Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.Das andere Capitel. solchem amt auch dieses mittel seiner besserung nicht entzogen werde. Jn dem4. der bestraffung unterworffen zu seyn/ nicht vor eine straff oder last/ son- dern wohlthat/ darvor man Gott dancken solle/ zuachten ist. Daher 5. predi- ger sichvielmehr dessen freuen als beschwehren sollen/ daß GOtt auch an ih- nen/ die er zu anderer erbauung verordnet/ zu ihrem besten hinwider arbei- ten lässet. Wie ich weiß/ daß Christliche prediger sich hingegen darüber be- trübet/ daß niemand ihnen etwas sage/ da doch ohne zweiffel sie auch dergl. an sich haben würden/ was der besserung bedörffte/ und sie wo es ihnen ange- zeigt/ gern folgen wolten. Und zwahr 6. kommet solches recht zu nicht allein ihren collegen, sonderlich beichtvätern/ sondern auch andern verständigen Christen und gliedern der gemeinden/ die sich entweder an ihnen ärgern/ oder dergleichen dinge wahrnehmen/ die ärgernüß geben möchten. 7. Es ist auch dem straffamt unterworffen nicht allein ihre person selbs und übriges leben/ sondern auch ihre amts-verrichtungen. 8. Daher wer behaupten wolte/ daß die prediger hiervon frey seyn/ oder sich aus solcher ursach darüber beschwehr- te/ verriethe sich hiemit/ daß er weder sein amt noch sein eigen bestes oder auch der kirchen wohlfahrt verstehe; dergleichen doch unter uns niemand seyn sol- te. 2. Was absonderlich anlangt den prediger/ der sich über die bestraffung beschwehret. 1. Jst solche beschwehrde so viel unverantwortlicher/ da jene von dem beicht-vater geschehen/ und also nicht eine eigentliche brüderliche bestraf- fung/ sondern eine amts-bestraffung gewesen/ dero sich ohne das niemand zu entziehen befugt ist/ so gar daß/ wo prediger ein öffentliches ärgernüß be- gehen/ nicht allein erlaubt sondern allerdings befohlen ist/ daß sie nemlich von den übrigen mittältesten/ auch so gar öffentlich bestrafft werden sollen. (Wohin die meisten lehrer den ort 1. Tim. 5/ 19. 20. verstehen.) Schützet nun einen sündigenden prediger sein amt nicht davor/ daß seiner mit offentlicher bestraffung/ die ihn in gewisser maaß in einen schimpff setzet/ geschohnet werden müßte/ so hebet es so vielweniger das recht des beicht-vaters auff/ aus dem er allein zur besserung und die wahre buß zubefordern/ seinem beichtsohn der sich verschuldet/ seine sünde vorhält/ dar- von niemand nichts kund wird/ ja der beicht-vater sein amt nicht ohne ver- antwortung unterliesse. 2. Wann aber der prediger der gesündiget hat/ sich über eine solche zu seinem heil gemeinte bestraffung beschwehret und dawi- der setzet/ ist solches beginnen nicht wohl geringer als seine vorige sünde selbs/ indem es eine boßhafftige widersetzung ist gegen dasjenige/ was er von sei- nem beichtvater als von GOtt in dessen nahmen ihm zugesprochen worden/ wofern er des bezüchtigten schuldig/ auffzunehmen und gehorsam den erinne- rungen zuthun verbunden gewesen wäre. 3. Ja wo er sich auch in der sache/ die ihm vorgehalten worden/ unschuldig geachtet hätte/ hätte er mit sanfft- muth sich verantworten und seine unschuld zeigen/ nicht aber sich über den/ der
