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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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ARTIC. III. SECTIO VIII.
den/ aus dem wort des Evangelii den heil. Geist und den glauben zu empfan-
gen/ daraus sie nicht nur die vergebung der sünden/ sondern auch alle krafft
des guten herhaben und erlangen müssen. Daher wir fleißig seyn müssen/ auch
den gottlosen die göttliche gnade und dero theure wolthaten an uns gewendet/
hoch anzurühmen/ auch zu zeigen/ was vor unaussprechliche schätze der seelig-
keit sie in der heil. tauffe empfangen hätten/ GOtt ihnen auch dieselbe immer
auffs neue wieder anbiete/ wo sie sie nur im glauben annehmen/ und in wahrer
buß sich dero fähig machen lassen wolten. Diese stets anrühmende gnade
GOttes und predigt des Evangelii ist von der krafft/ daß wo beständig und
vorsichtig (nehmlich mit stäter bezeugung/ in welcher ordnung wir der heils-
güter und wirckungen GOttes fähig seyn oder nicht.) dieselbe getrieben
wird/ manche sonsten harte gemüther/ welche durch das blosse schelten gemei-
niglich nur boßhafftiger und trotziger gemacht würden/ sich dadurch erweichen
und gewinnen lassen/ in dem einmal das wort des heils seine innerliche krafft
hat. Es überzeuget auch solcher stäter vortrag des Evangelii die gemüther
der liebe des predigers/ welche er gegen sie habe/ wie hingegen die stäte hefftig-
keit bey den meisten die impression macht/ der prediger seye ihnen feind. Wo
aber ein gutes vertrauen zu diesem bey der gemeinde gewircket wird/ damit
wird alles/ was er nachmal zu ihrer erbauung vorhat/ desto kräfftiger in die
hertzen gedruckt/ und richtet etwas aus. So ist also sehr dienlich/ daß man
auch die heiligkeit des lebens nicht meistens oder allein durch das gesetz und
dessen trohen oder schelten treibe/ sondern aus dem Evangelio/ daß man zeige/
wie der wahre glaube nicht anders seyn könne/ als daß er aus seiner natur sich
in solchen früchten heraus lassen müsse/ und also sie durch solche zeugnüssen die
versicherung ihres glaubens bey sich zu wege zu bringen trachten müssen.
Jtem ist zu zeigen/ wie jegliche göttliche wohlthat/ und geschenckter heils-schatz
den fleiß des guten insgemein/ oder dieser und jener absonderlichen tugend/
nothwendig mit sich habe/ oder nach sich ziehe. Hiebey versichre ich meinen
geliebten Bruder/ daß diese art zu handein das gute viel kräfftiger und gründ-
licher in die hertzen bringe/ als alles das jenige/ wo man meinet/ alles mit dem
gesetz zu erzwingen. Jch setze 3. noch ein drittes stück hinzu/ welches ich von
ziemlicher wichtigkeit achte. Wir haben leider! insgemein solche kirchen/ die
gantz verderbet sind/ und wenig gutes ausser der reinig eit der lehre haben/ und
seynd wol meistens die meiste glieder der eusserlichen kirchen mehr unkraut als
guter weitzen: nun ists zwahr an dem/ daß wir auch nach vermögen dem bösen/
und denen bösen/ zu steuren trachten müssen/ durch alle die mittel/ die uns

GOtt
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ARTIC. III. SECTIO VIII.
den/ aus dem wort des Evangelii den heil. Geiſt und den glauben zu empfan-
gen/ daraus ſie nicht nur die vergebung der ſuͤnden/ ſondern auch alle krafft
des guten herhaben und erlangen muͤſſen. Daher wir fleißig ſeyn muͤſſen/ auch
den gottloſen die goͤttliche gnade und dero theure wolthaten an uns gewendet/
hoch anzuruͤhmen/ auch zu zeigen/ was vor unausſprechliche ſchaͤtze der ſeelig-
keit ſie in der heil. tauffe empfangen haͤtten/ GOtt ihnen auch dieſelbe immer
auffs neue wieder anbiete/ wo ſie ſie nur im glauben annehmen/ und in wahrer
buß ſich dero faͤhig machen laſſen wolten. Dieſe ſtets anruͤhmende gnade
GOttes und predigt des Evangelii iſt von der krafft/ daß wo beſtaͤndig und
vorſichtig (nehmlich mit ſtaͤter bezeugung/ in welcher ordnung wir der heils-
guͤter und wirckungen GOttes faͤhig ſeyn oder nicht.) dieſelbe getrieben
wird/ manche ſonſten harte gemuͤther/ welche durch das bloſſe ſchelten gemei-
niglich nur boßhafftiger und trotziger gemacht wuͤrden/ ſich dadurch erweichen
und gewinnen laſſen/ in dem einmal das wort des heils ſeine innerliche krafft
hat. Es uͤberzeuget auch ſolcher ſtaͤter vortrag des Evangelii die gemuͤther
der liebe des predigers/ welche er gegen ſie habe/ wie hingegen die ſtaͤte hefftig-
keit bey den meiſten die impreſſion macht/ der prediger ſeye ihnen feind. Wo
aber ein gutes vertrauen zu dieſem bey der gemeinde gewircket wird/ damit
wird alles/ was er nachmal zu ihrer erbauung vorhat/ deſto kraͤfftiger in die
hertzen gedruckt/ und richtet etwas aus. So iſt alſo ſehr dienlich/ daß man
auch die heiligkeit des lebens nicht meiſtens oder allein durch das geſetz und
deſſen trohen oder ſchelten treibe/ ſondern aus dem Evangelio/ daß man zeige/
wie der wahre glaube nicht anders ſeyn koͤnne/ als daß er aus ſeiner natur ſich
in ſolchen fruͤchten heraus laſſen muͤſſe/ und alſo ſie durch ſolche zeugnuͤſſen die
verſicherung ihres glaubens bey ſich zu wege zu bringen trachten muͤſſen.
Jtem iſt zu zeigen/ wie jegliche goͤttliche wohlthat/ und geſchenckter heils-ſchatz
den fleiß des guten insgemein/ oder dieſer und jener abſonderlichen tugend/
nothwendig mit ſich habe/ oder nach ſich ziehe. Hiebey verſichre ich meinen
geliebten Bruder/ daß dieſe art zu handein das gute viel kraͤfftiger und gruͤnd-
licher in die hertzen bringe/ als alles das jenige/ wo man meinet/ alles mit dem
geſetz zu erzwingen. Jch ſetze 3. noch ein drittes ſtuͤck hinzu/ welches ich von
ziemlicher wichtigkeit achte. Wir haben leider! insgemein ſolche kirchen/ die
gantz verderbet ſind/ und wenig gutes auſſer der reinig eit der lehre haben/ und
ſeynd wol meiſtens die meiſte glieder der euſſerlichen kirchen mehr unkraut als
guter weitzen: nun iſts zwahr an dem/ daß wir auch nach vermoͤgen dem boͤſen/
und denen boͤſen/ zu ſteuren trachten muͤſſen/ durch alle die mittel/ die uns

