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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das andere Capitel.
vernunfft-wahrheit in sich fasset/ zu solchem zweck zuträglich seye/ möchte et-
wa nach fleißiger erwegung noch zimlich ursach zu zweiffeln seyn. Aber da wir
noch die sache nicht besser in allen stücken haben/ müssen wir einigerley massen
endlich uns des gegenwärtigen gebrauchen/ und sehen/ wie wir hin und wieder
ersetzen aus andern autoribus, was den gemeinen compendiis mangelt. Mei-
nes erachtens solte nicht unnützlich seyn u. habe ich mich selbs dabey nicht übel
befunden/ wo man so viel zeit daran wenden kan/ daß man/ was auch von der Phi-
losophia
der übrigen alten Philosophorum sich antreffen ließe/ mit consulire-
te/ wozu Plutarchi opera Philosophica, Diogenes Laertius, Cicero und dergl.
autores, auch unterschiedl. neue scribenten/ so die sachen zusammen gezogen/
nicht undützlich seyn möchten. Wäre anleitung die alte Philosophiam Plato-
nicam
und auch Pythagoricam, so dann Stoicam (worinnen Lipsius zum vor-
gänger gnug seyn möchte.) gründl. zu untersuchen/ solten wir vielleicht mehr
gutes in derselben als in der Aristotelischen philosophia finden/ als welche der
alten Jüdis. philosophia allem ansehen nach näher kommet/ und einiges aus
derselben übrig haben mag. Es ist aber nicht eines jegl. thun/ sich so weit hin-
einzulassen. Jn Metaphys., wie wir dieselbe zu tractiren pflegen/ (als denen es
noch an der rechtschaffenen erkäntnüß der doctrinae Spirituum, so erst eine
wahre metaphysic wäre/ mangelt.) finde wenig nützliches/ anders als daß wir
darinnen der allgemeinen terminorum erklährung haben/ welche zimlich nö-
thig ist/ weil sie fast in allen anderen disciplinen vorkommen/ und deßwegen
mein S. Praeceptor D. Dannhauer die metaphysic nur orologian zunennen ge-
pfleget: so dann daß wir durch die gewohnheit einiger abstractionum das in-
genium
schärffen/ und lernen conjuncta nach nothdurfft zu unterscheiden.
Unsere Ethic insgemein weil sie aus Aristotele genommen/ ist sehr schlecht/ es
solte aber die neue arbeit L. Placcii zu Hamburg eine nicht undienl. anweisung
geben künfftig weiter zu gehen. Vor einen künfftigen studiosum Theologiae
aber achte ich die Ethic aus der schrifft selbs zu lernen/ oder die gemeine Ethic
aus derselben zu ersetzen/ zu ändern und vollkommen zu machen/ die beste ar-
beit. Wie dann die gesunde vernunfft/ waß sie von wahrheit in solcher materie
hat/ mit der schrifft übereinkommen muß/ und aus dieser entlehnen/ was ihr
noch mangelt. Die materia de principiis humanarum actionum ist fast noch
das beste/ das wir in unsern gewöhnlichen ethicis finden/ u. fleißig uns bekant
zu machen haben. Jn Politicis finde so gar viel einen Theologo nicht nöthig/ es
seyen dann andere absichten welche ihm solches nöthig machten. Hingegen sol-
te Reinkings Biblis. Policey nicht unnützlich zu branchen seyn. Die physic
wäre wohl das vornehmste studium, wo wir eine rechtschaffene physic hätten.
Die ich gleichwohl noch nicht weiß. Sonsten ists einmahl gewiß/ daß neben den
buch der schrifft das buch der natur ein treffliches mittel ist/ einige göttl. dinge
was zum ersten articul gehöret/ zu erkennen. Ob die Engelländis. Societät so

mit

Das andere Capitel.
vernunfft-wahrheit in ſich faſſet/ zu ſolchem zweck zutraͤglich ſeye/ moͤchte et-
wa nach fleißiger erwegung noch zimlich urſach zu zweiffeln ſeyn. Aber da wir
noch die ſache nicht beſſer in allen ſtuͤcken haben/ muͤſſen wir einigerley maſſen
endlich uns des gegenwaͤrtigen gebrauchen/ und ſehen/ wie wir hin und wieder
erſetzen aus andern autoribus, was den gemeinen compendiis mangelt. Mei-
nes erachtens ſolte nicht unnuͤtzlich ſeyn u. habe ich mich ſelbs dabey nicht uͤbel
befundẽ/ wo man ſo viel zeit daran wendẽ kan/ daß man/ was auch von der Phi-
loſophia
der uͤbrigen alten Philoſophorum ſich antreffen ließe/ mit conſulire-
te/ wozu Plutarchi opera Philoſophica, Diogenes Laertius, Cicero und dergl.
autores, auch unterſchiedl. neue ſcribenten/ ſo die ſachen zuſammen gezogen/
nicht uñuͤtzlich ſeyn moͤchten. Waͤre anleitung die alte Philoſophiam Plato-
nicam
und auch Pythagoricam, ſo dann Stoicam (worinnen Lipſius zum vor-
gaͤnger gnug ſeyn moͤchte.) gruͤndl. zu unterſuchen/ ſolten wir vielleicht mehr
gutes in derſelben als in der Ariſtoteliſchen philoſophia finden/ als welche der
alten Juͤdiſ. philoſophia allem anſehen nach naͤher kommet/ und einiges aus
derſelben uͤbrig haben mag. Es iſt aber nicht eines jegl. thun/ ſich ſo weit hin-
einzulaſſen. Jn Metaphyſ., wie wir dieſelbe zu tractiren pflegen/ (als denen es
noch an der rechtſchaffenen erkaͤntnuͤß der doctrinæ Spirituum, ſo erſt eine
wahre metaphyſic waͤre/ mangelt.) finde wenig nuͤtzliches/ anders als daß wir
darinnen der allgemeinen terminorum erklaͤhrung haben/ welche zimlich noͤ-
thig iſt/ weil ſie faſt in allen anderen diſciplinen vorkommen/ und deßwegen
mein S. Præceptor D. Dannhauer die metaphyſic nur ὁϱολογίαν zunennen ge-
pfleget: ſo dann daß wir durch die gewohnheit einiger abſtractionum das in-
genium
ſchaͤrffen/ und lernen conjuncta nach nothdurfft zu unterſcheiden.
Unſere Ethic insgemein weil ſie aus Ariſtotele genommen/ iſt ſehr ſchlecht/ es
ſolte aber die neue arbeit L. Placcii zu Hamburg eine nicht undienl. anweiſung
geben kuͤnfftig weiter zu gehen. Vor einen kuͤnfftigen ſtudioſum Theologiæ
aber achte ich die Ethic aus der ſchrifft ſelbs zu lernen/ oder die gemeine Ethic
aus derſelben zu erſetzen/ zu aͤndern und vollkommen zu machen/ die beſte ar-
beit. Wie dann die geſunde vernunfft/ waß ſie von wahrheit in ſolcher materie
hat/ mit der ſchrifft uͤbereinkommen muß/ und aus dieſer entlehnen/ was ihr
noch mangelt. Die materia de principiis humanarum actionum iſt faſt noch
das beſte/ das wir in unſern gewoͤhnlichen ethicis finden/ u. fleißig uns bekant
zu machen haben. Jn Politicis finde ſo gar viel einẽ Theologo nicht noͤthig/ es
ſeyen dann andere abſichten welche ihm ſolches noͤthig machten. Hingegen ſol-
te Reinkings Bibliſ. Policey nicht unnuͤtzlich zu branchen ſeyn. Die phyſic
waͤre wohl das vornehmſte ſtudium, wo wir eine rechtſchaffene phyſic haͤtten.
Die ich gleichwohl noch nicht weiß. Sonſten iſts einmahl gewiß/ daß neben dẽ
buch der ſchrifft das buch der natur ein treffliches mittel iſt/ einige goͤttl. dinge
was zum erſten articul gehoͤret/ zu erkennen. Ob die Engellaͤndiſ. Societaͤt ſo

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[420/0436] Das andere Capitel. vernunfft-wahrheit in ſich faſſet/ zu ſolchem zweck zutraͤglich ſeye/ moͤchte et- wa nach fleißiger erwegung noch zimlich urſach zu zweiffeln ſeyn. Aber da wir noch die ſache nicht beſſer in allen ſtuͤcken haben/ muͤſſen wir einigerley maſſen endlich uns des gegenwaͤrtigen gebrauchen/ und ſehen/ wie wir hin und wieder erſetzen aus andern autoribus, was den gemeinen compendiis mangelt. Mei- nes erachtens ſolte nicht unnuͤtzlich ſeyn u. habe ich mich ſelbs dabey nicht uͤbel befundẽ/ wo man ſo viel zeit daran wendẽ kan/ daß man/ was auch von der Phi- loſophia der uͤbrigen alten Philoſophorum ſich antreffen ließe/ mit conſulire- te/ wozu Plutarchi opera Philoſophica, Diogenes Laertius, Cicero und dergl. autores, auch unterſchiedl. neue ſcribenten/ ſo die ſachen zuſammen gezogen/ nicht uñuͤtzlich ſeyn moͤchten. Waͤre anleitung die alte Philoſophiam Plato- nicam und auch Pythagoricam, ſo dann Stoicam (worinnen Lipſius zum vor- gaͤnger gnug ſeyn moͤchte.) gruͤndl. zu unterſuchen/ ſolten wir vielleicht mehr gutes in derſelben als in der Ariſtoteliſchen philoſophia finden/ als welche der alten Juͤdiſ. philoſophia allem anſehen nach naͤher kommet/ und einiges aus derſelben uͤbrig haben mag. Es iſt aber nicht eines jegl. thun/ ſich ſo weit hin- einzulaſſen. Jn Metaphyſ., wie wir dieſelbe zu tractiren pflegen/ (als denen es noch an der rechtſchaffenen erkaͤntnuͤß der doctrinæ Spirituum, ſo erſt eine wahre metaphyſic waͤre/ mangelt.) finde wenig nuͤtzliches/ anders als daß wir darinnen der allgemeinen terminorum erklaͤhrung haben/ welche zimlich noͤ- thig iſt/ weil ſie faſt in allen anderen diſciplinen vorkommen/ und deßwegen mein S. Præceptor D. Dannhauer die metaphyſic nur ὁϱολογίαν zunennen ge- pfleget: ſo dann daß wir durch die gewohnheit einiger abſtractionum das in- genium ſchaͤrffen/ und lernen conjuncta nach nothdurfft zu unterſcheiden. Unſere Ethic insgemein weil ſie aus Ariſtotele genommen/ iſt ſehr ſchlecht/ es ſolte aber die neue arbeit L. Placcii zu Hamburg eine nicht undienl. anweiſung geben kuͤnfftig weiter zu gehen. Vor einen kuͤnfftigen ſtudioſum Theologiæ aber achte ich die Ethic aus der ſchrifft ſelbs zu lernen/ oder die gemeine Ethic aus derſelben zu erſetzen/ zu aͤndern und vollkommen zu machen/ die beſte ar- beit. Wie dann die geſunde vernunfft/ waß ſie von wahrheit in ſolcher materie hat/ mit der ſchrifft uͤbereinkommen muß/ und aus dieſer entlehnen/ was ihr noch mangelt. Die materia de principiis humanarum actionum iſt faſt noch das beſte/ das wir in unſern gewoͤhnlichen ethicis finden/ u. fleißig uns bekant zu machen haben. Jn Politicis finde ſo gar viel einẽ Theologo nicht noͤthig/ es ſeyen dann andere abſichten welche ihm ſolches noͤthig machten. Hingegen ſol- te Reinkings Bibliſ. Policey nicht unnuͤtzlich zu branchen ſeyn. Die phyſic waͤre wohl das vornehmſte ſtudium, wo wir eine rechtſchaffene phyſic haͤtten. Die ich gleichwohl noch nicht weiß. Sonſten iſts einmahl gewiß/ daß neben dẽ buch der ſchrifft das buch der natur ein treffliches mittel iſt/ einige goͤttl. dinge was zum erſten articul gehoͤret/ zu erkennen. Ob die Engellaͤndiſ. Societaͤt ſo mit

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/436>, abgerufen am 24.11.2024.