Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.Das erste Capitel. sich gewahr wird/ nicht allein GOtt darvor zu dancken/ sondern so bald zutrachten/ daß er einige frucht derselben in seinem leben bringen möge/ denn dieses ist der weg/ auff dem ihm GOtt immer noch mehr von seiner wahrheit offenbahren wird/ weil er vor die erste offenbahrung ihm gleich danckbar worden ist. Darmit wird erfüllet/ was da stehet Matth. 25/ 29. Wer da hat/ dem wird gegeben/ und wird die fülle haben. §. XXV. Wo nun der grund in buß und glauben geleget ist/ da muß §. XXVI. Weilen aber auch allen bekannt/ daß leider die Christenheit sich
Das erſte Capitel. ſich gewahr wird/ nicht allein GOtt darvor zu dancken/ ſondern ſo bald zutrachten/ daß er einige frucht derſelben in ſeinem leben bringen moͤge/ denn dieſes iſt der weg/ auff dem ihm GOtt immer noch mehr von ſeiner wahrheit offenbahren wird/ weil er vor die erſte offenbahrung ihm gleich danckbar worden iſt. Darmit wird erfuͤllet/ was da ſtehet Matth. 25/ 29. Wer da hat/ dem wird gegeben/ und wird die fuͤlle haben. §. XXV. Wo nun der grund in buß und glauben geleget iſt/ da muß §. XXVI. Weilen aber auch allen bekannt/ daß leider die Chriſtenheit ſich
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Das erſte Capitel.
ſich gewahr wird/ nicht allein GOtt darvor zu dancken/ ſondern ſo bald zu
trachten/ daß er einige frucht derſelben in ſeinem leben bringen moͤge/ denn
dieſes iſt der weg/ auff dem ihm GOtt immer noch mehr von ſeiner wahrheit
offenbahren wird/ weil er vor die erſte offenbahrung ihm gleich danckbar
worden iſt. Darmit wird erfuͤllet/ was da ſtehet Matth. 25/ 29. Wer da
hat/ dem wird gegeben/ und wird die fuͤlle haben.
§. XXV. Wo nun der grund in buß und glauben geleget iſt/ da muß
auch dero frucht der neue gehorſam folgen. Darvon ich einem ſolchen wie-
dergeruffenen menſchen folgende regeln vorſchreiben wollte 1. daß er in dem
fleiß in dem glauben ſich zu befeſtigen nicht muͤde werden ſolle/ biß ſein hertz
der goͤttlichen wahrheit vollig uͤberzeuget/ und allem zweiffel abgeholffen
worden iſt/ ja auch alsdann nicht/ in dem der auch feſteſte glaube noch ſeiner
ſtaͤrckung und erhaltung bedarff/ und welcher ſeines fleiſches und der ver-
nunfft betrug/ daraus er ſo lang in der gottloſigkeit geblieben/ kennen ge-
lernet/ ſich immer von denſelben verſehen muß/ daß ſie bey jeder gelegenheit
ihm widerum zweiffel beyzubringen ſich unternehmen werden: Daher er ſo
viel ſein maaß der gnaden zugibet/ nicht mit den bloßen einfaͤltigen grund-
lehren/ die ſonſten zur ſeligkeit an ſich genug ſind/ zufrieden bleiben/ ſon-
dern ſich dahin bearbeiten ſolle/ dasjenige auch verſtehen zu lernen/ wor-
aus die wider aufſteigende zweiffel am kraͤfftigſten beantwortet werden koͤn-
nen/ um ſich auff kuͤnfftige kaͤmpffe bey zeiten zu bereiten.
§. XXVI. Weilen aber auch allen bekannt/ daß leider die Chriſtenheit
durch unterſchied der lehre/ da doch in allen ſtuͤcken nur eine die wahrheit ſeyn
kan/ in verſchiedene theil getrennet worden/ deren jeder den andern ſolche irr-
thume beſchuldiget/ die mit dem grunde des glaubens nicht ſtehen koͤnnen: ſo
hat 2. ein ſolcher/ der erſt zu einem chriſtlichen glauben gefuͤhret wird/ weil
er ſich doch zu einem gewiſſen hauffen halten muß/ wol zu zuſehen/ zu der
gleichen einer kirchen ſich zu verfuͤgen/ bey dero er die jenige lehr hoͤren/ und
darmit unterhalten werden kan/ die allein von Chriſto das ihrige herhat/
und von ihren gliedern nichts anders geglaubet zu werden verlangt/ als
was Chriſtus und ſeine Apoſtel gelehret haben/ auch ihme keine andre geſetze
vorſchreibet/ als die der HErr gegeben hat. Alſo mags nicht genug ſeyn/
bloß bey der religion/ darinn man gebohren/ oder in ſeiner blindheit aus
fleiſchlichen urſachen ſich begeben hat/ ohne unterſuchung bleiben wollen/
ſondern es iſt noͤthig/ die ſo genante religionen nach dem maaß/ das jedem
bey wohnet mit einander zuvergleichen/ und zu pruͤfen/ in welcher die goͤtt-
liche wahrheit in der lehr am reinſten zu finden/ und alsdenn ſich zu derſel-
ben zu verfuͤgen: Es muß aber auch ſolche pruͤffung und nachmal entſchluß
geſchehen lauterlich nach dem zeugnuͤß des gewiſſens ohne die geringſte ab-
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