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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das andere Capitel.
sen gemeinen Catechismo Lutheri vertauschet/ und dahin trachtet/ daß mehr
mühe von den examinantibus angewendet werde/ die leute und jugend durch
offters fragen und deutl. erklähren zu dem rechten verstand desselben und der
sache selbsten (wo sie alsdann wie einfältig sie auch seyn mögen/ aus dem was
sie verstehen/ besser und nützlicher als aus gewissen formuln antworten kön-
nen) zu führen/ als den examinandis die gedächtnüß mit vielem auswendig
lernen zu beschwehren/ auffgebürdet werde. Welches die gewohnheit auch
unser hiesigen Franckfurtischen kirchen/ und bißher von GOtt/ dem wir deß-
wegen dancken/ nicht ohne segen gelassen/ so dann in andern land-kirchen
(daß man nicht gedencke/ der methodus wäre vor landleute zu schwehr) mit nu-
tzen auch bey dem bauers-volck nachgefolget worden ist. Die privat-beicht
aber belangend/ ist sie eine sache/ welche an den meisten orten unserer Evangel.
kirchen gebräuchlich/ und wo sie recht eingerichtet wird/ daß man nemlich den
rechten deroselben gebrauch/ nicht aber nur den mißbrauch/ behalte/ ein sehr
erbauliches mittel/ vieles bey den leuten zu ihrer besserung auszurichten. Wes-
wegen was etwa davon einmal möchte in discursen gemeldet worden seyn/ ei-
nem der kirchen GOTTes und ihres besten begierigem prediger nicht sollen
verdächtig vorkommen/ sondern allein ferner zu erwegen ist/ was derselben
particular kirchen auch in solchen stücken das nützlichste und dienlichste seyn
möchte: davon wir eben nicht zu urtheilen haben.

Die dritte Frag.
Was von dem gelübde/ so der pfarrherr seinem vater und Ante-
cessori
geleistet haben solle/ zu halten?

DJese frage will fast die schwehrste werden/ nicht so wol aus sich selbs/ als
weil des facti wegen alles sehr intricat ist/ und die beyde relationes sub
N.
3. und 4. so gleichwol beyde von dem pfarrherrn sind/ und das jenige/ was
mit seinem seligen vater auff dessen todtbett vorgegangen seye/ vorstellen sol-
len/ ein ander sehr entgegen sind. Jn der einen relation N. 4. so dem Hn. col-
latori
so bald nach dem ableiben des vaters zugesandt/ wird dieses gegen je-
nen biß in den letzten athem beharrliche gute confidenz bezeuget: wie solches
die wort andeuten. Jetzt ist der einige Herr von N. noch in N. (dann ich
weiß/ die N. achten es nicht hoch/ wie es in N. gehet) der ihm die sache lässet
angelegen seyn/ aller orten unterbauet/ erhält/ reitet und streitet: solte der
Herr auch sterben bald nach GOttes willen/ so wird man sehen/ wie es mit
dem stifft N. und ritterschafft wird gehen/ niemand wird da seyn/ der sich hoch
um die kirche und arme seelen bekümmern wird/ sie werden alle nach geld hän-
gen. Darum möget ihr kirchen-diener wohl fleißig vor den guten Herrn be-
ten. Wann es ihm wohlgehet/ so gehet es euch auch wohl u. f. w. Noch-

mahl-

Das andere Capitel.
ſen gemeinen Catechiſmo Lutheri vertauſchet/ und dahin trachtet/ daß mehr
muͤhe von den examinantibus angewendet werde/ die leute und jugend durch
offters fragen und deutl. erklaͤhren zu dem rechten verſtand deſſelben und der
ſache ſelbſten (wo ſie alsdann wie einfaͤltig ſie auch ſeyn moͤgen/ aus dem was
ſie verſtehen/ beſſer und nuͤtzlicher als aus gewiſſen formuln antworten koͤn-
nen) zu fuͤhren/ als den examinandis die gedaͤchtnuͤß mit vielem auswendig
lernen zu beſchwehren/ auffgebuͤrdet werde. Welches die gewohnheit auch
unſer hieſigen Franckfurtiſchen kirchen/ und bißher von GOtt/ dem wir deß-
wegen dancken/ nicht ohne ſegen gelaſſen/ ſo dann in andern land-kirchen
(daß man nicht gedẽcke/ der methodus waͤre vor landleute zu ſchwehr) mit nu-
tzen auch bey dem bauers-volck nachgefolget worden iſt. Die privat-beicht
aber belangend/ iſt ſie eine ſache/ welche an den meiſten orten unſerer Evangel.
kirchen gebraͤuchlich/ und wo ſie recht eingerichtet wird/ daß man nemlich den
rechten deroſelben gebrauch/ nicht aber nur den mißbrauch/ behalte/ ein ſehr
erbauliches mittel/ vieles bey den leuten zu ihꝛeꝛ beſſerung auszuꝛichten. Wes-
wegen was etwa davon einmal moͤchte in diſcurſen gemeldet worden ſeyn/ ei-
nem der kirchen GOTTes und ihres beſten begierigem prediger nicht ſollen
verdaͤchtig vorkommen/ ſondern allein ferner zu erwegen iſt/ was derſelben
particular kirchen auch in ſolchen ſtuͤcken das nuͤtzlichſte und dienlichſte ſeyn
moͤchte: davon wir eben nicht zu urtheilen haben.

