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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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miß-stand/ der billig geändert werden solte: So vielmehr weil gemei-
niglich die ursach sündlich ist/ da man solche art aus einem pacht wehlet.
Wo ich auch zurath gezogen werde/ würde ich ausser sonderbahrer ursache
dazu nicht rathen. Jndessen 2. sind sie an sich selbst gleichwohl nicht sünd-
lich/ ja können zuweilen etwa solche ursachen seyn/ daraus man sie nicht mißra-
then könte: Wie denn einige zuweilen auch aus noth dazu gebracht werden.
3. Die eusserliche anstalten wegen der leich-begängnüssen sind nicht eigenlich
solche dinge/ so vor das Ministerium gehören/ noch von dessen disposition de-
pendi
ren/ anders als daß dessen glieder mit rath billig zeigen/ was auch in sol-
cher sache das beste und erbaulichste seye/ und darzu die leute zu überreden su-
chen: Jm übrigen stehen jene theils in der freyheit/ theils unter jedes orts ge-
setzen/ ordnungen und herkommen. 4. Wo nun eine obrigkeit eine ordnung
machet/ oder eine eingeführte gewohnheit autorisiret/ kan niemand derselben/
so sie in ihrer natur ohne sünde ist/ sich zugebrauchen eigenlich verwehret wer-
den. Hingegen 5. wo eines orts die gewohnheit ist/ daß der prediger bey ei-
ner leichbegängnüß gegenwart als ein nöthiges stück der ehre des verstor be-
nen/ hingegen dero ausbleiben schimpfflich geachtet wird/ wolte ich nicht
zweiffeln/ daß die obrigkeit in einer solchen sache/ so mit in das policey-wesen
einlauffet/ macht habe/ aus guten ursachen zuerfodern/ daß das Ministerium
die sonsten von ihnen zu leisten gewöhnliche ehren-bezeigung denen jenigen
nicht entziehe/ die sich der freyheit in solcher anstalt gebrauchen/ welche ihnen
von den obern gegönnet ist. Jn solchem fall 6. hielte davor/ daß wir/ wie in
andern stücken/ welche an sich nicht sündlich sind/ der obrigkeit zu gehorsamen
schuldig seyen/ und mit sothanem gehorsam andern zum exempel uns darstel-
len sollen. Dabey man 7. nicht davor zu sorgen hat/ daß man damit seine pre-
digten selbst refutire/ oder sich der dabey vorgehenden sünden theilhafftig ma-
che: Denn was jenes anlangt/ werden die predigten selbst dahin gehen/ nicht
daß solche begräbnüssen sündlich sondern mißständig seyen/ daher man sie nicht
verbeut/ sondern mißrathet; Hingegen mag ich wohl einer sache/ die nicht in
meiner freyheit stehet/ mich bequemen/ die ich nichts destoweniger lieber zu un-
terlassen riethe: Das andere betreffend/ hat der jenige an der sünde kein
theil/ welche einer an sich nicht bösen sache anklebet/ welcher an der sünde selbst
weder gefallen hat/ noch dieselbige verursachet: Also kommet die sünde des
prachts/ aus dem etwa solche anstalten geschehen/ nicht auff den/ welcher die
leiche aus tüchtigen ursachen begleitet/ sondern bleibet auff dem jenigen ligen/
der die anstalten macht. Bey dieser beschaffenheit/ wo ich rathen solte/ würde
ich meinen werthen Herrn und brüdern am liebsten rathen/ da dieselbe an die
Chur-Fürstl. regierung antworten wollen/ daß sie vornehmlich sich entschul-
digen/ was sie bisher gethan/ und sonderlich die antecessores vor dem ge-
schlossen hätten/ daß sie nemlich solche leichen/ so noch keine autorität von den

obern

Das andere Capitel.
miß-ſtand/ der billig geaͤndert werden ſolte: So vielmehr weil gemei-
niglich die urſach ſuͤndlich iſt/ da man ſolche art aus einem pacht wehlet.