Das andere Capitel. ſolchem amt auch dieſes mittel ſeiner beſſerung nicht entzogen werde. Jn dem4. der beſtraffung unterworffen zu ſeyn/ nicht vor eine ſtraff oder laſt/ ſon- dern wohlthat/ darvor man Gott dancken ſolle/ zuachten iſt. Daher 5. predi- ger ſichvielmehr deſſen freuen als beſchwehren ſollen/ daß GOtt auch an ih- nen/ die er zu anderer erbauung verordnet/ zu ihrem beſten hinwider arbei- ten laͤſſet. Wie ich weiß/ daß Chriſtliche prediger ſich hingegen daruͤber be- truͤbet/ daß niemand ihnen etwas ſage/ da doch ohne zweiffel ſie auch dergl. an ſich haben wuͤrden/ was der beſſerung bedoͤrffte/ und ſie wo es ihnen ange- zeigt/ gern folgen wolten. Und zwahr 6. kommet ſolches recht zu nicht allein ihren collegen, ſonderlich beichtvaͤtern/ ſondern auch andern verſtaͤndigen Chriſten und gliedern der gemeinden/ die ſich entweder an ihnen aͤrgern/ oder dergleichen dinge wahrnehmen/ die aͤrgernuͤß geben moͤchten. 7. Es iſt auch dem ſtraffamt unterworffen nicht allein ihre perſon ſelbs und uͤbriges leben/ ſondern auch ihre amts-verrichtungen. 8. Daher wer behaupten wolte/ daß die prediger hiervon frey ſeyn/ oder ſich aus ſolcher urſach daruͤber beſchwehr- te/ verriethe ſich hiemit/ daß er weder ſein amt noch ſein eigen beſtes oder auch der kirchen wohlfahrt verſtehe; dergleichen doch unter uns niemand ſeyn ſol- te. 2. Was abſonderlich anlangt den prediger/ der ſich uͤber die beſtraffung beſchwehret. 1. Jſt ſolche beſchwehrde ſo viel unverantwortlicher/ da jene von dem beicht-vater geſchehen/ und alſo nicht eine eigentliche bruͤderliche beſtraf- fung/ ſondern eine amts-beſtraffung geweſen/ dero ſich ohne das niemand zu entziehen befugt iſt/ ſo gar daß/ wo prediger ein oͤffentliches aͤrgernuͤß be- gehen/ nicht allein erlaubt ſondern allerdings befohlen iſt/ daß ſie nemlich von den uͤbrigen mittaͤlteſten/ auch ſo gar oͤffentlich beſtrafft werden ſollen. (Wohin die meiſten lehrer den ort 1. Tim. 5/ 19. 20. verſtehen.) Schuͤtzet nun einen ſuͤndigenden prediger ſein amt nicht davor/ daß ſeiner mit offentlicher beſtraffung/ die ihn in gewiſſer maaß in einen ſchimpff ſetzet/ geſchohnet werden muͤßte/ ſo hebet es ſo vielweniger das recht des beicht-vaters auff/ aus dem er allein zur beſſerung und die wahre buß zubefordern/ ſeinem beichtſohn der ſich verſchuldet/ ſeine ſuͤnde vorhaͤlt/ dar- von niemand nichts kund wird/ ja der beicht-vater ſein amt nicht ohne ver- antwortung unterlieſſe. 2. Wann aber der prediger der geſuͤndiget hat/ ſich uͤber eine ſolche zu ſeinem heil gemeinte beſtraffung beſchwehret und dawi- der ſetzet/ iſt ſolches beginnen nicht wohl geringer als ſeine vorige ſuͤnde ſelbs/ indem es eine boßhafftige widerſetzung iſt gegen dasjenige/ was er von ſei- nem beichtvater als von GOtt in deſſen nahmen ihm zugeſprochen worden/ wofern er des bezuͤchtigten ſchuldig/ auffzunehmen und gehorſam den erinne- rungen zuthun verbunden geweſen waͤre. 3. Ja wo er ſich auch in der ſache/ die ihm vorgehalten worden/ unſchuldig geachtet haͤtte/ haͤtte er mit ſanfft- muth ſich verantworten und ſeine unſchuld zeigen/ nicht aber ſich uͤber den/ der
