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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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ARTIC. V. SECTIO I.
der kinder/ und des gnädigen willens GOttes über sie. Sie sind natürlich fleisch
aus fleisch gebohren/ daher wo sie nicht wider von oben/ und geist aus geist/ ge-
bohren werden/ können sie in das reich GOttes nicht kommen. Joh. 3/ 5. 6. und
also nicht seelig werden: hingegen bezeuget Christus/ daß nach seinem willen und
seines vaters rath das reich GOttes den kindern zukomme. Matth. 19/ 14. Marc.
10/ 14. Daher er sie zu sich bringen und kommen lassen heisset/ als zu dem/ von
dem sie ihre seeligkeit herhaben müssen. Daraus die folge mit recht gemacht
wird: wer in solchem zustand stehet/ in welchem er der seeligkeit nicht fähig ist/
GOtt aber ihn seelig zu haben verlangt/ bedarff von jedermann/ der etwas darzu
zu thun vermag/ zu dem genuß solcher seeligkeit befördert zu werden. Dann ob
GOtt wol die menschen ohne mittel zu seiner gnade und der seeligkeit auffnehmen
könte/ hat es doch seiner weißheit und gerechtigkeit gefallen/ eine gewisse ordnung
einzusetzen/ in welcher wir darzu kommen solten/ auch ob er wol von seiner seite al-
lezeit ungebundene hände behält/ uns menschen an dieselbe verbunden/ so wol selbs
dieselbe zugebrauchen/ als auch anderen/ die darzu zugelangen nicht vermöchten/
darzu beförderlich zu seyn. Die mittel aber/ die vorgeschrieben sind/ zu solchem
gnaden-genuß zu gelangen/ sind nun die predigt des Evangelii und die heilige
tauff/ wie auch aus Matth. 28/19. zusehen: Wann aber die kinder natürlich zum
gebrauch des ersten mittels/ nemlich das wort des Evangelii zuvernehmen/ und
daraus unterrichtet zuwerden/ ungeschickt sind/ (daher GOtt von ihnen in dem
reich der gnaden nicht fordert/ worzu er das aus dem reich der natur nöthige nicht
gegeben hat) und also das mittel der tauff/ darvon sie keine natürliche hindernüs
abhält/ übrig bleibet/ erkennen wir/ den willen dessen/ der ihnen die seeligkeit zu-
gedacht/ allerdings dahin zu gehen/ daß wir sie zu diesem mittel befördern/ und
also sie in diesem stück seiner ordnung zu ihm bringen. Wer diese stücke in der
furcht des HErren erweget/ wird leicht finden/ daß die aneinander hängung der
göttlichen ordnung den kindern allerdings den zugang zu der taufföffne.

Darzu 3. noch dieses zusetzen/ daß der göttliche bund mit dem menschen
ordentlich in ihm zugleich mit seinem saamen oder seinen nachkömmlingen gemachet
werde/ wie das exempel Abrahams zeiget/ da es heißt 1. Mos. 17. 7. Also daß
ich dein Gott seye und deines saamens nach dir.
Daher auch Petrus den
schluß machet/ daß die juden auch seiner zeit des bundes kinder seyen/ den Gott
mit den vätern gemacht habe. Ap. gesch. 3/ 25. Deswegen der gnadenbund/ wel-
chen Gott auch mit einem getaufften in dem N. T. (dessen gnaden maaß nichts
geringer seyn kan/ als im Alten Testament gewesen ist/ eher aber reicher und ü-
berflüßiger erkant werden muß) machet/ auch dessen saamen so baldein recht dar-
zu gibet/ daher aller getauffter Christen kinder solches recht zu dem bund/ folglich
aber auch allen dessen mitteln und gebrauch/ davon sie nicht die natur (wie von
der predigt des worts) oder eine deutlich von Gott vorgeschriebene ordnung (wie