Die dritte Frag.
Was von dem geluͤbde/ ſo der pfarrherr ſeinem vater und Ante-
ceſſori
geleiſtet haben ſolle/ zu halten?

DJeſe frage will faſt die ſchwehrſte werden/ nicht ſo wol aus ſich ſelbs/ als
weil des facti wegen alles ſehr intricat iſt/ und die beyde relationes ſub
N.
3. und 4. ſo gleichwol beyde von dem pfarrherrn ſind/ und das jenige/ was
mit ſeinem ſeligen vater auff deſſen todtbett vorgegangen ſeye/ vorſtellen ſol-
len/ ein ander ſehr entgegen ſind. Jn der einen relation N. 4. ſo dem Hn. col-
latori
ſo bald nach dem ableiben des vaters zugeſandt/ wird dieſes gegen je-
nen biß in den letzten athem beharrliche gute confidenz bezeuget: wie ſolches
die wort andeuten. Jetzt iſt der einige Herr von N. noch in N. (dann ich
weiß/ die N. achten es nicht hoch/ wie es in N. gehet) der ihm die ſache laͤſſet
angelegen ſeyn/ aller orten unterbauet/ erhaͤlt/ reitet und ſtreitet: ſolte der
Herr auch ſterben bald nach GOttes willen/ ſo wird man ſehen/ wie es mit
dem ſtifft N. und ritterſchafft wird gehen/ niemand wird da ſeyn/ der ſich hoch
um die kirche und arme ſeelen bekuͤmmern wird/ ſie werden alle nach geld haͤn-
gen. Darum moͤget ihr kirchen-diener wohl fleißig vor den guten Herrn be-
ten. Wann es ihm wohlgehet/ ſo gehet es euch auch wohl u. f. w. Noch-

mahl-
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[664/0680] Das andere Capitel. ſen gemeinen Catechiſmo Lutheri vertauſchet/ und dahin trachtet/ daß mehr muͤhe von den examinantibus angewendet werde/ die leute und jugend durch offters fragen und deutl. erklaͤhren zu dem rechten verſtand deſſelben und der ſache ſelbſten (wo ſie alsdann wie einfaͤltig ſie auch ſeyn moͤgen/ aus dem was ſie verſtehen/ beſſer und nuͤtzlicher als aus gewiſſen formuln antworten koͤn- nen) zu fuͤhren/ als den examinandis die gedaͤchtnuͤß mit vielem auswendig lernen zu beſchwehren/ auffgebuͤrdet werde. Welches die gewohnheit auch unſer hieſigen Franckfurtiſchen kirchen/ und bißher von GOtt/ dem wir deß- wegen dancken/ nicht ohne ſegen gelaſſen/ ſo dann in andern land-kirchen (daß man nicht gedẽcke/ der methodus waͤre vor landleute zu ſchwehr) mit nu- tzen auch bey dem bauers-volck nachgefolget worden iſt. Die privat-beicht aber belangend/ iſt ſie eine ſache/ welche an den meiſten orten unſerer Evangel. kirchen gebraͤuchlich/ und wo ſie recht eingerichtet wird/ daß man nemlich den rechten deroſelben gebrauch/ nicht aber nur den mißbrauch/ behalte/ ein ſehr erbauliches mittel/ vieles bey den leuten zu ihꝛeꝛ beſſerung auszuꝛichten. Wes- wegen was etwa davon einmal moͤchte in diſcurſen gemeldet worden ſeyn/ ei- nem der kirchen GOTTes und ihres beſten begierigem prediger nicht ſollen verdaͤchtig vorkommen/ ſondern allein ferner zu erwegen iſt/ was derſelben particular kirchen auch in ſolchen ſtuͤcken das nuͤtzlichſte und dienlichſte ſeyn moͤchte: davon wir eben nicht zu urtheilen haben. Die dritte Frag. Was von dem geluͤbde/ ſo der pfarrherr ſeinem vater und Ante- ceſſori geleiſtet haben ſolle/ zu halten? DJeſe frage will faſt die ſchwehrſte werden/ nicht ſo wol aus ſich ſelbs/ als weil des facti wegen alles ſehr intricat iſt/ und die beyde relationes ſub N. 3. und 4. ſo gleichwol beyde von dem pfarrherrn ſind/ und das jenige/ was mit ſeinem ſeligen vater auff deſſen todtbett vorgegangen ſeye/ vorſtellen ſol- len/ ein ander ſehr entgegen ſind. Jn der einen relation N. 4. ſo dem Hn. col- latori ſo bald nach dem ableiben des vaters zugeſandt/ wird dieſes gegen je- nen biß in den letzten athem beharrliche gute confidenz bezeuget: wie ſolches die wort andeuten. Jetzt iſt der einige Herr von N. noch in N. (dann ich weiß/ die N. achten es nicht hoch/ wie es in N. gehet) der ihm die ſache laͤſſet angelegen ſeyn/ aller orten unterbauet/ erhaͤlt/ reitet und ſtreitet: ſolte der Herr auch ſterben bald nach GOttes willen/ ſo wird man ſehen/ wie es mit dem ſtifft N. und ritterſchafft wird gehen/ niemand wird da ſeyn/ der ſich hoch um die kirche und arme ſeelen bekuͤmmern wird/ ſie werden alle nach geld haͤn- gen. Darum moͤget ihr kirchen-diener wohl fleißig vor den guten Herrn be- ten. Wann es ihm wohlgehet/ ſo gehet es euch auch wohl u. f. w. Noch- mahl-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 664. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/680>, abgerufen am 22.11.2024.