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0790" n="774"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das andere Capitel.</hi></fw><lb/> ſolchem amt auch dieſes mittel ſeiner beſſerung nicht entzogen werde. Jn dem<lb/> 4. der beſtraffung unterworffen zu ſeyn/ nicht vor eine ſtraff oder laſt/ ſon-<lb/> dern wohlthat/ darvor man Gott dancken ſolle/ zuachten iſt. Daher 5. predi-<lb/> ger ſichvielmehr deſſen freuen als beſchwehren ſollen/ daß GOtt auch an ih-<lb/> nen/ die er zu anderer erbauung verordnet/ zu ihrem beſten hinwider arbei-<lb/> ten laͤſſet. Wie ich weiß/ daß Chriſtliche prediger ſich hingegen daruͤber be-<lb/> truͤbet/ daß niemand ihnen etwas ſage/ da doch ohne zweiffel ſie auch dergl.<lb/> an ſich haben wuͤrden/ was der beſſerung bedoͤrffte/ und ſie wo es ihnen ange-<lb/> zeigt/ gern folgen wolten. Und zwahr 6. kommet ſolches recht zu nicht allein<lb/> ihren <hi rendition="#aq">collegen,</hi> ſonderlich beichtvaͤtern/ ſondern auch andern verſtaͤndigen<lb/> Chriſten und gliedern der gemeinden/ die ſich entweder an ihnen aͤrgern/ oder<lb/> dergleichen dinge wahrnehmen/ die aͤrgernuͤß geben moͤchten. 7. Es iſt auch<lb/> dem ſtraffamt unterworffen nicht allein ihre perſon ſelbs und uͤbriges leben/<lb/> ſondern auch ihre amts-verrichtungen. 8. Daher wer behaupten wolte/ daß<lb/> die prediger hiervon frey ſeyn/ oder ſich aus ſolcher urſach daruͤber beſchwehr-<lb/> te/ verriethe ſich hiemit/ daß er weder ſein amt noch ſein eigen beſtes oder auch<lb/> der kirchen wohlfahrt verſtehe; dergleichen doch unter uns niemand ſeyn ſol-<lb/> te. 2. Was abſonderlich anlangt den prediger/ der ſich uͤber die beſtraffung<lb/> beſchwehret. 1. Jſt ſolche beſchwehrde ſo viel unverantwortlicher/ da jene von<lb/> dem beicht-vater geſchehen/ und alſo nicht eine eigentliche bruͤderliche beſtraf-<lb/> fung/ ſondern eine amts-beſtraffung geweſen/ dero ſich ohne das niemand<lb/> zu entziehen befugt iſt/ ſo gar daß/ wo prediger ein oͤffentliches aͤrgernuͤß be-<lb/> gehen/ nicht allein erlaubt ſondern allerdings befohlen iſt/ daß ſie nemlich<lb/> von den uͤbrigen mittaͤlteſten/ auch ſo gar oͤffentlich beſtrafft werden ſollen.<lb/> (Wohin die meiſten lehrer den ort 1. <hi rendition="#fr">Tim.</hi> 5/ 19. 20. verſtehen.) Schuͤtzet nun<lb/> einen ſuͤndigenden prediger ſein amt nicht davor/ daß ſeiner mit<lb/> offentlicher beſtraffung/ die ihn in gewiſſer maaß in einen ſchimpff<lb/> ſetzet/ geſchohnet werden muͤßte/ ſo hebet es ſo vielweniger das recht<lb/> des beicht-vaters auff/ aus dem er allein zur beſſerung und die wahre buß<lb/> zubefordern/ ſeinem beichtſohn der ſich verſchuldet/ ſeine ſuͤnde vorhaͤlt/ dar-<lb/> von niemand nichts kund wird/ ja der beicht-vater ſein amt nicht ohne ver-<lb/> antwortung unterlieſſe. 2. Wann aber der prediger der geſuͤndiget hat/ ſich<lb/> uͤber eine ſolche zu ſeinem heil gemeinte beſtraffung beſchwehret und dawi-<lb/> der ſetzet/ iſt ſolches beginnen nicht wohl geringer als ſeine vorige ſuͤnde ſelbs/<lb/> indem es eine boßhafftige widerſetzung iſt gegen dasjenige/ was er von ſei-<lb/> nem beichtvater als von GOtt in deſſen nahmen ihm zugeſprochen worden/<lb/> wofern er des bezuͤchtigten ſchuldig/ auffzunehmen und gehorſam den erinne-<lb/> rungen zuthun verbunden geweſen waͤre. 3. Ja wo er ſich auch in der ſache/<lb/> die ihm vorgehalten worden/ unſchuldig geachtet haͤtte/ haͤtte er mit ſanfft-<lb/> muth ſich verantworten und ſeine unſchuld zeigen/ nicht aber ſich uͤber den/<lb/> <fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [774/0790]
Das andere Capitel.