die

ARTIC. V. SECTIO I.
der kinder/ und des gnaͤdigen willens GOttes uͤber ſie. Sie ſind natuͤrlich fleiſch
aus fleiſch gebohren/ daher wo ſie nicht wider von oben/ und geiſt aus geiſt/ ge-
bohren werden/ koͤnnen ſie in das reich GOttes nicht kommen. Joh. 3/ 5. 6. und
alſo nicht ſeelig werden: hingegen bezeuget Chriſtus/ daß nach ſeinem willen und
ſeines vaters rath das reich GOttes den kindern zukomme. Matth. 19/ 14. Marc.
10/ 14. Daher er ſie zu ſich bringen und kommen laſſen heiſſet/ als zu dem/ von
dem ſie ihre ſeeligkeit herhaben muͤſſen. Daraus die folge mit recht gemacht
wird: wer in ſolchem zuſtand ſtehet/ in welchem er der ſeeligkeit nicht faͤhig iſt/
GOtt aber ihn ſeelig zu haben verlangt/ bedarff von jedermann/ der etwas darzu
zu thun vermag/ zu dem genuß ſolcher ſeeligkeit befoͤrdert zu werden. Dann ob
GOtt wol die menſchen ohne mittel zu ſeiner gnade und der ſeeligkeit auffnehmen
koͤnte/ hat es doch ſeiner weißheit und gerechtigkeit gefallen/ eine gewiſſe ordnung
einzuſetzen/ in welcher wir darzu kommen ſolten/ auch ob er wol von ſeiner ſeite al-
lezeit ungebundene haͤnde behaͤlt/ uns menſchen an dieſelbe verbunden/ ſo wol ſelbs
dieſelbe zugebrauchen/ als auch anderen/ die darzu zugelangen nicht vermoͤchten/
darzu befoͤrderlich zu ſeyn. Die mittel aber/ die vorgeſchrieben ſind/ zu ſolchem
gnaden-genuß zu gelangen/ ſind nun die predigt des Evangelii und die heilige
tauff/ wie auch aus Matth. 28/19. zuſehen: Wann aber die kinder natuͤrlich zum
gebrauch des erſten mittels/ nemlich das wort des Evangelii zuvernehmen/ und
daraus unterrichtet zuwerden/ ungeſchickt ſind/ (daher GOtt von ihnen in dem
reich der gnaden nicht fordert/ worzu er das aus dem reich der natur noͤthige nicht
gegeben hat) und alſo das mittel der tauff/ darvon ſie keine natuͤrliche hindernuͤs
abhaͤlt/ uͤbrig bleibet/ erkennen wir/ den willen deſſen/ der ihnen die ſeeligkeit zu-
gedacht/ allerdings dahin zu gehen/ daß wir ſie zu dieſem mittel befoͤrdern/ und
alſo ſie in dieſem ſtuͤck ſeiner ordnung zu ihm bringen. Wer dieſe ſtuͤcke in der
furcht des HErren erweget/ wird leicht finden/ daß die aneinander haͤngung der
goͤttlichen ordnung den kindern allerdings den zugang zu der tauffoͤffne.

Darzu 3. noch dieſes zuſetzen/ daß der goͤttliche bund mit dem menſchen
ordentlich in ihm zugleich mit ſeinem ſaamen oder ſeinen nachkoͤm̃lingen gemachet
werde/ wie das exempel Abrahams zeiget/ da es heißt 1. Moſ. 17. 7. Alſo daß
ich dein Gott ſeye und deines ſaamens nach dir.
Daher auch Petrus den
ſchluß machet/ daß die juden auch ſeiner zeit des bundes kinder ſeyen/ den Gott
mit den vaͤtern gemacht habe. Ap. geſch. 3/ 25. Deswegen der gnadenbund/ wel-
chen Gott auch mit einem getaufften in dem N. T. (deſſen gnaden maaß nichts
geringer ſeyn kan/ als im Alten Teſtament geweſen iſt/ eher aber reicher und uͤ-
berfluͤßiger erkant werden muß) machet/ auch deſſen ſaamen ſo baldein recht dar-
zu gibet/ daher aller getauffter Chriſten kinder ſolches recht zu dem bund/ folglich
aber auch allen deſſen mitteln und gebrauch/ davon ſie nicht die natur (wie von
der predigt des worts) oder eine deutlich von Gott vorgeſchriebene ordnung (wie

