Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

Bild:
<< vorherige Seite

ARTIC. I. SECTIO IV.
erbauung hat/ etwa von gewissen übungen der andacht oder gottseligkeit/ o-
der was sonsten dergleichen dienlich gefunden werden mag. Dieses wäre
meine christliche meinung/ so ich den gründen göttliches worts nicht un-
gemäß zu seyn mich versichert halte/ dabey den gütigen himmlischen Vater
hertzlich anruffe/ er wolle die person selbs durch diesen unterricht/ oder an-
dern christlichen rath/ seines willens versichern/ und ihr zeigen/ wie sie ihm
am besten gefällig seyn möge: auch alles solches durch seine gnade in ihr schaf-
fen zu beförderung ihrer seelen heil. Amen. 1686.

SECTIO V.
Ob und wie einen eyd zu thun erlaubt seye.
Matth. 5.

DAs hertzliche vertrauen eines recht Christlichen gemüthes/ so aus dem
an mich gethanen klahr erhellet/ machet mich so viel getroster/ densel-
ben ohne in der welt gebräuchlichen titul anzureden/ ob wol nach dem
mir dessen person und weltliche condition nicht völlig bekant/ ich auch darin-
nen die sonst nach der welt lauff gewöhnliche gebühr nicht gnug in acht neh-
men können. Jch bedancke und freue mich des gegen mich christlichen be-
zeugenden vertrauens/ so vielmehr aus einer solchen stadt/ da sonsten mein
armer nahme von vielen als eines boßhafftigen verworffen zu werden ver-
lautet/ und also nicht hätte gedencken sollen/ daß jemand nach meinem rath
verlangen tragen würde. Aber gelobet seye der HErr/ der gleich wie mich
bißher gewürdiget um der wahrheit seines Sohns willen einige schmach zu
leiden/ also derjenigen hertzen nichts desto weniger mit rechtschaffener liebe
verbindet/ die in einem geist/ den sie von ihme haben/ ihren wandel führen.
Er kennet die seinen/ und gibt sie auch sich unter einander etwa zu erkennen.
Die sache selbs belangend/ so will erstlich meine einfältige gedancken in thesi
von dem Ort Matth. 5. zu seinem fernern nachsinnen und beurtheilung vor-
legen/ nachmal was mein wolmeinender rath in hypothesi seyn würde/ bey-
fügen. Das erste belangend/ bekenne gern/ daß mir selbs solcher Ort nicht
nur einmal viele gedancken gemacht/ und ich ihn wol für den schwersten in der
gantzen sonsten so einfältigen berg-predigt unsers lieben heylandes halte:
So erkenne auch/ daß in dieses und anderer befehl des HErrn erklärung sehr
behutsam zu gehen seye/ aus des HErrn eigener betrohung/ wer eines sei-
ner geringsten gebote werde auflösen und die leute also lehren/ der
werde der kleinest seyn im himmelreich.
Was unterschiedlicher lehrer
auslegungen seyen/ ist auch nicht der ort hie auszuführen/ noch dienet zur
beruhigung des gewissens. Wo ich aber einfältig bey dem text hleibe/ möchte

ich

ARTIC. I. SECTIO IV.
erbauung hat/ etwa von gewiſſen uͤbungen der andacht oder gottſeligkeit/ o-
der was ſonſten dergleichen dienlich gefunden werden mag. Dieſes waͤre
meine chriſtliche meinung/ ſo ich den gruͤnden goͤttliches worts nicht un-
gemaͤß zu ſeyn mich verſichert halte/ dabey den guͤtigen himmliſchen Vater
hertzlich anruffe/ er wolle die perſon ſelbs durch dieſen unterricht/ oder an-
dern chriſtlichen rath/ ſeines willens verſichern/ und ihr zeigen/ wie ſie ihm
am beſten gefaͤllig ſeyn moͤge: auch alles ſolches durch ſeine gnade in ihr ſchaf-
fen zu befoͤrderung ihrer ſeelen heil. Amen. 1686.

SECTIO V.
Ob und wie einen eyd zu thun erlaubt ſeye.
Matth. 5.

DAs hertzliche vertrauen eines recht Chriſtlichen gemuͤthes/ ſo aus dem
an mich gethanen klahr erhellet/ machet mich ſo viel getroſter/ denſel-
ben ohne in der welt gebraͤuchlichen titul anzureden/ ob wol nach dem
mir deſſen perſon und weltliche condition nicht voͤllig bekant/ ich auch darin-
nen die ſonſt nach der welt lauff gewoͤhnliche gebuͤhr nicht gnug in acht neh-
men koͤnnen. Jch bedancke und freue mich des gegen mich chriſtlichen be-
zeugenden vertrauens/ ſo vielmehr aus einer ſolchen ſtadt/ da ſonſten mein
armer nahme von vielen als eines boßhafftigen verworffen zu werden ver-
lautet/ und alſo nicht haͤtte gedencken ſollen/ daß jemand nach meinem rath
verlangen tragen wuͤrde. Aber gelobet ſeye der HErr/ der gleich wie mich
bißher gewuͤrdiget um der wahrheit ſeines Sohns willen einige ſchmach zu
leiden/ alſo derjenigen hertzen nichts deſto weniger mit rechtſchaffener liebe
verbindet/ die in einem geiſt/ den ſie von ihme haben/ ihren wandel fuͤhren.
Er kennet die ſeinen/ und gibt ſie auch ſich unter einander etwa zu erkennen.
Die ſache ſelbs belangend/ ſo will erſtlich meine einfaͤltige gedancken in theſi
von dem Ort Matth. 5. zu ſeinem fernern nachſinnen und beurtheilung vor-
legen/ nachmal was mein wolmeinender rath in hypotheſi ſeyn wuͤrde/ bey-
fuͤgen. Das erſte belangend/ bekenne gern/ daß mir ſelbs ſolcher Ort nicht
nur einmal viele gedancken gemacht/ und ich ihn wol fuͤr den ſchwerſten in der
gantzen ſonſten ſo einfaͤltigen berg-predigt unſers lieben heylandes halte:
So erkenne auch/ daß in dieſes und anderer befehl des HErrn erklaͤrung ſehr
behutſam zu gehen ſeye/ aus des HErrn eigener betrohung/ wer eines ſei-
ner geringſten gebote werde aufloͤſen und die leute alſo lehren/ der
werde der kleineſt ſeyn im himmelreich.
Was unterſchiedlicher lehrer
auslegungen ſeyen/ iſt auch nicht der ort hie auszufuͤhren/ noch dienet zur
beruhigung des gewiſſens. Wo ich aber einfaͤltig bey dem text hleibe/ moͤchte