ſolchem amt auch dieſes mittel ſeiner beſſerung nicht entzogen werde. Jn dem
4. der beſtraffung unterworffen zu ſeyn/ nicht vor eine ſtraff oder laſt/ ſon-
dern wohlthat/ darvor man Gott dancken ſolle/ zuachten iſt. Daher 5. predi-
ger ſichvielmehr deſſen freuen als beſchwehren ſollen/ daß GOtt auch an ih-
nen/ die er zu anderer erbauung verordnet/ zu ihrem beſten hinwider arbei-
ten laͤſſet. Wie ich weiß/ daß Chriſtliche prediger ſich hingegen daruͤber be-
truͤbet/ daß niemand ihnen etwas ſage/ da doch ohne zweiffel ſie auch dergl.
an ſich haben wuͤrden/ was der beſſerung bedoͤrffte/ und ſie wo es ihnen ange-
zeigt/ gern folgen wolten. Und zwahr 6. kommet ſolches recht zu nicht allein
ihren collegen, ſonderlich beichtvaͤtern/ ſondern auch andern verſtaͤndigen
Chriſten und gliedern der gemeinden/ die ſich entweder an ihnen aͤrgern/ oder
dergleichen dinge wahrnehmen/ die aͤrgernuͤß geben moͤchten. 7. Es iſt auch
dem ſtraffamt unterworffen nicht allein ihre perſon ſelbs und uͤbriges leben/
ſondern auch ihre amts-verrichtungen. 8. Daher wer behaupten wolte/ daß
die prediger hiervon frey ſeyn/ oder ſich aus ſolcher urſach daruͤber beſchwehr-
te/ verriethe ſich hiemit/ daß er weder ſein amt noch ſein eigen beſtes oder auch
der kirchen wohlfahrt verſtehe; dergleichen doch unter uns niemand ſeyn ſol-
te. 2. Was abſonderlich anlangt den prediger/ der ſich uͤber die beſtraffung
beſchwehret. 1. Jſt ſolche beſchwehrde ſo viel unverantwortlicher/ da jene von
dem beicht-vater geſchehen/ und alſo nicht eine eigentliche bruͤderliche beſtraf-
fung/ ſondern eine amts-beſtraffung geweſen/ dero ſich ohne das niemand
zu entziehen befugt iſt/ ſo gar daß/ wo prediger ein oͤffentliches aͤrgernuͤß be-
gehen/ nicht allein erlaubt ſondern allerdings befohlen iſt/ daß ſie nemlich
von den uͤbrigen mittaͤlteſten/ auch ſo gar oͤffentlich beſtrafft werden ſollen.
(Wohin die meiſten lehrer den ort 1. Tim. 5/ 19. 20. verſtehen.) Schuͤtzet nun
einen ſuͤndigenden prediger ſein amt nicht davor/ daß ſeiner mit
offentlicher beſtraffung/ die ihn in gewiſſer maaß in einen ſchimpff
ſetzet/ geſchohnet werden muͤßte/ ſo hebet es ſo vielweniger das recht
des beicht-vaters auff/ aus dem er allein zur beſſerung und die wahre buß
zubefordern/ ſeinem beichtſohn der ſich verſchuldet/ ſeine ſuͤnde vorhaͤlt/ dar-
von niemand nichts kund wird/ ja der beicht-vater ſein amt nicht ohne ver-
antwortung unterlieſſe. 2. Wann aber der prediger der geſuͤndiget hat/ ſich
uͤber eine ſolche zu ſeinem heil gemeinte beſtraffung beſchwehret und dawi-
der ſetzet/ iſt ſolches beginnen nicht wohl geringer als ſeine vorige ſuͤnde ſelbs/
indem es eine boßhafftige widerſetzung iſt gegen dasjenige/ was er von ſei-
nem beichtvater als von GOtt in deſſen nahmen ihm zugeſprochen worden/
wofern er des bezuͤchtigten ſchuldig/ auffzunehmen und gehorſam den erinne-
rungen zuthun verbunden geweſen waͤre. 3. Ja wo er ſich auch in der ſache/
die ihm vorgehalten worden/ unſchuldig geachtet haͤtte/ haͤtte er mit ſanfft-
muth ſich verantworten und ſeine unſchuld zeigen/ nicht aber ſich uͤber den/
der
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |