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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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der Römischen kirchen noch einiges des volcks GOTTes übrig seye/ das
zu seiner zeit ausziehen solle/ und jetzt zu Babel nicht anders gehöret/ als vor
diesem die darinnen gefangene Juden gehöret haben: Es sind auch solche nach
ihrer innerlichen bewandnüß nicht innerliche sondern allein eusserliche glieder
der Päpstischen kirchen.

§. XXVII. Daß nach n. 30. dem Pabst die characteres nicht zu zukom-
men gesagt wird/ ist an sich selbsten so offenbahr nicht/ als der verfasser mei-
nen möchte; vielmehr aus zusammennehmung aller stücke/ hielte ich das ge-
gentheil so offenbahr/ als etwas seyn könte. Das argument aus v. 7. ste-
het mir nicht entgegen. Paulus sahe in dem Geist vor/ daß ein solcher wi-
der-christ entstehen solle und die ursach und art dessen bestehen in einer anmas-
sung einer übermenschlichen gewalt: davon sagt er/ daß sich die boßheit
schon rege/ da er schon bey vielen in der kirchen unter dero vorstehern wird in
dem liecht des Geistes die begierde zu herrschen gesehen haben/
welche wann die hindernüß (welche der verfasser num. 33. 34. und
35. nicht unrecht anzeiget) würde hinweg gethan seyn/ sich in die
höhe schwingen würde/ ein solches regiment zu formiren/ wie nachmal
das Päpstische worden ist. Ob im übrigen Paulo auch geoffenbahret wor-
den/ daß solches regiment zu Rom sich gründen werde/ kan ich nicht sagen/ in
dem fast eher vermuthen solte/ daß solche offenbahrung erst nachmahl Jo-
hanni geschehen/ wie GOTT von wichtigen künfftigen dingen gemeiniglich
immer einen umstand nach dem andern/ nicht aber alle auf einmahl/ offen-
bahren lassen. Also ists den jenigen/ welche den Papst vor einen solchen An-
ti-christ halten/ wie der verfasser selbs thut/ scheinbar gnug/ daß Paulus
v. 7. auff die jenige gewalt gesehen habe/ die nachmal der Papst ihm genom-
men hat/ ob ihm wohl von dem umstand des Roms noch nichts möchte kund
worden seyn.

§. XXVIII. Der schluß n. 32. aus 2. Thess. 2/ 10. 11. 12. richtet aber nichts
aus: denn es wird daselbs die ursach des gerichtes angezeiget/ warum GOtt
über seine Christenheit eine solche verführung habe kommen lassen/ nemlich
weil sie die liebe der wahrheit nicht haben angenommen: also stehet hie eine
ursach/ warum und wodurch das Papstthum aufgekommen/ nemlich zu ge-
rechter straff der gegen die göttliche wahrheit undanckbaren: ich zweiffle auch
nicht/ daß jetziger zeit eben dieses die ursach seye des gerichts/ daß GOtt dem
Papstthum über uns eine zeitlang neue gewalt gibet. Aber diesesstehet nicht
da/ alle die jenige/ welche die liebe der wahrheit nicht angenommen/ werden
dem Anti-christ übergeben/ sondern allein die andere propositio: die dem An-
tichrist übergeben/ sind leute/ die die liebe der wahrheit nicht angenommen ha-
ben: wir wissen aber/ daß eine universalis affirmans, viel weniger eine inde-
sinita
(wie eigentlich die aus dem text fliessende proposition lautet) sich nicht

sim-

Anhang
der Roͤmiſchen kirchen noch einiges des volcks GOTTes uͤbrig ſeye/ das
zu ſeiner zeit ausziehen ſolle/ und jetzt zu Babel nicht anders gehoͤret/ als vor
dieſem die dariñen gefangene Juden gehoͤret haben: Es ſind auch ſolche nach
ihrer innerlichen bewandnuͤß nicht innerliche ſondern allein euſſerliche glieder
der Paͤpſtiſchen kirchen.

§. XXVII. Daß nach n. 30. dem Pabſt die characteres nicht zu zukom-
men geſagt wird/ iſt an ſich ſelbſten ſo offenbahr nicht/ als der verfaſſer mei-
nen moͤchte; vielmehr aus zuſammennehmung aller ſtuͤcke/ hielte ich das ge-
gentheil ſo offenbahr/ als etwas ſeyn koͤnte. Das argument aus v. 7. ſte-
het mir nicht entgegen. Paulus ſahe in dem Geiſt vor/ daß ein ſolcher wi-
der-chriſt entſtehen ſolle und die urſach und art deſſen beſtehen in einer anmaſ-
ſung einer uͤbermenſchlichen gewalt: davon ſagt er/ daß ſich die boßheit
ſchon rege/ da er ſchon bey vielen in der kirchen unter dero vorſtehern wird in
dem liecht des Geiſtes die begierde zu herrſchen geſehen haben/
welche wann die hindernuͤß (welche der verfaſſer num. 33. 34. und
35. nicht unrecht anzeiget) wuͤrde hinweg gethan ſeyn/ ſich in die
hoͤhe ſchwingen wuͤrde/ ein ſolches regiment zu formiren/ wie nachmal
das Paͤpſtiſche worden iſt. Ob im uͤbrigen Paulo auch geoffenbahret wor-
den/ daß ſolches regiment zu Rom ſich gruͤnden werde/ kan ich nicht ſagen/ in
dem faſt eher vermuthen ſolte/ daß ſolche offenbahrung erſt nachmahl Jo-
hanni geſchehen/ wie GOTT von wichtigen kuͤnfftigen dingen gemeiniglich
immer einen umſtand nach dem andern/ nicht aber alle auf einmahl/ offen-
bahren laſſen. Alſo iſts den jenigen/ welche den Papſt vor einen ſolchen An-
ti-chriſt halten/ wie der verfaſſer ſelbs thut/ ſcheinbar gnug/ daß Paulus
v. 7. auff die jenige gewalt geſehen habe/ die nachmal der Papſt ihm genom-
men hat/ ob ihm wohl von dem umſtand des Roms noch nichts moͤchte kund
worden ſeyn.

§. XXVIII. Der ſchluß n. 32. aus 2. Theſſ. 2/ 10. 11. 12. richtet aber nichts
aus: denn es wird daſelbs die urſach des gerichtes angezeiget/ warum GOtt
uͤber ſeine Chriſtenheit eine ſolche verfuͤhrung habe kommen laſſen/ nemlich
weil ſie die liebe der wahrheit nicht haben angenommen: alſo ſtehet hie eine
urſach/ warum und wodurch das Papſtthum aufgekommen/ nemlich zu ge-
rechter ſtraff der gegen die goͤttliche wahrheit undanckbaren: ich zweiffle auch
nicht/ daß jetziger zeit eben dieſes die urſach ſeye des gerichts/ daß GOtt dem
Papſtthum uͤber uns eine zeitlang neue gewalt gibet. Aber dieſesſtehet nicht
da/ alle die jenige/ welche die liebe der wahrheit nicht angenommen/ werden
dem Anti-chriſt uͤbergeben/ ſondern allein die andere propoſitio: die dem An-
tichriſt uͤbergeben/ ſind leute/ die die liebe der wahrheit nicht angenommen ha-
ben: wir wiſſen aber/ daß eine univerſalis affirmans, viel weniger eine inde-
ſinita
(wie eigentlich die aus dem text flieſſende propoſition lautet) ſich nicht

ſim-
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[366/0382] Anhang der Roͤmiſchen kirchen noch einiges des volcks GOTTes uͤbrig ſeye/ das zu ſeiner zeit ausziehen ſolle/ und jetzt zu Babel nicht anders gehoͤret/ als vor dieſem die dariñen gefangene Juden gehoͤret haben: Es ſind auch ſolche nach ihrer innerlichen bewandnuͤß nicht innerliche ſondern allein euſſerliche glieder der Paͤpſtiſchen kirchen. §. XXVII. Daß nach n. 30. dem Pabſt die characteres nicht zu zukom- men geſagt wird/ iſt an ſich ſelbſten ſo offenbahr nicht/ als der verfaſſer mei- nen moͤchte; vielmehr aus zuſammennehmung aller ſtuͤcke/ hielte ich das ge- gentheil ſo offenbahr/ als etwas ſeyn koͤnte. Das argument aus v. 7. ſte- het mir nicht entgegen. Paulus ſahe in dem Geiſt vor/ daß ein ſolcher wi- der-chriſt entſtehen ſolle und die urſach und art deſſen beſtehen in einer anmaſ- ſung einer uͤbermenſchlichen gewalt: davon ſagt er/ daß ſich die boßheit ſchon rege/ da er ſchon bey vielen in der kirchen unter dero vorſtehern wird in dem liecht des Geiſtes die begierde zu herrſchen geſehen haben/ welche wann die hindernuͤß (welche der verfaſſer num. 33. 34. und 35. nicht unrecht anzeiget) wuͤrde hinweg gethan ſeyn/ ſich in die hoͤhe ſchwingen wuͤrde/ ein ſolches regiment zu formiren/ wie nachmal das Paͤpſtiſche worden iſt. Ob im uͤbrigen Paulo auch geoffenbahret wor- den/ daß ſolches regiment zu Rom ſich gruͤnden werde/ kan ich nicht ſagen/ in dem faſt eher vermuthen ſolte/ daß ſolche offenbahrung erſt nachmahl Jo- hanni geſchehen/ wie GOTT von wichtigen kuͤnfftigen dingen gemeiniglich immer einen umſtand nach dem andern/ nicht aber alle auf einmahl/ offen- bahren laſſen. Alſo iſts den jenigen/ welche den Papſt vor einen ſolchen An- ti-chriſt halten/ wie der verfaſſer ſelbs thut/ ſcheinbar gnug/ daß Paulus v. 7. auff die jenige gewalt geſehen habe/ die nachmal der Papſt ihm genom- men hat/ ob ihm wohl von dem umſtand des Roms noch nichts moͤchte kund worden ſeyn. §. XXVIII. Der ſchluß n. 32. aus 2. Theſſ. 2/ 10. 11. 12. richtet aber nichts aus: denn es wird daſelbs die urſach des gerichtes angezeiget/ warum GOtt uͤber ſeine Chriſtenheit eine ſolche verfuͤhrung habe kommen laſſen/ nemlich weil ſie die liebe der wahrheit nicht haben angenommen: alſo ſtehet hie eine urſach/ warum und wodurch das Papſtthum aufgekommen/ nemlich zu ge- rechter ſtraff der gegen die goͤttliche wahrheit undanckbaren: ich zweiffle auch nicht/ daß jetziger zeit eben dieſes die urſach ſeye des gerichts/ daß GOtt dem Papſtthum uͤber uns eine zeitlang neue gewalt gibet. Aber dieſesſtehet nicht da/ alle die jenige/ welche die liebe der wahrheit nicht angenommen/ werden dem Anti-chriſt uͤbergeben/ ſondern allein die andere propoſitio: die dem An- tichriſt uͤbergeben/ ſind leute/ die die liebe der wahrheit nicht angenommen ha- ben: wir wiſſen aber/ daß eine univerſalis affirmans, viel weniger eine inde- ſinita (wie eigentlich die aus dem text flieſſende propoſition lautet) ſich nicht ſim-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/382>, abgerufen am 22.11.2024.