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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Des 1. Capitels.
chen hie und dort sich finden mag. 2. Rom ist zwahr ein particular ort/ wir
verstehen aber unter solchem nahmen nicht die blosse stadt/ sondern das gantze
geistliche reich/ so von daraus regieret wird/ welches sich weit gnug erstrecket.
3. Daß Babel seine macht über die gantze kirche erstrecken müsse/ hat seinen
unterschiedlichen verstand/ entweder heissets/ daß Babel dahin trachte/ die
gantze kirche sich zu unterwerffen/ und seine macht darüber zu erstrecken; so
gestehe ich es/ aber Rom thut solches auch/ und suchet nicht nur mit list und
gewalt die gantze Europeische Christenheit/ so viel es derselben noch nicht un-
ter sich hat/ ihm selbs zu unterwerffen/ sondern versucht dergleichen/ weil die
gewalt daselbs nicht angehn will/ mit list in Orient und gegen mittag/ wie be-
kant ist/ und sie selbs so viel rühmens davon machen/ was sie durch ihre mis-
siones
theils sich unterstanden/ theils ausgerichtet in Jndien/ Japonien/
China/ Abyßina u. s. f. oder es heisset/ daß Babel die gewalt müsse würcklich
über die gantze kirche bekommen/ so ist solches in der schrifft nicht gegründet.
Jn der alten figur hat Babel das jüdische volck so in seinem land wohnte/ un-
ter sich gebracht/ und einen starcken theil dessen in die würckliche gefangen-
schafft geführt; ob und was es vor gewalt über die vorher von den Aßyriern
weggeführte stämme/ die eine weile bereits von Juda getrennet gewesen/ je-
doch nicht gantz von dem volck GOttes/ die der bund angieng/ ausgeschlossen
werden können/ erlanget/ bezeiget die schrifft eben nicht: So blieben einige ju-
den in dem lande/ die nicht würcklich nach Babel kamen/ andere salvirten sich in
Egypten. Jst auch nicht vermuthlich/ daß bereits damahl durch allerley
gelegenheit nicht viele der juden ander wertlich gewesen sind/ und sich nieder-
gelassen haben/ welche von der herrschafft Babels frey geblieben sind: Jndes-
sen hat doch Babel damal das gröste des volcks GOttes/ da dasselbe gleich-
sam sichtbar beysammen gewesen/ überwunden und unter sich gebracht: zu er-
füllung der figur ists gnug/ wo das geistliche Babel/ ob schon nicht eben alle
gemeinden/ welche sich von dem übrigen corpore lange abgerissen/ als die in O-
rient und andere sind/ unter sich bringt/ ob schon auch allemal einige kleinere
theile noch dessen gewalt entrinnen/ wo es nur das grösseste und sichtbahrste
theil (so wir in unserm Europa zu seyn nicht unrecht sagen mögen.) unter sich
zwinget/ wie es bekantlich vor der reformation Lutheri, und ehe der erste
ausgang geschehen/ die gewalt über alles/ die wenige Waldenser/ Husiten
und dergleichen ausgenommen) gehabt/ und vermuthlich bald wiederum über
alles (wie viel der HErr wird beschützen/ wollen wir seiner weißheit und güte
nicht vorschreiben) bekommen wird. Suchet man ein solches unter diesen
worten/ daß es seine gewalt über die gantze kirche erstreckt/ so widerspreche
ich nicht: ein mehrers aber sehe nicht/ wie erzwungen werden könte.

§. XIV.

Des 1. Capitels.
chen hie und dort ſich finden mag. 2. Rom iſt zwahr ein particular ort/ wir
verſtehen aber unter ſolchem nahmen nicht die bloſſe ſtadt/ ſondern das gantze
geiſtliche reich/ ſo von daraus regieret wird/ welches ſich weit gnug erſtrecket.
3. Daß Babel ſeine macht uͤber die gantze kirche erſtrecken muͤſſe/ hat ſeinen
unterſchiedlichen verſtand/ entweder heiſſets/ daß Babel dahin trachte/ die
gantze kirche ſich zu unterwerffen/ und ſeine macht daruͤber zu erſtrecken; ſo
geſtehe ich es/ aber Rom thut ſolches auch/ und ſuchet nicht nur mit liſt und
gewalt die gantze Europeiſche Chriſtenheit/ ſo viel es derſelben noch nicht un-
ter ſich hat/ ihm ſelbs zu unterwerffen/ ſondern verſucht dergleichen/ weil die
gewalt daſelbs nicht angehn will/ mit liſt in Orient und gegen mittag/ wie be-
kant iſt/ und ſie ſelbs ſo viel ruͤhmens davon machen/ was ſie durch ihre miſ-
ſiones
theils ſich unterſtanden/ theils ausgerichtet in Jndien/ Japonien/
China/ Abyßina u. ſ. f. oder es heiſſet/ daß Babel die gewalt muͤſſe wuͤrcklich
uͤber die gantze kirche bekommen/ ſo iſt ſolches in der ſchrifft nicht gegruͤndet.
Jn der alten figur hat Babel das juͤdiſche volck ſo in ſeinem land wohnte/ un-
ter ſich gebracht/ und einen ſtarcken theil deſſen in die wuͤrckliche gefangen-
ſchafft gefuͤhrt; ob und was es vor gewalt uͤber die vorher von den Aßyriern
weggefuͤhrte ſtaͤmme/ die eine weile bereits von Juda getrennet geweſen/ je-
doch nicht gantz von dem volck GOttes/ die der bund angieng/ ausgeſchloſſen
werden koͤnnen/ erlanget/ bezeiget die ſchrifft eben nicht: So blieben einige ju-
den in dem lande/ die nicht wuͤrcklich nach Babel kamen/ andere ſalvirten ſich in
Egypten. Jſt auch nicht vermuthlich/ daß bereits damahl durch allerley
gelegenheit nicht viele der juden ander wertlich geweſen ſind/ und ſich nieder-
gelaſſen haben/ welche von der herrſchafft Babels frey geblieben ſind: Jndeſ-
ſen hat doch Babel damal das groͤſte des volcks GOttes/ da daſſelbe gleich-
ſam ſichtbar beyſammen geweſen/ uͤberwunden und unter ſich gebracht: zu er-
fuͤllung der figur iſts gnug/ wo das geiſtliche Babel/ ob ſchon nicht eben alle
gemeinden/ welche ſich von dem uͤbrigen corpore lange abgeriſſen/ als die in O-
rient und andere ſind/ unter ſich bringt/ ob ſchon auch allemal einige kleinere
theile noch deſſen gewalt entrinnen/ wo es nur das groͤſſeſte und ſichtbahrſte
theil (ſo wir in unſerm Europa zu ſeyn nicht unrecht ſagen moͤgen.) unter ſich
zwinget/ wie es bekantlich vor der reformation Lutheri, und ehe der erſte
ausgang geſchehen/ die gewalt uͤber alles/ die wenige Waldenſer/ Huſiten
und dergleichen ausgenom̃en) gehabt/ und vermuthlich bald wiederum uͤber
alles (wie viel der HErr wird beſchuͤtzen/ wollen wir ſeiner weißheit und guͤte
nicht vorſchreiben) bekommen wird. Suchet man ein ſolches unter dieſen
worten/ daß es ſeine gewalt uͤber die gantze kirche erſtreckt/ ſo widerſpreche
ich nicht: ein mehrers aber ſehe nicht/ wie erzwungen werden koͤnte.

§. XIV.
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[359/0375] Des 1. Capitels. chen hie und dort ſich finden mag. 2. Rom iſt zwahr ein particular ort/ wir verſtehen aber unter ſolchem nahmen nicht die bloſſe ſtadt/ ſondern das gantze geiſtliche reich/ ſo von daraus regieret wird/ welches ſich weit gnug erſtrecket. 3. Daß Babel ſeine macht uͤber die gantze kirche erſtrecken muͤſſe/ hat ſeinen unterſchiedlichen verſtand/ entweder heiſſets/ daß Babel dahin trachte/ die gantze kirche ſich zu unterwerffen/ und ſeine macht daruͤber zu erſtrecken; ſo geſtehe ich es/ aber Rom thut ſolches auch/ und ſuchet nicht nur mit liſt und gewalt die gantze Europeiſche Chriſtenheit/ ſo viel es derſelben noch nicht un- ter ſich hat/ ihm ſelbs zu unterwerffen/ ſondern verſucht dergleichen/ weil die gewalt daſelbs nicht angehn will/ mit liſt in Orient und gegen mittag/ wie be- kant iſt/ und ſie ſelbs ſo viel ruͤhmens davon machen/ was ſie durch ihre miſ- ſiones theils ſich unterſtanden/ theils ausgerichtet in Jndien/ Japonien/ China/ Abyßina u. ſ. f. oder es heiſſet/ daß Babel die gewalt muͤſſe wuͤrcklich uͤber die gantze kirche bekommen/ ſo iſt ſolches in der ſchrifft nicht gegruͤndet. Jn der alten figur hat Babel das juͤdiſche volck ſo in ſeinem land wohnte/ un- ter ſich gebracht/ und einen ſtarcken theil deſſen in die wuͤrckliche gefangen- ſchafft gefuͤhrt; ob und was es vor gewalt uͤber die vorher von den Aßyriern weggefuͤhrte ſtaͤmme/ die eine weile bereits von Juda getrennet geweſen/ je- doch nicht gantz von dem volck GOttes/ die der bund angieng/ ausgeſchloſſen werden koͤnnen/ erlanget/ bezeiget die ſchrifft eben nicht: So blieben einige ju- den in dem lande/ die nicht wuͤrcklich nach Babel kamen/ andere ſalvirten ſich in Egypten. Jſt auch nicht vermuthlich/ daß bereits damahl durch allerley gelegenheit nicht viele der juden ander wertlich geweſen ſind/ und ſich nieder- gelaſſen haben/ welche von der herrſchafft Babels frey geblieben ſind: Jndeſ- ſen hat doch Babel damal das groͤſte des volcks GOttes/ da daſſelbe gleich- ſam ſichtbar beyſammen geweſen/ uͤberwunden und unter ſich gebracht: zu er- fuͤllung der figur iſts gnug/ wo das geiſtliche Babel/ ob ſchon nicht eben alle gemeinden/ welche ſich von dem uͤbrigen corpore lange abgeriſſen/ als die in O- rient und andere ſind/ unter ſich bringt/ ob ſchon auch allemal einige kleinere theile noch deſſen gewalt entrinnen/ wo es nur das groͤſſeſte und ſichtbahrſte theil (ſo wir in unſerm Europa zu ſeyn nicht unrecht ſagen moͤgen.) unter ſich zwinget/ wie es bekantlich vor der reformation Lutheri, und ehe der erſte ausgang geſchehen/ die gewalt uͤber alles/ die wenige Waldenſer/ Huſiten und dergleichen ausgenom̃en) gehabt/ und vermuthlich bald wiederum uͤber alles (wie viel der HErr wird beſchuͤtzen/ wollen wir ſeiner weißheit und guͤte nicht vorſchreiben) bekommen wird. Suchet man ein ſolches unter dieſen worten/ daß es ſeine gewalt uͤber die gantze kirche erſtreckt/ ſo widerſpreche ich nicht: ein mehrers aber ſehe nicht/ wie erzwungen werden koͤnte. §. XIV.

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/375>, abgerufen am 22.11.2024.