Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.Das erste Capitel. gelanget/ auch einige abweichung von der göttlichen ordnung (obwol ohneschuld dessen/ der dazu gekommen ist) sich antreffen lässet: wie wir denn die jenige art/ da an vielen orten wohl gar der einige obrigkeitliche stand sich des beruff-rechts anmasset/ nicht billigen können/ obzwahr wo es nicht zu ändern stehet/ dulden müssen. Allen dem ist nun nichts entgegen/ was in dem Ham- burgischen revers von mir gelehret ist worden. Denn dasselbe gehet theils an dasjenige/ was ich selbst verlange/ und der göttlichen ordnung am gemäs- sesten zu seyn bekant habe/ theils denjenigen zustand/ von dem bereits erin- nert/ daß wir/ so lang wir ihn nicht zu ändern vermögen/ dulden müssen/ und dasselbige ohne einige Contradiction: wo nur auff alles genaue achtung ge- geben wird. Daher auch ich in dem bedencken wegen des religions-eyds un- terschiedliche mahl selbst mit fingern auff beyde zustände und consideratio- nen gedeutet habe: als wenn in demselben klahr stehet. Es gehöret allen ständen das ihrige dabey zu thun (dieses ist dasjenige wie es rechtswe- gen seyn solte) auffs wenigste/ (da wir es jetzt so weit solten bringen/ und noch erhalten müssen/ was wir können) muß die obrigkeit/ so (und zwahr auch nicht in blossem eigenen nahmen/ sondern so fern sie) das directorium auch des dritten stands führet/ ihr werck mit darbey haben/ u. f. w. Nochmahls/ sondern mit der obrigkeit/ oder wer iedes orts die kirche mit vertritt oder repraesentiret. Hie sihet man/ daß ich der kir- chen das jus gebe/ und da ich alle glieder gerne zu der übung desselben gezogen sehen wolte/ nach jetziger verfassung der obrigkeit zwahr gedencke/ aber beyfü- ge/ wer jedes orts die kirche mit vertrete/ und also welches ich aller orten zu seyn wünschete/ wo älteste von der gemeine und aus ihrem mittel gewehlet sich finden/ so neben der obrigkeit an ihrer stelle solches recht üben. Also wo wir auff die Form. Concord. wiederkommen/ folget aus allem nicht mehr als dieses/ daß mit dero verfassung nicht also verfahren worden seye/ wie die er- ste ordnung mit sich bringet/ und ich selbs zu geschehen wünschete; nicht aber daß deswegen das gantze werck Anti-christisch seye/ nachdem der dritte stand durch den obrigkeitlichen mit vertreten und repraesentiret worden: Da hin- gegen das Anti-Christenthum einem stand/ der es als jure suo habe und be- sitze/ die gewalt zueignet. Weiter gehet meine geschriebene antwort nicht/ und streitet also auch nicht mit dem gedruckten bedencken. Also auch was aus dem tractat von gebrauch und mißbrauch der klagen. p. 88. und 135. ange- führet wird/ stehet gantz wohl neben einander/ und habe ich keines unter bey- den zu retractiren ursach. Ferner behaupte ich das recht der gemeine aller orten wo ich kan/ und begebe derselben nichts/ wenn ich/ wo man ihr noch nicht zum völligen gebrauch desselben helffen kan/ helffe einestheils nach allem ver- mögen
Das erſte Capitel. gelanget/ auch einige abweichung von der goͤttlichen ordnung (obwol ohneſchuld deſſen/ der dazu gekommen iſt) ſich antreffen laͤſſet: wie wir denn die jenige art/ da an vielen orten wohl gar der einige obrigkeitliche ſtand ſich des beruff-rechts anmaſſet/ nicht billigen koͤnnen/ obzwahr wo es nicht zu aͤndern ſtehet/ dulden muͤſſen. Allen dem iſt nun nichts entgegen/ was in dem Ham- burgiſchen revers von mir gelehret iſt worden. Denn daſſelbe gehet theils an dasjenige/ was ich ſelbſt verlange/ und der goͤttlichen ordnung am gemaͤſ- ſeſten zu ſeyn bekant habe/ theils denjenigen zuſtand/ von dem bereits erin- nert/ daß wir/ ſo lang wir ihn nicht zu aͤndern vermoͤgen/ dulden muͤſſen/ und daſſelbige ohne einige Contradiction: wo nur auff alles genaue achtung ge- geben wird. Daher auch ich in dem bedencken wegen des religions-eyds un- terſchiedliche mahl ſelbſt mit fingern auff beyde zuſtaͤnde und conſideratio- nen gedeutet habe: als wenn in demſelben klahr ſtehet. Es gehoͤret allen ſtaͤnden das ihrige dabey zu thun (dieſes iſt dasjenige wie es rechtswe- gen ſeyn ſolte) auffs wenigſte/ (da wir es jetzt ſo weit ſolten bringen/ und noch erhalten muͤſſen/ was wir koͤnnen) muß die obrigkeit/ ſo (und zwahr auch nicht in bloſſem eigenen nahmen/ ſondern ſo fern ſie) das directorium auch des dritten ſtands fuͤhret/ ihr werck mit darbey haben/ u. f. w. Nochmahls/ ſondern mit der obrigkeit/ oder wer iedes orts die kirche mit vertritt oder repræſentiret. Hie ſihet man/ daß ich der kir- chen das jus gebe/ und da ich alle glieder gerne zu der uͤbung deſſelben gezogen ſehen wolte/ nach jetziger verfaſſung der obrigkeit zwahr gedencke/ aber beyfuͤ- ge/ wer jedes orts die kirche mit vertrete/ und alſo welches ich aller orten zu ſeyn wuͤnſchete/ wo aͤlteſte von der gemeine und aus ihrem mittel gewehlet ſich finden/ ſo neben der obrigkeit an ihrer ſtelle ſolches recht uͤben. Alſo wo wir auff die Form. Concord. wiederkommen/ folget aus allem nicht mehr als dieſes/ daß mit dero verfaſſung nicht alſo verfahren worden ſeye/ wie die er- ſte ordnung mit ſich bringet/ und ich ſelbs zu geſchehen wuͤnſchete; nicht aber daß deswegen das gantze werck Anti-chriſtiſch ſeye/ nachdem der dritte ſtand durch den obrigkeitlichen mit vertreten und repræſentiret worden: Da hin- gegen das Anti-Chriſtenthum einem ſtand/ der es als jure ſuo habe und be- ſitze/ die gewalt zueignet. Weiter gehet meine geſchriebene antwort nicht/ und ſtreitet alſo auch nicht mit dem gedruckten bedencken. Alſo auch was aus dem tractat von gebrauch und mißbrauch der klagen. p. 88. und 135. ange- fuͤhret wird/ ſtehet gantz wohl neben einander/ und habe ich keines unter bey- den zu retractiren urſach. Ferner behaupte ich das recht der gemeine aller orten wo ich kan/ und begebe derſelben nichts/ wenn ich/ wo man ihr noch nicht zum voͤlligen gebrauch deſſelben helffen kan/ helffe einestheils nach allem veꝛ- moͤgen
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0280" n="264"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das erſte Capitel.</hi></fw><lb/> gelanget/ auch einige abweichung von der goͤttlichen ordnung (obwol ohne<lb/> ſchuld deſſen/ der dazu gekommen iſt) ſich antreffen laͤſſet: wie wir denn die<lb/> jenige art/ da an vielen orten wohl gar der einige obrigkeitliche ſtand ſich des<lb/> beruff-rechts anmaſſet/ nicht billigen koͤnnen/ obzwahr wo es nicht zu aͤndern<lb/> ſtehet/ dulden muͤſſen. Allen dem iſt nun nichts entgegen/ was in dem Ham-<lb/> burgiſchen <hi rendition="#aq">revers</hi> von mir gelehret iſt worden. Denn daſſelbe gehet theils<lb/> an dasjenige/ was ich ſelbſt verlange/ und der goͤttlichen ordnung am gemaͤſ-<lb/> ſeſten zu ſeyn bekant habe/ theils denjenigen zuſtand/ von dem bereits erin-<lb/> nert/ daß wir/ ſo lang wir ihn nicht zu aͤndern vermoͤgen/ dulden muͤſſen/ und<lb/> daſſelbige ohne einige <hi rendition="#aq">Contradiction:</hi> wo nur auff alles genaue achtung ge-<lb/> geben wird. Daher auch ich in dem bedencken wegen des religions-eyds un-<lb/> terſchiedliche mahl ſelbſt mit fingern auff beyde zuſtaͤnde und <hi rendition="#aq">conſideratio-<lb/> nen</hi> gedeutet habe: als wenn in demſelben klahr ſtehet. <hi rendition="#fr">Es gehoͤret allen<lb/> ſtaͤnden das ihrige dabey zu thun</hi> (dieſes iſt dasjenige wie es rechtswe-<lb/> gen ſeyn ſolte) <hi rendition="#fr">auffs wenigſte/</hi> (da wir es jetzt ſo weit ſolten bringen/ und<lb/> noch erhalten muͤſſen/ was wir koͤnnen) <hi rendition="#fr">muß die obrigkeit/ ſo</hi> (und zwahr<lb/> auch nicht in bloſſem eigenen nahmen/ ſondern ſo fern ſie) <hi rendition="#fr">das</hi> <hi rendition="#aq">directorium</hi><lb/><hi rendition="#fr">auch des dritten ſtands fuͤhret/ ihr werck mit darbey haben/</hi><lb/> u. f. w. Nochmahls/ <hi rendition="#fr">ſondern mit der obrigkeit/ oder wer iedes orts die<lb/> kirche mit vertritt oder</hi> <hi rendition="#aq">repræſenti</hi><hi rendition="#fr">ret.</hi> Hie ſihet man/ daß ich der kir-<lb/> chen das <hi rendition="#aq">jus</hi> gebe/ und da ich alle glieder gerne zu der uͤbung deſſelben gezogen<lb/> ſehen wolte/ nach jetziger verfaſſung der obrigkeit zwahr gedencke/ aber beyfuͤ-<lb/> ge/ wer jedes orts die kirche mit vertrete/ und alſo welches ich aller orten zu<lb/> ſeyn wuͤnſchete/ wo aͤlteſte von der gemeine und aus ihrem mittel gewehlet<lb/> ſich finden/ ſo neben der obrigkeit an ihrer ſtelle ſolches recht uͤben. Alſo wo<lb/> wir auff die <hi rendition="#aq">Form. Concord.</hi> wiederkommen/ folget aus allem nicht mehr als<lb/> dieſes/ daß mit dero verfaſſung nicht alſo verfahren worden ſeye/ wie die er-<lb/> ſte ordnung mit ſich bringet/ und ich ſelbs zu geſchehen wuͤnſchete; nicht aber<lb/> daß deswegen das gantze werck Anti-chriſtiſch ſeye/ nachdem der dritte ſtand<lb/> durch den obrigkeitlichen mit vertreten und <hi rendition="#aq">repræſenti</hi>ret worden: Da hin-<lb/> gegen das Anti-Chriſtenthum einem ſtand/ der es als <hi rendition="#aq">jure ſuo</hi> habe und be-<lb/> ſitze/ die gewalt zueignet. Weiter gehet meine geſchriebene antwort nicht/<lb/> und ſtreitet alſo auch nicht mit dem gedruckten bedencken. Alſo auch was<lb/> aus dem <hi rendition="#aq">tractat</hi> von gebrauch und mißbrauch der klagen. p. 88. und 135. ange-<lb/> fuͤhret wird/ ſtehet gantz wohl neben einander/ und habe ich keines unter bey-<lb/> den zu <hi rendition="#aq">retracti</hi>ren urſach. Ferner behaupte ich das recht der gemeine aller<lb/> orten wo ich kan/ und begebe derſelben nichts/ wenn ich/ wo man ihr noch nicht<lb/> zum voͤlligen gebrauch deſſelben helffen kan/ helffe einestheils nach allem veꝛ-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">moͤgen</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [264/0280]
Das erſte Capitel.
gelanget/ auch einige abweichung von der goͤttlichen ordnung (obwol ohne
ſchuld deſſen/ der dazu gekommen iſt) ſich antreffen laͤſſet: wie wir denn die
jenige art/ da an vielen orten wohl gar der einige obrigkeitliche ſtand ſich des
beruff-rechts anmaſſet/ nicht billigen koͤnnen/ obzwahr wo es nicht zu aͤndern
ſtehet/ dulden muͤſſen. Allen dem iſt nun nichts entgegen/ was in dem Ham-
burgiſchen revers von mir gelehret iſt worden. Denn daſſelbe gehet theils
an dasjenige/ was ich ſelbſt verlange/ und der goͤttlichen ordnung am gemaͤſ-
ſeſten zu ſeyn bekant habe/ theils denjenigen zuſtand/ von dem bereits erin-
nert/ daß wir/ ſo lang wir ihn nicht zu aͤndern vermoͤgen/ dulden muͤſſen/ und
daſſelbige ohne einige Contradiction: wo nur auff alles genaue achtung ge-
geben wird. Daher auch ich in dem bedencken wegen des religions-eyds un-
terſchiedliche mahl ſelbſt mit fingern auff beyde zuſtaͤnde und conſideratio-
nen gedeutet habe: als wenn in demſelben klahr ſtehet. Es gehoͤret allen
ſtaͤnden das ihrige dabey zu thun (dieſes iſt dasjenige wie es rechtswe-
gen ſeyn ſolte) auffs wenigſte/ (da wir es jetzt ſo weit ſolten bringen/ und
noch erhalten muͤſſen/ was wir koͤnnen) muß die obrigkeit/ ſo (und zwahr
auch nicht in bloſſem eigenen nahmen/ ſondern ſo fern ſie) das directorium
auch des dritten ſtands fuͤhret/ ihr werck mit darbey haben/
u. f. w. Nochmahls/ ſondern mit der obrigkeit/ oder wer iedes orts die
kirche mit vertritt oder repræſentiret. Hie ſihet man/ daß ich der kir-
chen das jus gebe/ und da ich alle glieder gerne zu der uͤbung deſſelben gezogen
ſehen wolte/ nach jetziger verfaſſung der obrigkeit zwahr gedencke/ aber beyfuͤ-
ge/ wer jedes orts die kirche mit vertrete/ und alſo welches ich aller orten zu
ſeyn wuͤnſchete/ wo aͤlteſte von der gemeine und aus ihrem mittel gewehlet
ſich finden/ ſo neben der obrigkeit an ihrer ſtelle ſolches recht uͤben. Alſo wo
wir auff die Form. Concord. wiederkommen/ folget aus allem nicht mehr als
dieſes/ daß mit dero verfaſſung nicht alſo verfahren worden ſeye/ wie die er-
ſte ordnung mit ſich bringet/ und ich ſelbs zu geſchehen wuͤnſchete; nicht aber
daß deswegen das gantze werck Anti-chriſtiſch ſeye/ nachdem der dritte ſtand
durch den obrigkeitlichen mit vertreten und repræſentiret worden: Da hin-
gegen das Anti-Chriſtenthum einem ſtand/ der es als jure ſuo habe und be-
ſitze/ die gewalt zueignet. Weiter gehet meine geſchriebene antwort nicht/
und ſtreitet alſo auch nicht mit dem gedruckten bedencken. Alſo auch was
aus dem tractat von gebrauch und mißbrauch der klagen. p. 88. und 135. ange-
fuͤhret wird/ ſtehet gantz wohl neben einander/ und habe ich keines unter bey-
den zu retractiren urſach. Ferner behaupte ich das recht der gemeine aller
orten wo ich kan/ und begebe derſelben nichts/ wenn ich/ wo man ihr noch nicht
zum voͤlligen gebrauch deſſelben helffen kan/ helffe einestheils nach allem veꝛ-
moͤgen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |