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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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ARTIC. I. SECTIO XXIV.
zumfruchtbahrlichen gebrauch dieses wercks von uns erfordert. Der schluß
ist dieser: keiner ist unwürdig zu dem H. Abendmahl/ als der da ihm seine ei-
gene unwürdigkeit läst lieber seyn/ als GOttes gnade/ die ihn begehret wür
dig zu machen: Und wer da zu dem H. Abendmahl nicht würdig ist/ der ist
auch in solchem stande/ darinn er nicht selig werden kan/ daher er billig sich für-
zusehen hat/ seine seele zu retten: hingegen wer da in dem stande ist/ da er se-
lig werden/ da er beten kan/ da er des trosts des H. Evangelii und der abso-
lution
fähig ist/ der ist auch tüchtig zum H. Abendmahl.

Jst also auch diese entschuldigung nicht erheblich/ und haben/ die damit
angefochten werden/ ihnen billig davon helffen zu lassen.

Die vierdte Frage.
Ob uns von des H. Abendmahls gebrauch entschuldige/ weil wir se-
hen/ daß wir doch immer wiederum nach dem gebrauch desselben/
da wir doch GOtt besserung versprochen haben/ in sünde fallen?

DJeses ist eine neue entschuldigung/ so zwahr in gewisser maaß zu der vor-
hin betrachteten unwürdigkeit auch gezogen werden könte. Sie ist aber
eben von dem ursprunge her/ nemlich wie zum fördersten aus der fleischlichen
vernunfft/ also auch wol von dem heiligen satan/ der abermal unter dem
schein der frömmigkeit/ daß man göttliche ehre nicht entheiligen wolle/ den
menschen suchet um das theure mittel seines heils zu bringen. Deswegen
man auff ihn abermal gar wol acht zu geben hat/ daß man seinen betrug fein
lerne erkennen. Ehe wir aber auff die frage eigentlich antworten/ ist gleichwol
voraus zu setzen/ daß wir dero leichtfertigkeit durchaus nicht billigen/ son-
dern von hertzen verfluchen und verdammlich halten/ welche da entweder nie-
mal den guten vorsatz gehabt haben/ ihr leben zu bessern/ wodurch sie denn
unwürdig zu dem Sacrament gegangen zu seyn/ selbs zeigen; oder aber/ die/
wann es ihnen schon mit dem verspruch etwas ernst gewesen wäre/ gleichwol
wenn die erste andacht kaum vorbey ist/ bald erkalten/ und sich nicht befleißi-
gen/ auch thättlich ihren verspruch der besserung ins werck zu setzen/ sondern
fangens an/ wo sie es vorhin gelassen/ und fahren gerad wieder in den vori-
gen sünden fort. Jndem von diesen auch zu schliessen ist/ daß die buß nicht
recht hertzlich gewesen seye/ weil so gar geschwinde sie wieder zu den sünden
kehren/ die sie vorhin bereuen sollen/ und das ansehen dazu haben haben wollen.
Wie ists aber müglich/ daß man das alsobald wieder ungescheut thue/ was
gerad vorher uns inniglich leid gewesen/ daß mans gethan hat. Jndem al-
so solche leute mit der busse spielen/ so betriegen sie darum GOtt nicht damit/
und haben vor ihm den nahmen der unbußfertigen/ ob sie wol vor der welt/
als die in das hertz nicht sehen kan/ den nahmen der busse/ ob hätten sie sie ge-
than/ erhalten: ja sie werden je länger/ je verhärteter. Vielmehr erfordern

wir
Q 2.

ARTIC. I. SECTIO XXIV.
zumfruchtbahrlichen gebrauch dieſes wercks von uns erfordert. Der ſchluß
iſt dieſer: keiner iſt unwuͤrdig zu dem H. Abendmahl/ als der da ihm ſeine ei-
gene unwuͤrdigkeit laͤſt lieber ſeyn/ als GOttes gnade/ die ihn begehret wuͤr
dig zu machen: Und wer da zu dem H. Abendmahl nicht wuͤrdig iſt/ der iſt
auch in ſolchem ſtande/ dariñ er nicht ſelig werden kan/ daher er billig ſich fuͤr-
zuſehen hat/ ſeine ſeele zu retten: hingegen wer da in dem ſtande iſt/ da er ſe-
lig werden/ da er beten kan/ da er des troſts des H. Evangelii und der abſo-
lution
faͤhig iſt/ der iſt auch tuͤchtig zum H. Abendmahl.

Jſt alſo auch dieſe entſchuldigung nicht erheblich/ und haben/ die damit
angefochten werden/ ihnen billig davon helffen zu laſſen.

Die vierdte Frage.
Ob uns von des H. Abendmahls gebrauch entſchuldige/ weil wir ſe-
hen/ daß wir doch immer wiederum nach dem gebrauch deſſelben/
da wir doch GOtt beſſerung verſprochen haben/ in ſuͤnde fallen?

DJeſes iſt eine neue entſchuldigung/ ſo zwahr in gewiſſer maaß zu der vor-
hin betrachteten unwuͤrdigkeit auch gezogen werden koͤnte. Sie iſt aber
eben von dem urſprunge her/ nemlich wie zum foͤrderſten aus der fleiſchlichen
vernunfft/ alſo auch wol von dem heiligen ſatan/ der abermal unter dem
ſchein der froͤmmigkeit/ daß man goͤttliche ehre nicht entheiligen wolle/ den
menſchen ſuchet um das theure mittel ſeines heils zu bringen. Deswegen
man auff ihn abermal gar wol acht zu geben hat/ daß man ſeinen betrug fein
lerne erkennen. Ehe wir aber auff die frage eigentlich antworten/ iſt gleichwol
voraus zu ſetzen/ daß wir dero leichtfertigkeit durchaus nicht billigen/ ſon-
dern von hertzen verfluchen und verdammlich halten/ welche da entweder nie-
mal den guten vorſatz gehabt haben/ ihr leben zu beſſern/ wodurch ſie denn
unwuͤrdig zu dem Sacrament gegangen zu ſeyn/ ſelbs zeigen; oder aber/ die/
wann es ihnen ſchon mit dem verſpruch etwas ernſt geweſen waͤre/ gleichwol
wenn die erſte andacht kaum vorbey iſt/ bald erkalten/ und ſich nicht befleißi-
gen/ auch thaͤttlich ihren verſpruch der beſſerung ins werck zu ſetzen/ ſondern
fangens an/ wo ſie es vorhin gelaſſen/ und fahren gerad wieder in den vori-
gen ſuͤnden fort. Jndem von dieſen auch zu ſchlieſſen iſt/ daß die buß nicht
recht hertzlich geweſen ſeye/ weil ſo gar geſchwinde ſie wieder zu den ſuͤnden
kehren/ die ſie vorhin beꝛeuen ſollen/ uñ das anſehen dazu haben haben wollen.
Wie iſts aber muͤglich/ daß man das alſobald wieder ungeſcheut thue/ was
gerad vorher uns inniglich leid geweſen/ daß mans gethan hat. Jndem al-
ſo ſolche leute mit der buſſe ſpielen/ ſo betriegen ſie darum GOtt nicht damit/
und haben vor ihm den nahmen der unbußfertigen/ ob ſie wol vor der welt/
als die in das hertz nicht ſehen kan/ den nahmen der buſſe/ ob haͤtten ſie ſie ge-
than/ erhalten: ja ſie werden je laͤnger/ je verhaͤrteter. Vielmehr erfordern

wir
Q 2.
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[123/0131] ARTIC. I. SECTIO XXIV. zumfruchtbahrlichen gebrauch dieſes wercks von uns erfordert. Der ſchluß iſt dieſer: keiner iſt unwuͤrdig zu dem H. Abendmahl/ als der da ihm ſeine ei- gene unwuͤrdigkeit laͤſt lieber ſeyn/ als GOttes gnade/ die ihn begehret wuͤr dig zu machen: Und wer da zu dem H. Abendmahl nicht wuͤrdig iſt/ der iſt auch in ſolchem ſtande/ dariñ er nicht ſelig werden kan/ daher er billig ſich fuͤr- zuſehen hat/ ſeine ſeele zu retten: hingegen wer da in dem ſtande iſt/ da er ſe- lig werden/ da er beten kan/ da er des troſts des H. Evangelii und der abſo- lution faͤhig iſt/ der iſt auch tuͤchtig zum H. Abendmahl. Jſt alſo auch dieſe entſchuldigung nicht erheblich/ und haben/ die damit angefochten werden/ ihnen billig davon helffen zu laſſen. Die vierdte Frage. Ob uns von des H. Abendmahls gebrauch entſchuldige/ weil wir ſe- hen/ daß wir doch immer wiederum nach dem gebrauch deſſelben/ da wir doch GOtt beſſerung verſprochen haben/ in ſuͤnde fallen? DJeſes iſt eine neue entſchuldigung/ ſo zwahr in gewiſſer maaß zu der vor- hin betrachteten unwuͤrdigkeit auch gezogen werden koͤnte. Sie iſt aber eben von dem urſprunge her/ nemlich wie zum foͤrderſten aus der fleiſchlichen vernunfft/ alſo auch wol von dem heiligen ſatan/ der abermal unter dem ſchein der froͤmmigkeit/ daß man goͤttliche ehre nicht entheiligen wolle/ den menſchen ſuchet um das theure mittel ſeines heils zu bringen. Deswegen man auff ihn abermal gar wol acht zu geben hat/ daß man ſeinen betrug fein lerne erkennen. Ehe wir aber auff die frage eigentlich antworten/ iſt gleichwol voraus zu ſetzen/ daß wir dero leichtfertigkeit durchaus nicht billigen/ ſon- dern von hertzen verfluchen und verdammlich halten/ welche da entweder nie- mal den guten vorſatz gehabt haben/ ihr leben zu beſſern/ wodurch ſie denn unwuͤrdig zu dem Sacrament gegangen zu ſeyn/ ſelbs zeigen; oder aber/ die/ wann es ihnen ſchon mit dem verſpruch etwas ernſt geweſen waͤre/ gleichwol wenn die erſte andacht kaum vorbey iſt/ bald erkalten/ und ſich nicht befleißi- gen/ auch thaͤttlich ihren verſpruch der beſſerung ins werck zu ſetzen/ ſondern fangens an/ wo ſie es vorhin gelaſſen/ und fahren gerad wieder in den vori- gen ſuͤnden fort. Jndem von dieſen auch zu ſchlieſſen iſt/ daß die buß nicht recht hertzlich geweſen ſeye/ weil ſo gar geſchwinde ſie wieder zu den ſuͤnden kehren/ die ſie vorhin beꝛeuen ſollen/ uñ das anſehen dazu haben haben wollen. Wie iſts aber muͤglich/ daß man das alſobald wieder ungeſcheut thue/ was gerad vorher uns inniglich leid geweſen/ daß mans gethan hat. Jndem al- ſo ſolche leute mit der buſſe ſpielen/ ſo betriegen ſie darum GOtt nicht damit/ und haben vor ihm den nahmen der unbußfertigen/ ob ſie wol vor der welt/ als die in das hertz nicht ſehen kan/ den nahmen der buſſe/ ob haͤtten ſie ſie ge- than/ erhalten: ja ſie werden je laͤnger/ je verhaͤrteter. Vielmehr erfordern wir Q 2.

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/131>, abgerufen am 22.11.2024.