Wo ich auch zurath gezogen werde/ wuͤrde ich auſſer ſonderbahrer urſache
dazu nicht rathen. Jndeſſen 2. ſind ſie an ſich ſelbſt gleichwohl nicht ſuͤnd-
lich/ ja koͤñen zuweilen etwa ſolche urſachen ſeyn/ daraus man ſie nicht mißra-
then koͤnte: Wie deñ einige zuweilen auch aus noth dazu gebracht werden.
3. Die euſſerliche anſtalten wegen der leich-begaͤngnuͤſſen ſind nicht eigenlich
ſolche dinge/ ſo vor das Miniſterium gehoͤren/ noch von deſſen diſpoſition de-
pendi
ren/ anders als daß deſſen glieder mit rath billig zeigen/ was auch in ſol-
cher ſache das beſte und erbaulichſte ſeye/ und darzu die leute zu uͤberreden ſu-
chen: Jm uͤbrigen ſtehen jene theils in der freyheit/ theils unter jedes orts ge-
ſetzen/ ordnungen und herkommen. 4. Wo nun eine obrigkeit eine ordnung
machet/ oder eine eingefuͤhrte gewohnheit autoriſiret/ kan niemand derſelben/
ſo ſie in ihrer natur ohne ſuͤnde iſt/ ſich zugebrauchen eigenlich verwehret wer-
den. Hingegen 5. wo eines orts die gewohnheit iſt/ daß der prediger bey ei-
ner leichbegaͤngnuͤß gegenwart als ein noͤthiges ſtuͤck der ehre des verſtor be-
nen/ hingegen dero ausbleiben ſchimpfflich geachtet wird/ wolte ich nicht
zweiffeln/ daß die obrigkeit in einer ſolchen ſache/ ſo mit in das policey-weſen
einlauffet/ macht habe/ aus guten urſachen zuerfodern/ daß das Miniſterium
die ſonſten von ihnen zu leiſten gewoͤhnliche ehren-bezeigung denen jenigen
nicht entziehe/ die ſich der freyheit in ſolcher anſtalt gebrauchen/ welche ihnen
von den obern gegoͤnnet iſt. Jn ſolchem fall 6. hielte davor/ daß wir/ wie in
andern ſtuͤcken/ welche an ſich nicht ſuͤndlich ſind/ der obrigkeit zu gehorſamen
ſchuldig ſeyen/ und mit ſothanem gehorſam andern zum exempel uns darſtel-
len ſollen. Dabey man 7. nicht davor zu ſorgen hat/ daß man damit ſeine pre-
digten ſelbſt refutire/ oder ſich der dabey vorgehenden ſuͤnden theilhafftig ma-
che: Denn was jenes anlangt/ werden die predigten ſelbſt dahin gehen/ nicht
daß ſolche begraͤbnuͤſſen ſuͤndlich ſondern mißſtaͤndig ſeyen/ daher man ſie nicht
verbeut/ ſondern mißrathet; Hingegen mag ich wohl einer ſache/ die nicht in
meiner freyheit ſtehet/ mich bequemen/ die ich nichts deſtoweniger lieber zu un-
terlaſſen riethe: Das andere betreffend/ hat der jenige an der ſuͤnde kein
theil/ welche einer an ſich nicht boͤſen ſache anklebet/ welcher an der ſuͤnde ſelbſt
weder gefallen hat/ noch dieſelbige verurſachet: Alſo kommet die ſuͤnde des
prachts/ aus dem etwa ſolche anſtalten geſchehen/ nicht auff den/ welcher die
leiche aus tuͤchtigen urſachen begleitet/ ſondern bleibet auff dem jenigen ligen/
der die anſtalten macht. Bey dieſer beſchaffenheit/ wo ich rathen ſolte/ wuͤrde
ich meinen werthen Herrn und bruͤdern am liebſten rathen/ da dieſelbe an die
Chur-Fuͤrſtl. regierung antworten wollen/ daß ſie vornehmlich ſich entſchul-
digen/ was ſie bisher gethan/ und ſonderlich die anteceſſores vor dem ge-
ſchloſſen haͤtten/ daß ſie nemlich ſolche leichen/ ſo noch keine autoritaͤt von den

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[772/0788] Das andere Capitel. miß-ſtand/ der billig geaͤndert werden ſolte: So vielmehr weil gemei- niglich die urſach ſuͤndlich iſt/ da man ſolche art aus einem pacht wehlet. Wo ich auch zurath gezogen werde/ wuͤrde ich auſſer ſonderbahrer urſache dazu nicht rathen. Jndeſſen 2. ſind ſie an ſich ſelbſt gleichwohl nicht ſuͤnd- lich/ ja koͤñen zuweilen etwa ſolche urſachen ſeyn/ daraus man ſie nicht mißra- then koͤnte: Wie deñ einige zuweilen auch aus noth dazu gebracht werden. 3. Die euſſerliche anſtalten wegen der leich-begaͤngnuͤſſen ſind nicht eigenlich ſolche dinge/ ſo vor das Miniſterium gehoͤren/ noch von deſſen diſpoſition de- pendiren/ anders als daß deſſen glieder mit rath billig zeigen/ was auch in ſol- cher ſache das beſte und erbaulichſte ſeye/ und darzu die leute zu uͤberreden ſu- chen: Jm uͤbrigen ſtehen jene theils in der freyheit/ theils unter jedes orts ge- ſetzen/ ordnungen und herkommen. 4. Wo nun eine obrigkeit eine ordnung machet/ oder eine eingefuͤhrte gewohnheit autoriſiret/ kan niemand derſelben/ ſo ſie in ihrer natur ohne ſuͤnde iſt/ ſich zugebrauchen eigenlich verwehret wer- den. Hingegen 5. wo eines orts die gewohnheit iſt/ daß der prediger bey ei- ner leichbegaͤngnuͤß gegenwart als ein noͤthiges ſtuͤck der ehre des verſtor be- nen/ hingegen dero ausbleiben ſchimpfflich geachtet wird/ wolte ich nicht zweiffeln/ daß die obrigkeit in einer ſolchen ſache/ ſo mit in das policey-weſen einlauffet/ macht habe/ aus guten urſachen zuerfodern/ daß das Miniſterium die ſonſten von ihnen zu leiſten gewoͤhnliche ehren-bezeigung denen jenigen nicht entziehe/ die ſich der freyheit in ſolcher anſtalt gebrauchen/ welche ihnen von den obern gegoͤnnet iſt. Jn ſolchem fall 6. hielte davor/ daß wir/ wie in andern ſtuͤcken/ welche an ſich nicht ſuͤndlich ſind/ der obrigkeit zu gehorſamen ſchuldig ſeyen/ und mit ſothanem gehorſam andern zum exempel uns darſtel- len ſollen. Dabey man 7. nicht davor zu ſorgen hat/ daß man damit ſeine pre- digten ſelbſt refutire/ oder ſich der dabey vorgehenden ſuͤnden theilhafftig ma- che: Denn was jenes anlangt/ werden die predigten ſelbſt dahin gehen/ nicht daß ſolche begraͤbnuͤſſen ſuͤndlich ſondern mißſtaͤndig ſeyen/ daher man ſie nicht verbeut/ ſondern mißrathet; Hingegen mag ich wohl einer ſache/ die nicht in meiner freyheit ſtehet/ mich bequemen/ die ich nichts deſtoweniger lieber zu un- terlaſſen riethe: Das andere betreffend/ hat der jenige an der ſuͤnde kein theil/ welche einer an ſich nicht boͤſen ſache anklebet/ welcher an der ſuͤnde ſelbſt weder gefallen hat/ noch dieſelbige verurſachet: Alſo kommet die ſuͤnde des prachts/ aus dem etwa ſolche anſtalten geſchehen/ nicht auff den/ welcher die leiche aus tuͤchtigen urſachen begleitet/ ſondern bleibet auff dem jenigen ligen/ der die anſtalten macht. Bey dieſer beſchaffenheit/ wo ich rathen ſolte/ wuͤrde ich meinen werthen Herrn und bruͤdern am liebſten rathen/ da dieſelbe an die Chur-Fuͤrſtl. regierung antworten wollen/ daß ſie vornehmlich ſich entſchul- digen/ was ſie bisher gethan/ und ſonderlich die anteceſſores vor dem ge- ſchloſſen haͤtten/ daß ſie nemlich ſolche leichen/ ſo noch keine autoritaͤt von den obern

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 772. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/788>, abgerufen am 22.11.2024.