Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.Das andere Capitel. Solte nun meinem werthesten Herrn zu seiner zeit dergleichen auch bevorste-hen/ so gedencke er/ es begegne ihm nichts frembdes/ und wolle sich auch dar- über nicht ärgern. Nunmehr auf die vorgelegte fragen zu antworten/ kan ich die erste deßwegen wol übergehen/ weil ich von denen hohen anfechtungen/ sonderlich GOttes lästerlicher gedancken/ in Franckfurt etzliche predigten ge- halten/ die auch in kleinem format gedruckt sind/ und davor die göttliche güte demüthigst preise/ unterschiedlichen gottseligen hertzen zu ihrer erbauung und trost/ ob sie wol aufs einfältigste geschrieben sind/ gedienet haben. Weil nun alles/ was zu stärckung schreiben könte in denselbigen beysammen zu finden/ wird nicht nöthig seyn/ ihm dasselbe zu widerholen/ sondern füglicher seyn es in solchen predigten selbst zu lesen. Was aber die andre frage anlangt/ ob in diesen verdorbenen zeiten evange-
Das andere Capitel. Solte nun meinem wertheſten Herrn zu ſeiner zeit dergleichen auch bevorſte-hen/ ſo gedencke er/ es begegne ihm nichts frembdes/ und wolle ſich auch dar- uͤber nicht aͤrgern. Nunmehr auf die vorgelegte fragen zu antworten/ kan ich die erſte deßwegen wol uͤbergehen/ weil ich von denen hohen anfechtungen/ ſonderlich GOttes laͤſterlicher gedancken/ in Franckfurt etzliche predigten ge- halten/ die auch in kleinem format gedruckt ſind/ und davor die goͤttliche guͤte demuͤthigſt preiſe/ unterſchiedlichen gottſeligen hertzen zu ihrer erbauung und troſt/ ob ſie wol aufs einfaͤltigſte geſchrieben ſind/ gedienet haben. Weil nun alles/ was zu ſtaͤrckung ſchreiben koͤnte in denſelbigen beyſammen zu finden/ wird nicht noͤthig ſeyn/ ihm daſſelbe zu widerholen/ ſondern fuͤglicher ſeyn es in ſolchen predigten ſelbſt zu leſen. Was aber die andre frage anlangt/ ob in dieſen verdorbenen zeiten evange-
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Das andere Capitel.
Solte nun meinem wertheſten Herrn zu ſeiner zeit dergleichen auch bevorſte-
hen/ ſo gedencke er/ es begegne ihm nichts frembdes/ und wolle ſich auch dar-
uͤber nicht aͤrgern. Nunmehr auf die vorgelegte fragen zu antworten/ kan ich
die erſte deßwegen wol uͤbergehen/ weil ich von denen hohen anfechtungen/
ſonderlich GOttes laͤſterlicher gedancken/ in Franckfurt etzliche predigten ge-
halten/ die auch in kleinem format gedruckt ſind/ und davor die goͤttliche guͤte
demuͤthigſt preiſe/ unterſchiedlichen gottſeligen hertzen zu ihrer erbauung und
troſt/ ob ſie wol aufs einfaͤltigſte geſchrieben ſind/ gedienet haben. Weil nun
alles/ was zu ſtaͤrckung ſchreiben koͤnte in denſelbigen beyſammen zu finden/
wird nicht noͤthig ſeyn/ ihm daſſelbe zu widerholen/ ſondern fuͤglicher ſeyn es in
ſolchen predigten ſelbſt zu leſen.
Was aber die andre frage anlangt/ ob in dieſen verdorbenen zeiten
kein prediger mehr das evangelium/ ſondern allein das geſetz predi-
gen ſolte? wuͤſte ich dem jenigen durch aus nicht beyzupflichten/ der ſolches be-
haupten wolte. Wie mir denn Hr. N. ſonſten nicht unbekant/ als der in ſeiner
ſache nicht wenig beſchaͤfftiget geweſen/ und nicht alle ſeine hypotheſes habe
billigen koͤnnen/ insgemein aber ſeinen eyffer und gute meynung geliebet/ ſo
kan ich mir kaum einbilden/ daß er dergleichen uñ ſo crude von ſich geſchrieben
haben ſolle/ ſondern hoffe vielmehr/ daß wo man ſeine wort recht anſehen ſolle/
ſie vielleicht etwas eine andre meynung haben moͤchten. Dem ſeye aber wie
ihm wolle/ und von der ſache ſelbs zu reden 1. halte ich/ daß wir predi-
ger von Chriſto hauptſaͤchlich zu der predigt des evangelii verordnet ſeyen/
wenn nicht nur unſer Heyland Marc. 16/ 15. ausdruͤcklich das evange-
lium zu predigen/ ſeine juͤnger ausgeſandt/ ſondern der zweck unſers
amts ſolches nothwendig mit ſich bringet: dann dieſer iſt je die leute zur ſe-
ligkeit zufuͤhren/ da aber bekantlich uns kein geſetz gegeben iſt/ das da koͤn-
te lebendig und ſelig machen. Gal. 3. ſondern das evangelium von
Chriſto iſt allein eine krafft GOttes ſelig zumachen Rom. 1/ 16. die
predigt von dem glauben allein iſt die jenige dadurch wir den heil. Geiſt
empfangen Gal. 3/ 2. ohne welche niemand ſelig wird. Wer uns alſo die pre-
digt des evangelii nehmen wolte/ der wuͤrde damit unſerm gantzen amte ſeine
vornehmſte krafft benehmen/ welches ich von keinem nur etwas goͤttlichẽ worts
kuͤndigen mann gedencken kan. 2. indeſſen leugne ich nicht/ daß das geſetz auch
zu treiben ſeye/ als das jenige ſo die hertzen zu der frucht des evangelii bereiten/
und das erſte ſtuͤck der buß ausrichten muß/ den menſchen zu erkaͤntnuͤs und
reue uͤber ſeine ſuͤnde zubringen/ damit er zu dem andern theil/ der aus dem
evange-
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