Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

Bild:
<< vorherige Seite

Das andere Capitel.
schreibet/ lieber fortfahren wolte. Dann daß er meldet/ er habe auf jene art
gar nichts ausgerichtet/ wolte nicht gern sagen; Wir wißen nicht/ was Gott
durch unsere arbeit uns auch unwißend ausrichtet/ und wo wir auf das jeni-
ge sehen wollen/ was endlich vor augen liget/ so wolte bitten dagegen zu
halten/ ob dann durch das schärffere mehr ausgerichtet worden. Jch achte/
daß wo wir mit liebe und sanfftmuth das gantze werck führen/ und nichts an-
ders damit ausrichten/ doch dieses schon ein großes seye/ daß gute gemüther/
die nur einigerley maßen etwas göttlich erkennen/ durch solche sanfftmuth
mehr afficiret/ hingegen durch hefftigkeit leichtlich geärgert werden; so dann
daß ob wir endlich die gegner nicht damit zurecht bringen (welche aber auch
durch die schärffe mehr exasperiret werden/ als zur beßerung bewogen) aufs
wenigste ihnen die anlaß durch die sanfftmüthige handlungs-art benommen
werde/ die sie davon zu nehmen pflegen/ wo man ihnen hefftig begegnet/ über
die affecten zu lästern. Jch weiß auch/ daß widersachern zu weilen nichts
weher gethan hat/ als wo man ihrer hefftigkeit auffs gelindeste begegnet ist/
daß sie sich ihrer hefftigen art schämen musten/ und nichts wiederumb fanden/
daß sie mit solchem schein entgegen halten konten/ wie geschihet/ wo man
sie mit gleicher müntze bezahlet. Und glaube ich festiglich/ wie die liebe der
kinder Gottes und jünger Christi kennzeichen/ also seye die sanfftmuth/ dero
erste frucht/ das vornehmste/ so wir von dem HErrn zu lernen haben: Und
wo mir einiges einkommt das derselben nicht gemäß/ deucht mich immer/ ich
höre meines Heylandes wort: wißet ihr nicht/ weßen geistes kinder
ihr seyd.
Jch bin gantz in den gedancken/ daß bey des S. H. Varenii
rettung über S. Joh. Arnden Christenthum so vielmehr segen gewe-
sen: weil der mann zwahr dem D. Osiandro nichts geschencket/ und mit
Theologischer gravität ihm seine irrthum und unrecht vor augen gestellt/
gleichwol ohne acerbität oder härtere und etwa anderen gewöhnliche
stachel-reden solches alles gethan. Welcherley art bey allen durchdringet/
wo das hertz nicht auf das eußerste verstockt: dieses ist meine einfältige mei-
nung/ so viel mir der HErr gegeben hat. Jch werde zwahr mit solcher gelin-
den schreib-art nicht verhüten allerhand calumnien, nachreden und verdacht/
die ich ohne daß schon von ziemlicher zeit erfahre/ und deswegen Ew. Wohl-
Ehrw. nicht sorgen darff/ daß umb gleicher auflagen willen/ ein gegen den-
selben widriges gemüth trage/ der ich selbst weiß/ wie es zu gehen pflege/
aber ich hoffe dabey ein so viel ruhiger gewißen/ daß ich mir nicht selbst mit
unzeitiger hefftigkeit etwas zugezogen hätte. Der HErr zeige uns in allem
was zu thun ist/ und führe uns durch seinen Geist! Was aber anlangt/ wie
der gemeinen sache des Christenthums zu rathen seye? So bekenne ich/ wo

von

Das andere Capitel.
ſchreibet/ lieber fortfahren wolte. Dann daß er meldet/ er habe auf jene art
gar nichts ausgerichtet/ wolte nicht gern ſagen; Wir wißen nicht/ was Gott
durch unſere arbeit uns auch unwißend ausrichtet/ und wo wir auf das jeni-
ge ſehen wollen/ was endlich vor augen liget/ ſo wolte bitten dagegen zu
halten/ ob dann durch das ſchaͤrffere mehr ausgerichtet worden. Jch achte/
daß wo wir mit liebe und ſanfftmuth das gantze werck fuͤhren/ und nichts an-
ders damit ausrichten/ doch dieſes ſchon ein großes ſeye/ daß gute gemuͤther/
die nur einigerley maßen etwas goͤttlich erkennen/ durch ſolche ſanfftmuth
mehr afficiret/ hingegen durch hefftigkeit leichtlich geaͤrgert werden; ſo dann
daß ob wir endlich die gegner nicht damit zurecht bringen (welche aber auch
durch die ſchaͤrffe mehr exaſperiret werden/ als zur beßerung bewogen) aufs
wenigſte ihnen die anlaß durch die ſanfftmuͤthige handlungs-art benommen
werde/ die ſie davon zu nehmen pflegen/ wo man ihnen hefftig begegnet/ uͤber
die affecten zu laͤſtern. Jch weiß auch/ daß widerſachern zu weilen nichts
weher gethan hat/ als wo man ihrer hefftigkeit auffs gelindeſte begegnet iſt/
daß ſie ſich ihrer hefftigen art ſchaͤmen muſten/ und nichts wiederumb fanden/
daß ſie mit ſolchem ſchein entgegen halten konten/ wie geſchihet/ wo man
ſie mit gleicher muͤntze bezahlet. Und glaube ich feſtiglich/ wie die liebe der
kinder Gottes und juͤnger Chriſti kennzeichen/ alſo ſeye die ſanfftmuth/ dero
erſte frucht/ das vornehmſte/ ſo wir von dem HErrn zu lernen haben: Und
wo mir einiges einkommt das derſelben nicht gemaͤß/ deucht mich immer/ ich
hoͤre meines Heylandes wort: wißet ihr nicht/ weßen geiſtes kinder
ihr ſeyd.
Jch bin gantz in den gedancken/ daß bey des S. H. Varenii
rettung uͤber S. Joh. Arnden Chriſtenthum ſo vielmehr ſegen gewe-
ſen: weil der mann zwahr dem D. Oſiandro nichts geſchencket/ und mit
Theologiſcher gravitaͤt ihm ſeine irrthum und unrecht vor augen geſtellt/
gleichwol ohne acerbitaͤt oder haͤrtere und etwa anderen gewoͤhnliche
ſtachel-reden ſolches alles gethan. Welcherley art bey allen durchdringet/
wo das hertz nicht auf das eußerſte verſtockt: dieſes iſt meine einfaͤltige mei-
nung/ ſo viel mir der HErr gegeben hat. Jch werde zwahr mit ſolcher gelin-
den ſchreib-art nicht verhuͤten allerhand calumnien, nachreden und verdacht/
die ich ohne daß ſchon von ziemlicher zeit erfahre/ und deswegen Ew. Wohl-
Ehrw. nicht ſorgen darff/ daß umb gleicher auflagen willen/ ein gegen den-
ſelben widriges gemuͤth trage/ der ich ſelbſt weiß/ wie es zu gehen pflege/
aber ich hoffe dabey ein ſo viel ruhiger gewißen/ daß ich mir nicht ſelbſt mit
unzeitiger hefftigkeit etwas zugezogen haͤtte. Der HErr zeige uns in allem
was zu thun iſt/ und fuͤhre uns durch ſeinen Geiſt! Was aber anlangt/ wie
der gemeinen ſache des Chriſtenthums zu rathen ſeye? So bekenne ich/ wo

von
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0692" n="676"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das andere Capitel.</hi></fw><lb/>
&#x017F;chreibet/ lieber fortfahren wolte. Dann daß er meldet/ er habe auf jene art<lb/>
gar nichts ausgerichtet/ wolte nicht gern &#x017F;agen; Wir wißen nicht/ was Gott<lb/>
durch un&#x017F;ere arbeit uns auch unwißend ausrichtet/ und wo wir auf das jeni-<lb/>
ge &#x017F;ehen wollen/ was endlich vor augen liget/ &#x017F;o wolte bitten dagegen zu<lb/>
halten/ ob dann durch das &#x017F;cha&#x0364;rffere mehr ausgerichtet worden. Jch achte/<lb/>
daß wo wir mit liebe und &#x017F;anfftmuth das gantze werck fu&#x0364;hren/ und nichts an-<lb/>
ders damit ausrichten/ doch die&#x017F;es &#x017F;chon ein großes &#x017F;eye/ daß gute gemu&#x0364;ther/<lb/>
die nur einigerley maßen etwas go&#x0364;ttlich erkennen/ durch &#x017F;olche &#x017F;anfftmuth<lb/>
mehr <hi rendition="#aq">afficir</hi>et/ hingegen durch hefftigkeit leichtlich gea&#x0364;rgert werden; &#x017F;o dann<lb/>
daß ob wir endlich die gegner nicht damit zurecht bringen (welche aber auch<lb/>
durch die &#x017F;cha&#x0364;rffe mehr <hi rendition="#aq">exa&#x017F;perir</hi>et werden/ als zur beßerung bewogen) aufs<lb/>
wenig&#x017F;te ihnen die anlaß durch die &#x017F;anfftmu&#x0364;thige handlungs-art benommen<lb/>
werde/ die &#x017F;ie davon zu nehmen pflegen/ wo man ihnen hefftig begegnet/ u&#x0364;ber<lb/>
die <hi rendition="#aq">affecten</hi> zu la&#x0364;&#x017F;tern. Jch weiß auch/ daß wider&#x017F;achern zu weilen nichts<lb/>
weher gethan hat/ als wo man ihrer hefftigkeit auffs gelinde&#x017F;te begegnet i&#x017F;t/<lb/>
daß &#x017F;ie &#x017F;ich ihrer hefftigen art &#x017F;cha&#x0364;men mu&#x017F;ten/ und nichts wiederumb fanden/<lb/>
daß &#x017F;ie mit &#x017F;olchem &#x017F;chein entgegen halten konten/ wie ge&#x017F;chihet/ wo man<lb/>
&#x017F;ie mit gleicher mu&#x0364;ntze bezahlet. Und glaube ich fe&#x017F;tiglich/ wie die liebe der<lb/>
kinder Gottes und ju&#x0364;nger Chri&#x017F;ti kennzeichen/ al&#x017F;o &#x017F;eye die &#x017F;anfftmuth/ dero<lb/>
er&#x017F;te frucht/ das vornehm&#x017F;te/ &#x017F;o wir von dem HErrn zu lernen haben: Und<lb/>
wo mir einiges einkommt das der&#x017F;elben nicht gema&#x0364;ß/ deucht mich immer/ ich<lb/>
ho&#x0364;re meines Heylandes wort: <hi rendition="#fr">wißet ihr nicht/ weßen gei&#x017F;tes kinder<lb/>
ihr &#x017F;eyd.</hi> Jch bin gantz in den gedancken/ daß bey des S. <hi rendition="#aq">H. Varenii</hi><lb/><hi rendition="#fr">rettung u&#x0364;ber S. Joh. Arnden Chri&#x017F;tenthum</hi> &#x017F;o vielmehr &#x017F;egen gewe-<lb/>
&#x017F;en: weil der mann zwahr dem <hi rendition="#aq">D. O&#x017F;iandro</hi> nichts ge&#x017F;chencket/ und mit<lb/><hi rendition="#aq">Theologi</hi>&#x017F;cher <hi rendition="#aq">gravi</hi>ta&#x0364;t ihm &#x017F;eine irrthum und unrecht vor augen ge&#x017F;tellt/<lb/>
gleichwol ohne <hi rendition="#aq">acerbi</hi>ta&#x0364;t oder ha&#x0364;rtere und etwa anderen gewo&#x0364;hnliche<lb/>
&#x017F;tachel-reden &#x017F;olches alles gethan. Welcherley art bey allen durchdringet/<lb/>
wo das hertz nicht auf das eußer&#x017F;te ver&#x017F;tockt: die&#x017F;es i&#x017F;t meine einfa&#x0364;ltige mei-<lb/>
nung/ &#x017F;o viel mir der HErr gegeben hat. Jch werde zwahr mit &#x017F;olcher gelin-<lb/>
den &#x017F;chreib-art nicht verhu&#x0364;ten allerhand <hi rendition="#aq">calumnien,</hi> nachreden und verdacht/<lb/>
die ich ohne daß &#x017F;chon von ziemlicher zeit erfahre/ und deswegen Ew. Wohl-<lb/>
Ehrw. nicht &#x017F;orgen darff/ daß umb gleicher auflagen willen/ ein gegen den-<lb/>
&#x017F;elben widriges gemu&#x0364;th trage/ der ich &#x017F;elb&#x017F;t weiß/ wie es zu gehen pflege/<lb/>
aber ich hoffe dabey ein &#x017F;o viel ruhiger gewißen/ daß ich mir nicht &#x017F;elb&#x017F;t mit<lb/>
unzeitiger hefftigkeit etwas zugezogen ha&#x0364;tte. Der HErr zeige uns in allem<lb/>
was zu thun i&#x017F;t/ und fu&#x0364;hre uns durch &#x017F;einen Gei&#x017F;t! Was aber anlangt/ wie<lb/>
der gemeinen &#x017F;ache des Chri&#x017F;tenthums zu rathen &#x017F;eye? So bekenne ich/ wo<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">von</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[676/0692] Das andere Capitel. ſchreibet/ lieber fortfahren wolte. Dann daß er meldet/ er habe auf jene art gar nichts ausgerichtet/ wolte nicht gern ſagen; Wir wißen nicht/ was Gott durch unſere arbeit uns auch unwißend ausrichtet/ und wo wir auf das jeni- ge ſehen wollen/ was endlich vor augen liget/ ſo wolte bitten dagegen zu halten/ ob dann durch das ſchaͤrffere mehr ausgerichtet worden. Jch achte/ daß wo wir mit liebe und ſanfftmuth das gantze werck fuͤhren/ und nichts an- ders damit ausrichten/ doch dieſes ſchon ein großes ſeye/ daß gute gemuͤther/ die nur einigerley maßen etwas goͤttlich erkennen/ durch ſolche ſanfftmuth mehr afficiret/ hingegen durch hefftigkeit leichtlich geaͤrgert werden; ſo dann daß ob wir endlich die gegner nicht damit zurecht bringen (welche aber auch durch die ſchaͤrffe mehr exaſperiret werden/ als zur beßerung bewogen) aufs wenigſte ihnen die anlaß durch die ſanfftmuͤthige handlungs-art benommen werde/ die ſie davon zu nehmen pflegen/ wo man ihnen hefftig begegnet/ uͤber die affecten zu laͤſtern. Jch weiß auch/ daß widerſachern zu weilen nichts weher gethan hat/ als wo man ihrer hefftigkeit auffs gelindeſte begegnet iſt/ daß ſie ſich ihrer hefftigen art ſchaͤmen muſten/ und nichts wiederumb fanden/ daß ſie mit ſolchem ſchein entgegen halten konten/ wie geſchihet/ wo man ſie mit gleicher muͤntze bezahlet. Und glaube ich feſtiglich/ wie die liebe der kinder Gottes und juͤnger Chriſti kennzeichen/ alſo ſeye die ſanfftmuth/ dero erſte frucht/ das vornehmſte/ ſo wir von dem HErrn zu lernen haben: Und wo mir einiges einkommt das derſelben nicht gemaͤß/ deucht mich immer/ ich hoͤre meines Heylandes wort: wißet ihr nicht/ weßen geiſtes kinder ihr ſeyd. Jch bin gantz in den gedancken/ daß bey des S. H. Varenii rettung uͤber S. Joh. Arnden Chriſtenthum ſo vielmehr ſegen gewe- ſen: weil der mann zwahr dem D. Oſiandro nichts geſchencket/ und mit Theologiſcher gravitaͤt ihm ſeine irrthum und unrecht vor augen geſtellt/ gleichwol ohne acerbitaͤt oder haͤrtere und etwa anderen gewoͤhnliche ſtachel-reden ſolches alles gethan. Welcherley art bey allen durchdringet/ wo das hertz nicht auf das eußerſte verſtockt: dieſes iſt meine einfaͤltige mei- nung/ ſo viel mir der HErr gegeben hat. Jch werde zwahr mit ſolcher gelin- den ſchreib-art nicht verhuͤten allerhand calumnien, nachreden und verdacht/ die ich ohne daß ſchon von ziemlicher zeit erfahre/ und deswegen Ew. Wohl- Ehrw. nicht ſorgen darff/ daß umb gleicher auflagen willen/ ein gegen den- ſelben widriges gemuͤth trage/ der ich ſelbſt weiß/ wie es zu gehen pflege/ aber ich hoffe dabey ein ſo viel ruhiger gewißen/ daß ich mir nicht ſelbſt mit unzeitiger hefftigkeit etwas zugezogen haͤtte. Der HErr zeige uns in allem was zu thun iſt/ und fuͤhre uns durch ſeinen Geiſt! Was aber anlangt/ wie der gemeinen ſache des Chriſtenthums zu rathen ſeye? So bekenne ich/ wo von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/692
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 676. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/692>, abgerufen am 22.11.2024.