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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das andere Capitel.
tigkeit zu dem höchsten kirchen-amt sey. Wo nun die liebe zu Christo wie sie
solle/ hertzlich ist/ manglets auch nicht an der liebe der anvertrauten schaafe
und lämmer/ sondern ein liebhaber Christi liebet sie auch umb des Herrn willen
und solches aus väterlichem hertzen/ 2. Corinth. 12/ 14. 15. diese liebe ist als-
dann der grund der treue/ die der apostel als das haupt-requisitum angibt.
1. Corinth. 4/ 1. wann also derselbige fraget/ was er thun solle in seinem
amt selig zu werden/ sage ich/ er liebe Christum und seine gemeinde inniglich/
und erweise solche liebe in hertzlicher treue. Sagt er aber/ wie er solche
treu erweisen solle/ möchte ich ihn zwahr dahin anweisen/ daß die liebe/ wo sie
rechtschaffen ist/ selbst in dem fall anweise/ was zuthun sey; Jedoch etwas
absonderlicher von einigen stücken zu handeln: halte ich nöthig 1. daß weil
das meiste noch zu thun mügliche bey seinem dienst auff das predigen ankommt/
daß geliebter bruder so vielmehr fleiß und sorgfalt anwende/ seine predigten
so deutlich und einfältig zu halten/ als es seiner gemeinde nothdurfft und be-
grieff mit sich bringet und erfordert/ hingegen sich alles dessen zu entschlagen/
was nicht der höchsten nothwendigkeit ist/ ob es auch bey andern gemeinden/
da man mehr und mehrerer art gelegenheit hat/ nützlich seyn möchte. Seine
predigten werden von nichts anders zu handeln haben/ als daß die zuhörer
GOtt ihren Heyland und die ordnung der seligkeit/ nehmlich so wol dero
güter und schätze/ welche den glaubigen zukommen/ als ihre pflichten/ einfältig
verstehen lernen/ daher man/ daß einerley in den meisten predigten immer
vorkomme/ sich nicht verdriessen lassen darff. Darauff ist aber sonderlich zu
sehen/ daß die vermahnungen beweglich/ und die bestraffungen auch durch-
tringend/ aber beyde also abgefasset seyn/ daß die zuhörer selbst sehen/ daß sie
aus wehmuth des hertzens und erbarmender liebe ausgegossen werden/ und
ja weder einige bitterkeit gegen sie/ noch begierde über sie zu herschen/ darunter
stecke: damit aus der überzeugung/ aus waserley hertzen alles komme/ alle
wort einen viel tieffern eintruck in dieselbe erlangen. Welche gnade und
krafft auch bey jeglicher predigt von dem Herrn erbeten werden muß. 2. da
derselbe wegen der mehrern dörffer mit jeden absonderlich zuhandeln unmüg-
lich vermag/ so wird er wohl thun/ wann er/ was bißher geschehen/ in seinem
dorff/ so offt solches der leute wegen geschehen kan/ in der schul alte und jun-
ge zusammen kommen lässet/ und mit denselben so viel ihrer sich einstellen/
nach vermögen zu ihrer erbauung handelt/ auch gelegenheit suchet/ dann und
wann etwas dergleichen in andern dörffern zu tentiren/ und zusehen/ wie
weit mans damit bringen könne 3. was die schulen anlangt/ da dörffte auch

so viel

Das andere Capitel.
tigkeit zu dem hoͤchſten kirchen-amt ſey. Wo nun die liebe zu Chriſto wie ſie
ſolle/ hertzlich iſt/ manglets auch nicht an der liebe der anvertrauten ſchaafe
und laͤmmer/ ſondern ein liebhaber Chriſti liebet ſie auch umb des Herꝛn willen
und ſolches aus vaͤterlichem hertzen/ 2. Corinth. 12/ 14. 15. dieſe liebe iſt als-
dann der grund der treue/ die der apoſtel als das haupt-requiſitum angibt.
1. Corinth. 4/ 1. wann alſo derſelbige fraget/ was er thun ſolle in ſeinem
amt ſelig zu werden/ ſage ich/ er liebe Chriſtum und ſeine gemeinde inniglich/
und erweiſe ſolche liebe in hertzlicher treue. Sagt er aber/ wie er ſolche
treu erweiſen ſolle/ moͤchte ich ihn zwahr dahin anweiſen/ daß die liebe/ wo ſie
rechtſchaffen iſt/ ſelbſt in dem fall anweiſe/ was zuthun ſey; Jedoch etwas
abſonderlicher von einigen ſtuͤcken zu handeln: halte ich noͤthig 1. daß weil
das meiſte noch zu thun muͤgliche bey ſeinem dienſt auff das predigen ankom̃t/
daß geliebter bruder ſo vielmehr fleiß und ſorgfalt anwende/ ſeine predigten
ſo deutlich und einfaͤltig zu halten/ als es ſeiner gemeinde nothdurfft und be-
grieff mit ſich bringet und erfordert/ hingegen ſich alles deſſen zu entſchlagen/
was nicht der hoͤchſten nothwendigkeit iſt/ ob es auch bey andern gemeinden/
da man mehr und mehrerer art gelegenheit hat/ nuͤtzlich ſeyn moͤchte. Seine
predigten werden von nichts anders zu handeln haben/ als daß die zuhoͤrer
GOtt ihren Heyland und die ordnung der ſeligkeit/ nehmlich ſo wol dero
guͤter und ſchaͤtze/ welche den glaubigen zukommen/ als ihre pflichten/ einfaͤltig
verſtehen lernen/ daher man/ daß einerley in den meiſten predigten immer
vorkomme/ ſich nicht verdrieſſen laſſen darff. Darauff iſt aber ſonderlich zu
ſehen/ daß die vermahnungen beweglich/ und die beſtraffungen auch durch-
tringend/ aber beyde alſo abgefaſſet ſeyn/ daß die zuhoͤrer ſelbſt ſehen/ daß ſie
aus wehmuth des hertzens und erbarmender liebe ausgegoſſen werden/ und
ja weder einige bitterkeit gegen ſie/ noch begierde uͤber ſie zu herſchen/ darunter
ſtecke: damit aus der uͤberzeugung/ aus waſerley hertzen alles komme/ alle
wort einen viel tieffern eintruck in dieſelbe erlangen. Welche gnade und
krafft auch bey jeglicher predigt von dem Herrn erbeten werden muß. 2. da
derſelbe wegen der mehrern doͤrffer mit jeden abſonderlich zuhandeln unmuͤg-
lich vermag/ ſo wird er wohl thun/ wann er/ was bißher geſchehen/ in ſeinem
dorff/ ſo offt ſolches der leute wegen geſchehen kan/ in der ſchul alte und jun-
ge zuſammen kommen laͤſſet/ und mit denſelben ſo viel ihrer ſich einſtellen/
nach vermoͤgen zu ihrer erbauung handelt/ auch gelegenheit ſuchet/ dann und
wann etwas dergleichen in andern doͤrffern zu tentiren/ und zuſehen/ wie
weit mans damit bringen koͤnne 3. was die ſchulen anlangt/ da doͤrffte auch

