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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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ARTIC. III. SECTIO IV.
gemeinde/ auch da er bey den predigten seyn könte/ und indessen zu dem fen-
ster müßig aussihet/ aus der kirchen bleibet wie f. 48. 82. 101. gemeldet wird/
darmit aber so wohl seine eigene Christengebühr/ indem ein pfar-
rer nicht nur sein amt zu verrichten/ sondern auch seiner seelen
wegen in der versamlung zu erscheinen hat/ als auch sein amt/ da er andere
mit gutem exempel zum gottesdienst reitzen solle/ verletzet. Darzu auch
kommet/ daß das leben nicht so er baulich geführet wird/ wie er sich ausgi-
bet/ oder wider ihn aufgebracht wird/ daß er bey einer soldaten-hochzeit
ziemlich geschmauset/ auch getantzet und gesprungen/ daß ihme die kappe ge-
wackelt/ (so einem prediger und seinem amte höchst schimpflich) so dann auch
wie er mit einem Fenderich stets geschmauset/ f. 103. darzu auch kommet/ daß
er sich zu weltlichen händeln gebrauchen lassen/ und dessen zu überweisen seyn
solle/ da ihn doch des vatern exempel davon billig abschrecken sollen/ als de-
me die klagen über denselben und die conditiones dessen reverses nicht unbe-
kant seyn mögen/ deßwegen aber billig sorge entstehet/ er möchte auch dar-
innen an solchem ort in des vaters fusstapfen treten/ und das vorige ärgernüß
continuiren.

Wo nun alle ietzt gegen ihn angeführte beschuldigungen nach nöthiger
untersuchung wahr befunden würden/ so kan er sich gegen die translocation
so gar nicht beschwehren/ daß sie auch auf eine solche art geschehen kan/ wo
sie zugleich eine rechte straffe seye; würden sie aber nicht alle verificiret/ so
würde doch schwehrlich weniger heraus kommen/ als daß er bösen schein ge-
geben/ und mit zuziehung übriger ursachen die gemeinde billig damit zu ver-
schohnen ist/ daß sie ihn zum ordinario nicht haben müsse. Worüber er sich
wegen gleichwohl habender schuld zu beschwehren nicht befugt ist. Jch setze
5. dieses darzu/ daß eine gemeinde/ welche eine zeitlang durch eines predi-
gers nachläßigkeit und ärgernüß ziemlich versäumet und geärgert worden/ so
viel mehrers nöthig hat/ mit einem vor andern exemplarischen mann versor-
get zu werden/ welcher alles vorige wieder einbringe und ersetze/ so aufs we-
nigste von dem sohn nicht zu hoffen stehet.

Diese angeführte momenta sehe ich also an/ daß deswegen so wohl mit
gutem recht der sohn translociret werden dörffe/ als sich auch nicht darüber
zu beschwehren fug habe. Wiewohl wo es sich so vorhält/ wie f. 24. vorge-
geben wird/ daß er selbs keinen grossen ernst des orts zubleiben haben solle/ der
sachen so viel leichter gerathen wäre: ja ohne das ein rechtschaffen gemüthe
lieber anderwertlich GOTT dienen würde/ als an einem solchen ort/ wo

die

ARTIC. III. SECTIO IV.
gemeinde/ auch da er bey den predigten ſeyn koͤnte/ und indeſſen zu dem fen-
ſter muͤßig ausſihet/ aus der kirchen bleibet wie f. 48. 82. 101. gemeldet wird/
darmit aber ſo wohl ſeine eigene Chriſtengebuͤhr/ indem ein pfar-
rer nicht nur ſein amt zu verrichten/ ſondern auch ſeiner ſeelen
wegen in der verſamlung zu erſcheinen hat/ als auch ſein amt/ da er andere
mit gutem exempel zum gottesdienſt reitzen ſolle/ verletzet. Darzu auch
kommet/ daß das leben nicht ſo er baulich gefuͤhret wird/ wie er ſich ausgi-
bet/ oder wider ihn aufgebracht wird/ daß er bey einer ſoldaten-hochzeit
ziemlich geſchmauſet/ auch getantzet und geſprungen/ daß ihme die kappe ge-
wackelt/ (ſo einem prediger und ſeinem amte hoͤchſt ſchimpflich) ſo dann auch
wie er mit einem Fenderich ſtets geſchmauſet/ f. 103. darzu auch kommet/ daß
er ſich zu weltlichen haͤndeln gebrauchen laſſen/ und deſſen zu uͤberweiſen ſeyn
ſolle/ da ihn doch des vatern exempel davon billig abſchrecken ſollen/ als de-
me die klagen uͤber denſelben und die conditiones deſſen reverſes nicht unbe-
kant ſeyn moͤgen/ deßwegen aber billig ſorge entſtehet/ er moͤchte auch dar-
iñen an ſolchem ort in des vaters fusſtapfen treten/ und das vorige aͤrgernuͤß
continuiren.

Wo nun alle ietzt gegen ihn angefuͤhrte beſchuldigungen nach noͤthiger
unterſuchung wahr befunden wuͤrden/ ſo kan er ſich gegen die translocation
ſo gar nicht beſchwehren/ daß ſie auch auf eine ſolche art geſchehen kan/ wo
ſie zugleich eine rechte ſtraffe ſeye; wuͤrden ſie aber nicht alle verificiret/ ſo
wuͤrde doch ſchwehrlich weniger heraus kommen/ als daß er boͤſen ſchein ge-
geben/ und mit zuziehung uͤbriger urſachen die gemeinde billig damit zu ver-
ſchohnen iſt/ daß ſie ihn zum ordinario nicht haben muͤſſe. Woruͤber er ſich
wegen gleichwohl habender ſchuld zu beſchwehren nicht befugt iſt. Jch ſetze
5. dieſes darzu/ daß eine gemeinde/ welche eine zeitlang durch eines predi-
gers nachlaͤßigkeit und aͤrgernuͤß ziemlich verſaͤumet und geaͤrgert worden/ ſo
viel mehrers noͤthig hat/ mit einem vor andern exemplariſchen mann verſor-
get zu werden/ welcher alles vorige wieder einbringe und erſetze/ ſo aufs we-
nigſte von dem ſohn nicht zu hoffen ſtehet.

Dieſe angefuͤhrte momenta ſehe ich alſo an/ daß deswegen ſo wohl mit
gutem recht der ſohn translociret werden doͤrffe/ als ſich auch nicht daruͤber
zu beſchwehren fug habe. Wiewohl wo es ſich ſo vorhaͤlt/ wie f. 24. vorge-
geben wird/ daß er ſelbs keinen groſſen ernſt des orts zubleiben haben ſolle/ der
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die
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[615/0631] ARTIC. III. SECTIO IV. gemeinde/ auch da er bey den predigten ſeyn koͤnte/ und indeſſen zu dem fen- ſter muͤßig ausſihet/ aus der kirchen bleibet wie f. 48. 82. 101. gemeldet wird/ darmit aber ſo wohl ſeine eigene Chriſtengebuͤhr/ indem ein pfar- rer nicht nur ſein amt zu verrichten/ ſondern auch ſeiner ſeelen wegen in der verſamlung zu erſcheinen hat/ als auch ſein amt/ da er andere mit gutem exempel zum gottesdienſt reitzen ſolle/ verletzet. Darzu auch kommet/ daß das leben nicht ſo er baulich gefuͤhret wird/ wie er ſich ausgi- bet/ oder wider ihn aufgebracht wird/ daß er bey einer ſoldaten-hochzeit ziemlich geſchmauſet/ auch getantzet und geſprungen/ daß ihme die kappe ge- wackelt/ (ſo einem prediger und ſeinem amte hoͤchſt ſchimpflich) ſo dann auch wie er mit einem Fenderich ſtets geſchmauſet/ f. 103. darzu auch kommet/ daß er ſich zu weltlichen haͤndeln gebrauchen laſſen/ und deſſen zu uͤberweiſen ſeyn ſolle/ da ihn doch des vatern exempel davon billig abſchrecken ſollen/ als de- me die klagen uͤber denſelben und die conditiones deſſen reverſes nicht unbe- kant ſeyn moͤgen/ deßwegen aber billig ſorge entſtehet/ er moͤchte auch dar- iñen an ſolchem ort in des vaters fusſtapfen treten/ und das vorige aͤrgernuͤß continuiren. Wo nun alle ietzt gegen ihn angefuͤhrte beſchuldigungen nach noͤthiger unterſuchung wahr befunden wuͤrden/ ſo kan er ſich gegen die translocation ſo gar nicht beſchwehren/ daß ſie auch auf eine ſolche art geſchehen kan/ wo ſie zugleich eine rechte ſtraffe ſeye; wuͤrden ſie aber nicht alle verificiret/ ſo wuͤrde doch ſchwehrlich weniger heraus kommen/ als daß er boͤſen ſchein ge- geben/ und mit zuziehung uͤbriger urſachen die gemeinde billig damit zu ver- ſchohnen iſt/ daß ſie ihn zum ordinario nicht haben muͤſſe. Woruͤber er ſich wegen gleichwohl habender ſchuld zu beſchwehren nicht befugt iſt. Jch ſetze 5. dieſes darzu/ daß eine gemeinde/ welche eine zeitlang durch eines predi- gers nachlaͤßigkeit und aͤrgernuͤß ziemlich verſaͤumet und geaͤrgert worden/ ſo viel mehrers noͤthig hat/ mit einem vor andern exemplariſchen mann verſor- get zu werden/ welcher alles vorige wieder einbringe und erſetze/ ſo aufs we- nigſte von dem ſohn nicht zu hoffen ſtehet. Dieſe angefuͤhrte momenta ſehe ich alſo an/ daß deswegen ſo wohl mit gutem recht der ſohn translociret werden doͤrffe/ als ſich auch nicht daruͤber zu beſchwehren fug habe. Wiewohl wo es ſich ſo vorhaͤlt/ wie f. 24. vorge- geben wird/ daß er ſelbs keinen groſſen ernſt des orts zubleiben haben ſolle/ der ſachen ſo viel leichter gerathen waͤre: ja ohne das ein rechtſchaffen gemuͤthe lieber anderwertlich GOTT dienen wuͤrde/ als an einem ſolchen ort/ wo die

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 615. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/631>, abgerufen am 22.11.2024.