifft allezeit also
verstanden werden muß/ wie sie sich selbs erklähret/ und also mit ausnahm
dessen/ was sie anderwertlich austrücklich saget. Wo deswegen eben der
angeführte ort 1. Cor. 15. eine solche ausnahm ist/ die jenen allgemeinen satz
deutlich restringiret. So haben wir ja ohne das die exempel Henochs und
Eliä/
welche ohne eigentlichen todt in die seligkeit auffgenommen/ aber frey-
lich müssen verwandelt seyn worden/ weil sie aus einem natürlichen in ein
geistlich leben versetzet worden. Gleichwie dann diese beyde exempel von der
regul abgehen/ so ist dann nichts ungereimtes/ daß wir eine gleiche ausnahm
erkennen/ in denen so von dem jüngsten tag lebendig ergriffen werden; und
wird damit die schrifft keines falschen beschuldiget/ indem sie so wol der aus-
nahm als der regel gedencket. Bleibet demnach freylich die regel stehen/ daß
ordentlicher weiß alle menschen sterben müssen/ obwol diese ausserordentliche
exempel davon ausgenommen werden. Und kan man auch nicht sagen/ daß
denjenigen welche sterben/ und also auch diese art des zeitlichen todes ausste-
hen/ deswegen unrecht geschehe/ weil diese gar nicht stürben/ indem hingegen
solche plötzliche veränderung/ obwol nicht eine eigentliche trennung der seelen
und leibes/ je dennoch an deroselben stelle ist/ und so zureden todt/ verwesung
und aufferstehung/ die bey den andern erst nach einander folgen/ in einem au-
genblick geschehen/ das ist/ daß die verwandlung an statt aller solcher dreyer
geschihet. Wie ja auch in der welt ohne verletzung göttlicher gerechtigkeit einer
einen langsamen/ ein anderer einen schnellen/ einer einen gelinden/ ein ande-
rer einen gewaltsamen und schmertzlichen todt leidet. Also geschihets eben
so wol ohne der göttlichen gerechtigkeit verletzung/ daß diese leut durch die
verwandlung in gewisser maaß dasjenige ausstehen/ was andere durch den
todt leiden: da zwahr die seele von dem leib nicht eigentlich gewichen: aber
in einem augenblick einen andern leib zu haben anfängt/ und so zu reden aus
einem in den andern weichet. Wie auch die verwandlung an der verwesung
und aufferstehung stelle geschihet.

SECTIO

SECTIO XLV.
den geiſtlichen ſtand verſetzet worden/ daß eben ſolches feuer ihn augenblick-
lich verwandelt habe. Sind nun ſchmertzen des leibes vorhanden/ ſo fehlets
nicht/ daß nicht auch wegen der genauen vereinigung leibes und der ſeelen/
dieſe eben ſo wohl auch davon leiden/ und ob wol kurtze gleichwohl ſo viel
ſchmertzlichere aͤngſten empfinden werde. Jndeſſen aber iſt gleichwohl leib
und ſeele ſtetig beyſammen geblieben/ und niemahls getrennet worden/ wel-
ches ſonſten der todt pflegt genennet zu werden.

Deme beſagten mag nun nicht entgegen geſetzt werden/ wann Rom. 6.
der todt der ſuͤnden ſold
insgemein genennet/ und Hebr. 9. allen men-
ſchen der todt
vorzuſtehen gelehret wird. Jndem die ſchrifft allezeit alſo
verſtanden werden muß/ wie ſie ſich ſelbs erklaͤhret/ und alſo mit ausnahm
deſſen/ was ſie anderwertlich austruͤcklich ſaget. Wo deswegen eben der
angefuͤhrte ort 1. Cor. 15. eine ſolche ausnahm iſt/ die jenen allgemeinen ſatz
deutlich reſtringiret. So haben wir ja ohne das die exempel Henochs und
Eliaͤ/
welche ohne eigentlichen todt in die ſeligkeit auffgenommen/ aber frey-
lich muͤſſen verwandelt ſeyn worden/ weil ſie aus einem natuͤrlichen in ein
geiſtlich leben verſetzet worden. Gleichwie dann dieſe beyde exempel von der
regul abgehen/ ſo iſt dann nichts ungereimtes/ daß wir eine gleiche ausnahm
erkennen/ in denen ſo von dem juͤngſten tag lebendig ergriffen werden; und
wird damit die ſchrifft keines falſchen beſchuldiget/ indem ſie ſo wol der aus-
nahm als der regel gedencket. Bleibet demnach freylich die regel ſtehen/ daß
ordentlicher weiß alle menſchen ſterben muͤſſen/ obwol dieſe auſſerordentliche
exempel davon ausgenommen werden. Und kan man auch nicht ſagen/ daß
denjenigen welche ſterben/ und alſo auch dieſe art des zeitlichen todes ausſte-
hen/ deswegen unrecht geſchehe/ weil dieſe gar nicht ſtuͤrben/ indem hingegen
ſolche ploͤtzliche veraͤnderung/ obwol nicht eine eigentliche trennung der ſeelen
und leibes/ je dennoch an deroſelben ſtelle iſt/ und ſo zureden todt/ verweſung
und aufferſtehung/ die bey den andern erſt nach einander folgen/ in einem au-
genblick geſchehen/ das iſt/ daß die verwandlung an ſtatt aller ſolcher dreyer
geſchihet. Wie ja auch in deꝛ welt ohne veꝛletzung goͤttlicheꝛ gerechtigkeit einer
einen langſamen/ ein anderer einen ſchnellen/ einer einen gelinden/ ein ande-
rer einen gewaltſamen und ſchmertzlichen todt leidet. Alſo geſchihets eben
ſo wol ohne der goͤttlichen gerechtigkeit verletzung/ daß dieſe leut durch die
verwandlung in gewiſſer maaß dasjenige ausſtehen/ was andere durch den
todt leiden: da zwahr die ſeele von dem leib nicht eigentlich gewichen: aber
in einem augenblick einen andern leib zu haben anfaͤngt/ und ſo zu reden aus
einem in den andern weichet. Wie auch die verwandlung an der verweſung
und aufferſtehung ſtelle geſchihet.

SECTIO
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[231/0247] SECTIO XLV. den geiſtlichen ſtand verſetzet worden/ daß eben ſolches feuer ihn augenblick- lich verwandelt habe. Sind nun ſchmertzen des leibes vorhanden/ ſo fehlets nicht/ daß nicht auch wegen der genauen vereinigung leibes und der ſeelen/ dieſe eben ſo wohl auch davon leiden/ und ob wol kurtze gleichwohl ſo viel ſchmertzlichere aͤngſten empfinden werde. Jndeſſen aber iſt gleichwohl leib und ſeele ſtetig beyſammen geblieben/ und niemahls getrennet worden/ wel- ches ſonſten der todt pflegt genennet zu werden. Deme beſagten mag nun nicht entgegen geſetzt werden/ wann Rom. 6. der todt der ſuͤnden ſold insgemein genennet/ und Hebr. 9. allen men- ſchen der todt vorzuſtehen gelehret wird. Jndem die ſchrifft allezeit alſo verſtanden werden muß/ wie ſie ſich ſelbs erklaͤhret/ und alſo mit ausnahm deſſen/ was ſie anderwertlich austruͤcklich ſaget. Wo deswegen eben der angefuͤhrte ort 1. Cor. 15. eine ſolche ausnahm iſt/ die jenen allgemeinen ſatz deutlich reſtringiret. So haben wir ja ohne das die exempel Henochs und Eliaͤ/ welche ohne eigentlichen todt in die ſeligkeit auffgenommen/ aber frey- lich muͤſſen verwandelt ſeyn worden/ weil ſie aus einem natuͤrlichen in ein geiſtlich leben verſetzet worden. Gleichwie dann dieſe beyde exempel von der regul abgehen/ ſo iſt dann nichts ungereimtes/ daß wir eine gleiche ausnahm erkennen/ in denen ſo von dem juͤngſten tag lebendig ergriffen werden; und wird damit die ſchrifft keines falſchen beſchuldiget/ indem ſie ſo wol der aus- nahm als der regel gedencket. Bleibet demnach freylich die regel ſtehen/ daß ordentlicher weiß alle menſchen ſterben muͤſſen/ obwol dieſe auſſerordentliche exempel davon ausgenommen werden. Und kan man auch nicht ſagen/ daß denjenigen welche ſterben/ und alſo auch dieſe art des zeitlichen todes ausſte- hen/ deswegen unrecht geſchehe/ weil dieſe gar nicht ſtuͤrben/ indem hingegen ſolche ploͤtzliche veraͤnderung/ obwol nicht eine eigentliche trennung der ſeelen und leibes/ je dennoch an deroſelben ſtelle iſt/ und ſo zureden todt/ verweſung und aufferſtehung/ die bey den andern erſt nach einander folgen/ in einem au- genblick geſchehen/ das iſt/ daß die verwandlung an ſtatt aller ſolcher dreyer geſchihet. Wie ja auch in deꝛ welt ohne veꝛletzung goͤttlicheꝛ gerechtigkeit einer einen langſamen/ ein anderer einen ſchnellen/ einer einen gelinden/ ein ande- rer einen gewaltſamen und ſchmertzlichen todt leidet. Alſo geſchihets eben ſo wol ohne der goͤttlichen gerechtigkeit verletzung/ daß dieſe leut durch die verwandlung in gewiſſer maaß dasjenige ausſtehen/ was andere durch den todt leiden: da zwahr die ſeele von dem leib nicht eigentlich gewichen: aber in einem augenblick einen andern leib zu haben anfaͤngt/ und ſo zu reden aus einem in den andern weichet. Wie auch die verwandlung an der verweſung und aufferſtehung ſtelle geſchihet. SECTIO

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/247>, abgerufen am 22.11.2024.