ſo viel
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[706/0722] Das andere Capitel. tigkeit zu dem hoͤchſten kirchen-amt ſey. Wo nun die liebe zu Chriſto wie ſie ſolle/ hertzlich iſt/ manglets auch nicht an der liebe der anvertrauten ſchaafe und laͤmmer/ ſondern ein liebhaber Chriſti liebet ſie auch umb des Herꝛn willen und ſolches aus vaͤterlichem hertzen/ 2. Corinth. 12/ 14. 15. dieſe liebe iſt als- dann der grund der treue/ die der apoſtel als das haupt-requiſitum angibt. 1. Corinth. 4/ 1. wann alſo derſelbige fraget/ was er thun ſolle in ſeinem amt ſelig zu werden/ ſage ich/ er liebe Chriſtum und ſeine gemeinde inniglich/ und erweiſe ſolche liebe in hertzlicher treue. Sagt er aber/ wie er ſolche treu erweiſen ſolle/ moͤchte ich ihn zwahr dahin anweiſen/ daß die liebe/ wo ſie rechtſchaffen iſt/ ſelbſt in dem fall anweiſe/ was zuthun ſey; Jedoch etwas abſonderlicher von einigen ſtuͤcken zu handeln: halte ich noͤthig 1. daß weil das meiſte noch zu thun muͤgliche bey ſeinem dienſt auff das predigen ankom̃t/ daß geliebter bruder ſo vielmehr fleiß und ſorgfalt anwende/ ſeine predigten ſo deutlich und einfaͤltig zu halten/ als es ſeiner gemeinde nothdurfft und be- grieff mit ſich bringet und erfordert/ hingegen ſich alles deſſen zu entſchlagen/ was nicht der hoͤchſten nothwendigkeit iſt/ ob es auch bey andern gemeinden/ da man mehr und mehrerer art gelegenheit hat/ nuͤtzlich ſeyn moͤchte. Seine predigten werden von nichts anders zu handeln haben/ als daß die zuhoͤrer GOtt ihren Heyland und die ordnung der ſeligkeit/ nehmlich ſo wol dero guͤter und ſchaͤtze/ welche den glaubigen zukommen/ als ihre pflichten/ einfaͤltig verſtehen lernen/ daher man/ daß einerley in den meiſten predigten immer vorkomme/ ſich nicht verdrieſſen laſſen darff. Darauff iſt aber ſonderlich zu ſehen/ daß die vermahnungen beweglich/ und die beſtraffungen auch durch- tringend/ aber beyde alſo abgefaſſet ſeyn/ daß die zuhoͤrer ſelbſt ſehen/ daß ſie aus wehmuth des hertzens und erbarmender liebe ausgegoſſen werden/ und ja weder einige bitterkeit gegen ſie/ noch begierde uͤber ſie zu herſchen/ darunter ſtecke: damit aus der uͤberzeugung/ aus waſerley hertzen alles komme/ alle wort einen viel tieffern eintruck in dieſelbe erlangen. Welche gnade und krafft auch bey jeglicher predigt von dem Herrn erbeten werden muß. 2. da derſelbe wegen der mehrern doͤrffer mit jeden abſonderlich zuhandeln unmuͤg- lich vermag/ ſo wird er wohl thun/ wann er/ was bißher geſchehen/ in ſeinem dorff/ ſo offt ſolches der leute wegen geſchehen kan/ in der ſchul alte und jun- ge zuſammen kommen laͤſſet/ und mit denſelben ſo viel ihrer ſich einſtellen/ nach vermoͤgen zu ihrer erbauung handelt/ auch gelegenheit ſuchet/ dann und wann etwas dergleichen in andern doͤrffern zu tentiren/ und zuſehen/ wie weit mans damit bringen koͤnne 3. was die ſchulen anlangt/ da doͤrffte auch ſo viel

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 706. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/722>, abgerufen am 22.11.2024.