die
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[127/0927] ARTIC. V. SECTIO I. der kinder/ und des gnaͤdigen willens GOttes uͤber ſie. Sie ſind natuͤrlich fleiſch aus fleiſch gebohren/ daher wo ſie nicht wider von oben/ und geiſt aus geiſt/ ge- bohren werden/ koͤnnen ſie in das reich GOttes nicht kommen. Joh. 3/ 5. 6. und alſo nicht ſeelig werden: hingegen bezeuget Chriſtus/ daß nach ſeinem willen und ſeines vaters rath das reich GOttes den kindern zukomme. Matth. 19/ 14. Marc. 10/ 14. Daher er ſie zu ſich bringen und kommen laſſen heiſſet/ als zu dem/ von dem ſie ihre ſeeligkeit herhaben muͤſſen. Daraus die folge mit recht gemacht wird: wer in ſolchem zuſtand ſtehet/ in welchem er der ſeeligkeit nicht faͤhig iſt/ GOtt aber ihn ſeelig zu haben verlangt/ bedarff von jedermann/ der etwas darzu zu thun vermag/ zu dem genuß ſolcher ſeeligkeit befoͤrdert zu werden. Dann ob GOtt wol die menſchen ohne mittel zu ſeiner gnade und der ſeeligkeit auffnehmen koͤnte/ hat es doch ſeiner weißheit und gerechtigkeit gefallen/ eine gewiſſe ordnung einzuſetzen/ in welcher wir darzu kommen ſolten/ auch ob er wol von ſeiner ſeite al- lezeit ungebundene haͤnde behaͤlt/ uns menſchen an dieſelbe verbunden/ ſo wol ſelbs dieſelbe zugebrauchen/ als auch anderen/ die darzu zugelangen nicht vermoͤchten/ darzu befoͤrderlich zu ſeyn. Die mittel aber/ die vorgeſchrieben ſind/ zu ſolchem gnaden-genuß zu gelangen/ ſind nun die predigt des Evangelii und die heilige tauff/ wie auch aus Matth. 28/19. zuſehen: Wann aber die kinder natuͤrlich zum gebrauch des erſten mittels/ nemlich das wort des Evangelii zuvernehmen/ und daraus unterrichtet zuwerden/ ungeſchickt ſind/ (daher GOtt von ihnen in dem reich der gnaden nicht fordert/ worzu er das aus dem reich der natur noͤthige nicht gegeben hat) und alſo das mittel der tauff/ darvon ſie keine natuͤrliche hindernuͤs abhaͤlt/ uͤbrig bleibet/ erkennen wir/ den willen deſſen/ der ihnen die ſeeligkeit zu- gedacht/ allerdings dahin zu gehen/ daß wir ſie zu dieſem mittel befoͤrdern/ und alſo ſie in dieſem ſtuͤck ſeiner ordnung zu ihm bringen. Wer dieſe ſtuͤcke in der furcht des HErren erweget/ wird leicht finden/ daß die aneinander haͤngung der goͤttlichen ordnung den kindern allerdings den zugang zu der tauffoͤffne. Darzu 3. noch dieſes zuſetzen/ daß der goͤttliche bund mit dem menſchen ordentlich in ihm zugleich mit ſeinem ſaamen oder ſeinen nachkoͤm̃lingen gemachet werde/ wie das exempel Abrahams zeiget/ da es heißt 1. Moſ. 17. 7. Alſo daß ich dein Gott ſeye und deines ſaamens nach dir. Daher auch Petrus den ſchluß machet/ daß die juden auch ſeiner zeit des bundes kinder ſeyen/ den Gott mit den vaͤtern gemacht habe. Ap. geſch. 3/ 25. Deswegen der gnadenbund/ wel- chen Gott auch mit einem getaufften in dem N. T. (deſſen gnaden maaß nichts geringer ſeyn kan/ als im Alten Teſtament geweſen iſt/ eher aber reicher und uͤ- berfluͤßiger erkant werden muß) machet/ auch deſſen ſaamen ſo baldein recht dar- zu gibet/ daher aller getauffter Chriſten kinder ſolches recht zu dem bund/ folglich aber auch allen deſſen mitteln und gebrauch/ davon ſie nicht die natur (wie von der predigt des worts) oder eine deutlich von Gott vorgeſchriebene ordnung (wie die

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/927>, abgerufen am 25.11.2024.