zu dem dienst/ opffern/ gebet und dergleichen kamen/ sonderlich die weiber/ auffs beste jede konte/ sich schmücketen/ welches etwa bey den Juden auch ge- bräuchlich gewesen zu seyn daraus abnehme/ weil sie noch heut zutag den sabbath damit geehrt zu werden/ halten/ wann sie auffs beste sich kleiden/ so nun auff uns Christen leider gekommen ist/ daß nirgend und niemahl mehr pracht als auff heilige tage und bey heiligen zusammenkunfften getrieben wird: da halte davor/ daß Paulus den Christlichen weibern solchen wahn/ wann bey einigen solcher gewesen/ oder sich hätte einfinden können/ benehmen wollen: daher er sie lehret/ wenn sie beten oder den Gottesdienst abwarten wolten/ solten sie nicht glauben/ daß sie sich zu demselben mit stattlichen kleidern/ gold/ perlen/ und dergleichen leibes-zierden wol bereiten/ und ihren dienst GOtt destogefälliger leisten könten/ sondern neben dem/ daß ein stück der auch eusserlichen ehrerbietung vor GOTT und dessen gemeinde seyn mö- ge/ in zierlichem oder ehrbaren kleide/ nicht säuisch oder liederlich/ wie man etwa sonst nicht gern vor ehrliche leute käme/ zu erscheinen/ allen schmuck/ der sie wahrhafftig ziehren möge/ darinnen suchen/ daß sie sich mit schamhafftig- keit und keuschheit darstelleten/ welcherley zu solcher heiliger handlung er- fordert werde. Uber dieses sehe ich nicht/ was aus den worten folge: oder wo man dieselbe auffs höchste treiben wolte/ würde nichts mehr geschlossen werden können/ als daß allerley dergleichen schmuck bey dem gebet/ und wo man mit geistlichen übungen umgehe/ nicht aber bey allen andern verrichtun- gen dieses menschlichen lebens verboten wäre.
Cocceji wort haben mir hierinnen sonderlich gefallen: Exigit cultum corporis elegantem & decorum cum pudore & temperantia. Nempe ut nec sordida sit ac turpis, nec meretricio cultu luxuriosa aut illecebrosa. Veluti si superfluus & nimius sit ornatus, quo insignis sit, aut vanitatem testetur, quasi quae vel pretiositate cultus se efferat super alias sui loci foeminas, & in eo sibi placeat, & propter eum velit honorari, vel novitate & singularitate ac pompa oculos hominum ad se studeat avertere: aut si quid istiusmodi est: quod qui- vis facile potest statuere, qui aliorum oculos reveretur. Cultus enim corpo- ris debet servire honori illorum, cum quibus sumus, non vero vanitati. Est- que in hoc genere certissima regula, minus quam licere videatur, facere. Cer- te cogitatio de his & studium circa haec facit hominem evanescere. Aposto- lus hic nominat illa, in quibus vanitas & luxus solet lascivire: & maxime pre- tiositas & sumtuositas cernitur, quae est ostentatio divitiarum. Cui avaritia & solicitudo victus ancillari solet. Aus Luthero habe ich diese ort bemer- cket. T. 1. Lat. fol. 143. b. (wie es teutsch vertiret/ da ich das lateinische nicht zur hand habe.) Entweder ziehren sich die weiber so viel als die män-
ner
Das erſte Capitel.
zu dem dienſt/ opffern/ gebet und dergleichen kamen/ ſonderlich die weiber/ auffs beſte jede konte/ ſich ſchmuͤcketen/ welches etwa bey den Juden auch ge- braͤuchlich geweſen zu ſeyn daraus abnehme/ weil ſie noch heut zutag den ſabbath damit geehrt zu werden/ halten/ wann ſie auffs beſte ſich kleiden/ ſo nun auff uns Chriſten leider gekommen iſt/ daß nirgend und niemahl mehr pracht als auff heilige tage und bey heiligen zuſammenkunfften getrieben wird: da halte davor/ daß Paulus den Chriſtlichen weibern ſolchen wahn/ wann bey einigen ſolcher geweſen/ oder ſich haͤtte einfinden koͤnnen/ benehmen wollen: daher er ſie lehret/ wenn ſie beten oder den Gottesdienſt abwarten wolten/ ſolten ſie nicht glauben/ daß ſie ſich zu demſelben mit ſtattlichen kleidern/ gold/ perlen/ und dergleichen leibes-zierden wol bereiten/ und ihren dienſt GOtt deſtogefaͤlliger leiſten koͤnten/ ſondern neben dem/ daß ein ſtuͤck der auch euſſerlichen ehrerbietung vor GOTT und deſſen gemeinde ſeyn moͤ- ge/ in zierlichem oder ehrbaren kleide/ nicht ſaͤuiſch oder liederlich/ wie man etwa ſonſt nicht gern vor ehrliche leute kaͤme/ zu erſcheinen/ allen ſchmuck/ der ſie wahrhafftig ziehren moͤge/ darinnen ſuchen/ daß ſie ſich mit ſchamhafftig- keit und keuſchheit darſtelleten/ welcherley zu ſolcher heiliger handlung er- fordert werde. Uber dieſes ſehe ich nicht/ was aus den worten folge: oder wo man dieſelbe auffs hoͤchſte treiben wolte/ wuͤrde nichts mehr geſchloſſen werden koͤnnen/ als daß allerley dergleichen ſchmuck bey dem gebet/ und wo man mit geiſtlichen uͤbungen umgehe/ nicht aber bey allen andern verrichtun- gen dieſes menſchlichen lebens verboten waͤre.
Cocceji wort haben mir hierinnen ſonderlich gefallen: Exigit cultum corporis elegantem & decorum cum pudore & temperantia. Nempe ut nec ſordida ſit ac turpis, nec meretricio cultu luxurioſa aut illecebroſa. Veluti ſi ſuperfluus & nimius ſit ornatus, quo inſignis ſit, aut vanitatem teſtetur, quaſi quæ vel pretioſitate cultus ſe efferat ſuper alias ſui loci fœminas, & in eo ſibi placeat, & propter eum velit honorari, vel novitate & ſingularitate ac pompa oculos hominum ad ſe ſtudeat avertere: aut ſi quid iſtiusmodi eſt: quod qui- vis facile poteſt ſtatuere, qui aliorum oculos reveretur. Cultus enim corpo- ris debet ſervire honori illorum, cum quibus ſumus, non vero vanitati. Eſt- que in hoc genere certiſſima regula, minus quam licere videatur, facere. Cer- te cogitatio de his & ſtudium circa hæc facit hominem evaneſcere. Apoſto- lus hic nominat illa, in quibus vanitas & luxus ſolet laſcivire: & maxime pre- tioſitas & ſumtuoſitas cernitur, quæ eſt oſtentatio divitiarum. Cui avaritia & ſolicitudo victus ancillari ſolet. Aus Luthero habe ich dieſe ort bemer- cket. T. 1. Lat. fol. 143. b. (wie es teutſch vertiret/ da ich das lateiniſche nicht zur hand habe.) Entweder ziehren ſich die weiber ſo viel als die maͤn-
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Das erſte Capitel.
zu dem dienſt/ opffern/ gebet und dergleichen kamen/ ſonderlich die weiber/
auffs beſte jede konte/ ſich ſchmuͤcketen/ welches etwa bey den Juden auch ge-
braͤuchlich geweſen zu ſeyn daraus abnehme/ weil ſie noch heut zutag den
ſabbath damit geehrt zu werden/ halten/ wann ſie auffs beſte ſich kleiden/ ſo
nun auff uns Chriſten leider gekommen iſt/ daß nirgend und niemahl mehr
pracht als auff heilige tage und bey heiligen zuſammenkunfften getrieben
wird: da halte davor/ daß Paulus den Chriſtlichen weibern ſolchen wahn/
wann bey einigen ſolcher geweſen/ oder ſich haͤtte einfinden koͤnnen/ benehmen
wollen: daher er ſie lehret/ wenn ſie beten oder den Gottesdienſt abwarten
wolten/ ſolten ſie nicht glauben/ daß ſie ſich zu demſelben mit ſtattlichen
kleidern/ gold/ perlen/ und dergleichen leibes-zierden wol bereiten/ und ihren
dienſt GOtt deſtogefaͤlliger leiſten koͤnten/ ſondern neben dem/ daß ein ſtuͤck
der auch euſſerlichen ehrerbietung vor GOTT und deſſen gemeinde ſeyn moͤ-
ge/ in zierlichem oder ehrbaren kleide/ nicht ſaͤuiſch oder liederlich/ wie man
etwa ſonſt nicht gern vor ehrliche leute kaͤme/ zu erſcheinen/ allen ſchmuck/ der
ſie wahrhafftig ziehren moͤge/ darinnen ſuchen/ daß ſie ſich mit ſchamhafftig-
keit und keuſchheit darſtelleten/ welcherley zu ſolcher heiliger handlung er-
fordert werde. Uber dieſes ſehe ich nicht/ was aus den worten folge: oder
wo man dieſelbe auffs hoͤchſte treiben wolte/ wuͤrde nichts mehr geſchloſſen
werden koͤnnen/ als daß allerley dergleichen ſchmuck bey dem gebet/ und wo
man mit geiſtlichen uͤbungen umgehe/ nicht aber bey allen andern verrichtun-
gen dieſes menſchlichen lebens verboten waͤre.
Cocceji wort haben mir hierinnen ſonderlich gefallen: Exigit cultum
corporis elegantem & decorum cum pudore & temperantia. Nempe ut nec
ſordida ſit ac turpis, nec meretricio cultu luxurioſa aut illecebroſa. Veluti ſi
ſuperfluus & nimius ſit ornatus, quo inſignis ſit, aut vanitatem teſtetur, quaſi
quæ vel pretioſitate cultus ſe efferat ſuper alias ſui loci fœminas, & in eo ſibi
placeat, & propter eum velit honorari, vel novitate & ſingularitate ac pompa
oculos hominum ad ſe ſtudeat avertere: aut ſi quid iſtiusmodi eſt: quod qui-
vis facile poteſt ſtatuere, qui aliorum oculos reveretur. Cultus enim corpo-
ris debet ſervire honori illorum, cum quibus ſumus, non vero vanitati. Eſt-
que in hoc genere certiſſima regula, minus quam licere videatur, facere. Cer-
te cogitatio de his & ſtudium circa hæc facit hominem evaneſcere. Apoſto-
lus hic nominat illa, in quibus vanitas & luxus ſolet laſcivire: & maxime pre-
tioſitas & ſumtuoſitas cernitur, quæ eſt oſtentatio divitiarum. Cui avaritia
& ſolicitudo victus ancillari ſolet. Aus Luthero habe ich dieſe ort bemer-
cket. T. 1. Lat. fol. 143. b. (wie es teutſch vertiret/ da ich das lateiniſche nicht
zur hand habe.) Entweder ziehren ſich die weiber ſo viel als die maͤn-
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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/46>, abgerufen am 21.11.2024.
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