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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das andere Capitel.
SECTIO XX.
Von den theilen und geschäfften des glaubens. Vorschlä-
ge/ wie in diesem verdorbenen zustand ein Christlicher prediger
sein amt am fruchtbarsten führen könne.

DEsselben an mich gethanes freundbrüderl. schreiben hat mich hertzl. er-
freuet/ und dancke meinem Gott innigl./ daß er mir an demselben aber-
mahl einen treuen gehülffen in der uns allen gemeinen sache der erbau-
ung der Christl. kirchen gewiesen; von deme ich mich aus diesen speciminibus
alles guten und daher auch gewiß des göttl. segens versehen und getrösten
kan. Der Herr lasse die zahl der treuen arbeiter zu seiner erndte immer grösser
werden/ und ihre arbeit nicht vergebens seyn. Er lasse dieselbe auch immer ge-
nauer durch die einigkeit des Geistes und das band des friedes mit einander
verknüpffet/ und daß sie mit rath/ hülff und gebet so viel angelegenlicher ein-
ander kämpffen helffen und einander bekant werden; an welcher kundschafft
und engern freundschafft ich nicht ein geringes zu dem gemeinen besten gele-
gen zu seyn achte. Die vorlegende frage wegen der theile des glaubens ist von
nicht geringer wichtigkeit. Lebeten wir nicht zu einer zeit/ da es nunmehro ley-
der auf die menschen dienstbarkeit gekommen wäre/ daß die placita u. decreta
doctorum,
so eine zeitlang in den schwang gebracht/ fast so viel gelten sollen/
als das liebe wort Gottes selbs/ ja jeglicher abgang von jenen redens arten
so bald vor gefährliche neuerung ausgegeben un bestraffet würde/ so wäre oh-
ne viel dubitirens die sache gleich richtig/ daß je deutlicher man die so nöthige
lehre von der kraft des glaubens vortragen kan/ man solches billig thun solte.
Nun würde gewißl. die nothwendigkeit des gehorsams gegen Christo so viel
deutlicher den leuten vorgestellet/ wo solche huldigung mit zu den theilen des
glaubens gesetzet/ und die sache nicht nur bey den 3. gewöhnl. theilen gelassen
würde. Wan aber unser jetziger zustand der kirchen so bewandt ist/ daßwir uns
in dem guten offt so viel sorgen u. fürchten müssen/ als wegendes bösen/ so ists
eine sache/ dero so viel reifflicher nachzudencken/ daß wir den vor augen haben-
den zweck auf die jenige art erlangen/ welche sowol die nachdrücklichste also be-
wandt ist/ daß wir damit nicht dergl. widerspruch zu erregen sorgen möchten/
welche grösseren schaden der kirchen zuzögen. Daher wofern eigentl. die frage
formiret würde von den theilen des glaubens/ bekenne ich gern/ daß ich beden-
ckens dabey haben würde/ obs wohl gethan wäre also zu reden: nicht daß an
der sach selbs zweiffel hätte/ sondern weil ich von den jenigen/ welche in
dem eine zeitlang insgemein beliebten nicht leicht etwas äudern zu lassen ge-
sinnet sind/ harten widerstand förchtete: da ich friedenshalben so lang/ als es
ohne abbruch der wahren gottseligkeit geschehen kan/ in den redens-arten sol-
chen leuten lieber weiche/ als/ was an mir ist/ zu wortstreit anlaß gebe. Weil
aber mein vielgeliebtet bruder in seiner Catechismus-übung so vorsichtig gere-

det
Das andere Capitel.
SECTIO XX.
Von den theilen und geſchaͤfften des glaubens. Vorſchlaͤ-
ge/ wie in dieſem verdorbenen zuſtand ein Chriſtlicher prediger
ſein amt am fruchtbarſten fuͤhren koͤnne.

DEſſelben an mich gethanes freundbruͤderl. ſchreiben hat mich hertzl. er-
freuet/ und dancke meinem Gott innigl./ daß er mir an demſelben aber-
mahl einen treuen gehuͤlffen in der uns allen gemeinen ſache der erbau-
ung der Chriſtl. kirchen gewieſen; von deme ich mich aus dieſen ſpeciminibus
alles guten und daher auch gewiß des goͤttl. ſegens verſehen und getroͤſten
kan. Der Herr laſſe die zahl der treuen arbeiter zu ſeiner erndte immer groͤſſeꝛ
werden/ und ihre arbeit nicht vergebens ſeyn. Er laſſe dieſelbe auch immer ge-
nauer durch die einigkeit des Geiſtes und das band des friedes mit einander
verknuͤpffet/ und daß ſie mit rath/ huͤlff und gebet ſo viel angelegenlicher ein-
ander kaͤmpffen helffen und einander bekant werden; an welcher kundſchafft
und engern freundſchafft ich nicht ein geringes zu dem gemeinen beſten gele-
gen zu ſeyn achte. Die vorlegende frage wegen der theile des glaubens iſt von
nicht geringer wichtigkeit. Lebeten wir nicht zu einer zeit/ da es nunmehro ley-
der auf die menſchen dienſtbarkeit gekom̃en waͤre/ daß die placita u. decreta
doctorum,
ſo eine zeitlang in den ſchwang gebracht/ faſt ſo viel gelten ſollen/
als das liebe wort Gottes ſelbs/ ja jeglicher abgang von jenen redens arten
ſo bald vor gefaͤhrliche neuerung ausgegeben un beſtraffet wuͤrde/ ſo waͤre oh-
ne viel dubitirens die ſache gleich richtig/ daß je deutlicher man die ſo noͤthige
lehre von der kraft des glaubens vortragen kan/ man ſolches billig thun ſolte.
Nun wuͤrde gewißl. die nothwendigkeit des gehorſams gegen Chriſto ſo viel
deutlicher den leuten vorgeſtellet/ wo ſolche huldigung mit zu den theilen des
glaubens geſetzet/ und die ſache nicht nur bey den 3. gewoͤhnl. theilen gelaſſen
wuͤrde. Wan aber unſer jetziger zuſtand der kirchen ſo bewandt iſt/ daßwir uns
in dem guten offt ſo viel ſorgen u. fuͤrchten muͤſſen/ als wegendes boͤſen/ ſo iſts
eine ſache/ dero ſo viel reifflicher nachzudencken/ daß wir den vor augen haben-
den zweck auf die jenige art erlangen/ welche ſowol die nachdruͤcklichſte alſo be-
wandt iſt/ daß wir damit nicht dergl. widerſpruch zu erregen ſorgen moͤchten/
welche groͤſſeren ſchaden der kirchen zuzoͤgen. Daher wofern eigentl. die frage
formiret wuͤrde von den theilen des glaubens/ bekenne ich gern/ daß ich beden-
ckens dabey haben wuͤrde/ obs wohl gethan waͤre alſo zu reden: nicht daß an
der ſach ſelbs zweiffel haͤtte/ ſondern weil ich von den jenigen/ welche in
dem eine zeitlang insgemein beliebten nicht leicht etwas aͤudern zu laſſen ge-
ſinnet ſind/ harten widerſtand foͤrchtete: da ich friedenshalben ſo lang/ als es
ohne abbruch der wahren gottſeligkeit geſchehen kan/ in den redens-arten ſol-
chen leuten lieber weiche/ als/ was an mir iſt/ zu wortſtreit anlaß gebe. Weil
aber mein vielgeliebtet bruder in ſeiner Catechiſmus-uͤbung ſo voꝛſichtig gere-

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[692/0708] Das andere Capitel. SECTIO XX. Von den theilen und geſchaͤfften des glaubens. Vorſchlaͤ- ge/ wie in dieſem verdorbenen zuſtand ein Chriſtlicher prediger ſein amt am fruchtbarſten fuͤhren koͤnne. DEſſelben an mich gethanes freundbruͤderl. ſchreiben hat mich hertzl. er- freuet/ und dancke meinem Gott innigl./ daß er mir an demſelben aber- mahl einen treuen gehuͤlffen in der uns allen gemeinen ſache der erbau- ung der Chriſtl. kirchen gewieſen; von deme ich mich aus dieſen ſpeciminibus alles guten und daher auch gewiß des goͤttl. ſegens verſehen und getroͤſten kan. Der Herr laſſe die zahl der treuen arbeiter zu ſeiner erndte immer groͤſſeꝛ werden/ und ihre arbeit nicht vergebens ſeyn. Er laſſe dieſelbe auch immer ge- nauer durch die einigkeit des Geiſtes und das band des friedes mit einander verknuͤpffet/ und daß ſie mit rath/ huͤlff und gebet ſo viel angelegenlicher ein- ander kaͤmpffen helffen und einander bekant werden; an welcher kundſchafft und engern freundſchafft ich nicht ein geringes zu dem gemeinen beſten gele- gen zu ſeyn achte. Die vorlegende frage wegen der theile des glaubens iſt von nicht geringer wichtigkeit. Lebeten wir nicht zu einer zeit/ da es nunmehro ley- der auf die menſchen dienſtbarkeit gekom̃en waͤre/ daß die placita u. decreta doctorum, ſo eine zeitlang in den ſchwang gebracht/ faſt ſo viel gelten ſollen/ als das liebe wort Gottes ſelbs/ ja jeglicher abgang von jenen redens arten ſo bald vor gefaͤhrliche neuerung ausgegeben un beſtraffet wuͤrde/ ſo waͤre oh- ne viel dubitirens die ſache gleich richtig/ daß je deutlicher man die ſo noͤthige lehre von der kraft des glaubens vortragen kan/ man ſolches billig thun ſolte. Nun wuͤrde gewißl. die nothwendigkeit des gehorſams gegen Chriſto ſo viel deutlicher den leuten vorgeſtellet/ wo ſolche huldigung mit zu den theilen des glaubens geſetzet/ und die ſache nicht nur bey den 3. gewoͤhnl. theilen gelaſſen wuͤrde. Wan aber unſer jetziger zuſtand der kirchen ſo bewandt iſt/ daßwir uns in dem guten offt ſo viel ſorgen u. fuͤrchten muͤſſen/ als wegendes boͤſen/ ſo iſts eine ſache/ dero ſo viel reifflicher nachzudencken/ daß wir den vor augen haben- den zweck auf die jenige art erlangen/ welche ſowol die nachdruͤcklichſte alſo be- wandt iſt/ daß wir damit nicht dergl. widerſpruch zu erregen ſorgen moͤchten/ welche groͤſſeren ſchaden der kirchen zuzoͤgen. Daher wofern eigentl. die frage formiret wuͤrde von den theilen des glaubens/ bekenne ich gern/ daß ich beden- ckens dabey haben wuͤrde/ obs wohl gethan waͤre alſo zu reden: nicht daß an der ſach ſelbs zweiffel haͤtte/ ſondern weil ich von den jenigen/ welche in dem eine zeitlang insgemein beliebten nicht leicht etwas aͤudern zu laſſen ge- ſinnet ſind/ harten widerſtand foͤrchtete: da ich friedenshalben ſo lang/ als es ohne abbruch der wahren gottſeligkeit geſchehen kan/ in den redens-arten ſol- chen leuten lieber weiche/ als/ was an mir iſt/ zu wortſtreit anlaß gebe. Weil aber mein vielgeliebtet bruder in ſeiner Catechiſmus-uͤbung ſo voꝛſichtig gere- det

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 692. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/708>, abgerufen am 22.11.2024.