GOtt
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[633/0649] ARTIC. III. SECTIO VIII. den/ aus dem wort des Evangelii den heil. Geiſt und den glauben zu empfan- gen/ daraus ſie nicht nur die vergebung der ſuͤnden/ ſondern auch alle krafft des guten herhaben und erlangen muͤſſen. Daher wir fleißig ſeyn muͤſſen/ auch den gottloſen die goͤttliche gnade und dero theure wolthaten an uns gewendet/ hoch anzuruͤhmen/ auch zu zeigen/ was vor unausſprechliche ſchaͤtze der ſeelig- keit ſie in der heil. tauffe empfangen haͤtten/ GOtt ihnen auch dieſelbe immer auffs neue wieder anbiete/ wo ſie ſie nur im glauben annehmen/ und in wahrer buß ſich dero faͤhig machen laſſen wolten. Dieſe ſtets anruͤhmende gnade GOttes und predigt des Evangelii iſt von der krafft/ daß wo beſtaͤndig und vorſichtig (nehmlich mit ſtaͤter bezeugung/ in welcher ordnung wir der heils- guͤter und wirckungen GOttes faͤhig ſeyn oder nicht.) dieſelbe getrieben wird/ manche ſonſten harte gemuͤther/ welche durch das bloſſe ſchelten gemei- niglich nur boßhafftiger und trotziger gemacht wuͤrden/ ſich dadurch erweichen und gewinnen laſſen/ in dem einmal das wort des heils ſeine innerliche krafft hat. Es uͤberzeuget auch ſolcher ſtaͤter vortrag des Evangelii die gemuͤther der liebe des predigers/ welche er gegen ſie habe/ wie hingegen die ſtaͤte hefftig- keit bey den meiſten die impreſſion macht/ der prediger ſeye ihnen feind. Wo aber ein gutes vertrauen zu dieſem bey der gemeinde gewircket wird/ damit wird alles/ was er nachmal zu ihrer erbauung vorhat/ deſto kraͤfftiger in die hertzen gedruckt/ und richtet etwas aus. So iſt alſo ſehr dienlich/ daß man auch die heiligkeit des lebens nicht meiſtens oder allein durch das geſetz und deſſen trohen oder ſchelten treibe/ ſondern aus dem Evangelio/ daß man zeige/ wie der wahre glaube nicht anders ſeyn koͤnne/ als daß er aus ſeiner natur ſich in ſolchen fruͤchten heraus laſſen muͤſſe/ und alſo ſie durch ſolche zeugnuͤſſen die verſicherung ihres glaubens bey ſich zu wege zu bringen trachten muͤſſen. Jtem iſt zu zeigen/ wie jegliche goͤttliche wohlthat/ und geſchenckter heils-ſchatz den fleiß des guten insgemein/ oder dieſer und jener abſonderlichen tugend/ nothwendig mit ſich habe/ oder nach ſich ziehe. Hiebey verſichre ich meinen geliebten Bruder/ daß dieſe art zu handein das gute viel kraͤfftiger und gruͤnd- licher in die hertzen bringe/ als alles das jenige/ wo man meinet/ alles mit dem geſetz zu erzwingen. Jch ſetze 3. noch ein drittes ſtuͤck hinzu/ welches ich von ziemlicher wichtigkeit achte. Wir haben leider! insgemein ſolche kirchen/ die gantz verderbet ſind/ und wenig gutes auſſer der reinig eit der lehre haben/ und ſeynd wol meiſtens die meiſte glieder der euſſerlichen kirchen mehr unkraut als guter weitzen: nun iſts zwahr an dem/ daß wir auch nach vermoͤgen dem boͤſen/ und denen boͤſen/ zu ſteuren trachten muͤſſen/ durch alle die mittel/ die uns GOtt L l l l

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 633. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/649>, abgerufen am 22.11.2024.