ich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0023" n="15"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">ARTIC. I. SECTIO IV.</hi></hi></fw><lb/>
erbauung hat/ etwa von gewi&#x017F;&#x017F;en u&#x0364;bungen der andacht oder gott&#x017F;eligkeit/ o-<lb/>
der was &#x017F;on&#x017F;ten dergleichen dienlich gefunden werden mag. Die&#x017F;es wa&#x0364;re<lb/>
meine chri&#x017F;tliche meinung/ &#x017F;o ich den gru&#x0364;nden go&#x0364;ttliches worts nicht un-<lb/>
gema&#x0364;ß zu &#x017F;eyn mich ver&#x017F;ichert halte/ dabey den gu&#x0364;tigen himmli&#x017F;chen Vater<lb/>
hertzlich anruffe/ er wolle die per&#x017F;on &#x017F;elbs durch die&#x017F;en unterricht/ oder an-<lb/>
dern chri&#x017F;tlichen rath/ &#x017F;eines willens ver&#x017F;ichern/ und ihr zeigen/ wie &#x017F;ie ihm<lb/>
am be&#x017F;ten gefa&#x0364;llig &#x017F;eyn mo&#x0364;ge: auch alles &#x017F;olches durch &#x017F;eine gnade in ihr &#x017F;chaf-<lb/>
fen zu befo&#x0364;rderung ihrer &#x017F;eelen heil. Amen. 1686.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO V.</hi></hi><lb/>
Ob und wie einen eyd zu thun erlaubt &#x017F;eye.<lb/>
Matth. 5.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">D</hi>As hertzliche vertrauen eines recht Chri&#x017F;tlichen gemu&#x0364;thes/ &#x017F;o aus dem<lb/>
an mich gethanen klahr erhellet/ machet mich &#x017F;o viel getro&#x017F;ter/ den&#x017F;el-<lb/>
ben ohne in der welt gebra&#x0364;uchlichen titul anzureden/ ob wol nach dem<lb/>
mir de&#x017F;&#x017F;en per&#x017F;on und weltliche <hi rendition="#aq">condition</hi> nicht vo&#x0364;llig bekant/ ich auch darin-<lb/>
nen die &#x017F;on&#x017F;t nach der welt lauff gewo&#x0364;hnliche gebu&#x0364;hr nicht gnug in acht neh-<lb/>
men ko&#x0364;nnen. Jch bedancke und freue mich des gegen mich chri&#x017F;tlichen be-<lb/>
zeugenden vertrauens/ &#x017F;o vielmehr aus einer &#x017F;olchen &#x017F;tadt/ da &#x017F;on&#x017F;ten mein<lb/>
armer nahme von vielen als eines boßhafftigen verworffen zu werden ver-<lb/>
lautet/ und al&#x017F;o nicht ha&#x0364;tte gedencken &#x017F;ollen/ daß jemand nach meinem rath<lb/>
verlangen tragen wu&#x0364;rde. Aber gelobet &#x017F;eye der HErr/ der gleich wie mich<lb/>
bißher gewu&#x0364;rdiget um der wahrheit &#x017F;eines Sohns willen einige &#x017F;chmach zu<lb/>
leiden/ al&#x017F;o derjenigen hertzen nichts de&#x017F;to weniger mit recht&#x017F;chaffener liebe<lb/>
verbindet/ die in einem gei&#x017F;t/ den &#x017F;ie von ihme haben/ ihren wandel fu&#x0364;hren.<lb/>
Er kennet die &#x017F;einen/ und gibt &#x017F;ie auch &#x017F;ich unter einander etwa zu erkennen.<lb/>
Die &#x017F;ache &#x017F;elbs belangend/ &#x017F;o will er&#x017F;tlich meine einfa&#x0364;ltige gedancken in <hi rendition="#aq">the&#x017F;i</hi><lb/>
von dem Ort <hi rendition="#fr">Matth. 5.</hi> zu &#x017F;einem fernern nach&#x017F;innen und beurtheilung vor-<lb/>
legen/ nachmal was mein wolmeinender rath in <hi rendition="#aq">hypothe&#x017F;i</hi> &#x017F;eyn wu&#x0364;rde/ bey-<lb/>
fu&#x0364;gen. Das er&#x017F;te belangend/ bekenne gern/ daß mir &#x017F;elbs &#x017F;olcher Ort nicht<lb/>
nur einmal viele gedancken gemacht/ und ich ihn wol fu&#x0364;r den &#x017F;chwer&#x017F;ten in der<lb/>
gantzen &#x017F;on&#x017F;ten &#x017F;o einfa&#x0364;ltigen berg-predigt un&#x017F;ers lieben heylandes halte:<lb/>
So erkenne auch/ daß in die&#x017F;es und anderer befehl des HErrn erkla&#x0364;rung &#x017F;ehr<lb/>
behut&#x017F;am zu gehen &#x017F;eye/ aus des HErrn eigener betrohung/ <hi rendition="#fr">wer eines &#x017F;ei-<lb/>
ner gering&#x017F;ten gebote werde auflo&#x0364;&#x017F;en und die leute al&#x017F;o lehren/ der<lb/>
werde der kleine&#x017F;t &#x017F;eyn im himmelreich.</hi> Was unter&#x017F;chiedlicher lehrer<lb/>
auslegungen &#x017F;eyen/ i&#x017F;t auch nicht der ort hie auszufu&#x0364;hren/ noch dienet zur<lb/>
beruhigung des gewi&#x017F;&#x017F;ens. Wo ich aber einfa&#x0364;ltig bey dem text hleibe/ mo&#x0364;chte<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ich</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0023] ARTIC. I. SECTIO IV. erbauung hat/ etwa von gewiſſen uͤbungen der andacht oder gottſeligkeit/ o- der was ſonſten dergleichen dienlich gefunden werden mag. Dieſes waͤre meine chriſtliche meinung/ ſo ich den gruͤnden goͤttliches worts nicht un- gemaͤß zu ſeyn mich verſichert halte/ dabey den guͤtigen himmliſchen Vater hertzlich anruffe/ er wolle die perſon ſelbs durch dieſen unterricht/ oder an- dern chriſtlichen rath/ ſeines willens verſichern/ und ihr zeigen/ wie ſie ihm am beſten gefaͤllig ſeyn moͤge: auch alles ſolches durch ſeine gnade in ihr ſchaf- fen zu befoͤrderung ihrer ſeelen heil. Amen. 1686. SECTIO V. Ob und wie einen eyd zu thun erlaubt ſeye. Matth. 5. DAs hertzliche vertrauen eines recht Chriſtlichen gemuͤthes/ ſo aus dem an mich gethanen klahr erhellet/ machet mich ſo viel getroſter/ denſel- ben ohne in der welt gebraͤuchlichen titul anzureden/ ob wol nach dem mir deſſen perſon und weltliche condition nicht voͤllig bekant/ ich auch darin- nen die ſonſt nach der welt lauff gewoͤhnliche gebuͤhr nicht gnug in acht neh- men koͤnnen. Jch bedancke und freue mich des gegen mich chriſtlichen be- zeugenden vertrauens/ ſo vielmehr aus einer ſolchen ſtadt/ da ſonſten mein armer nahme von vielen als eines boßhafftigen verworffen zu werden ver- lautet/ und alſo nicht haͤtte gedencken ſollen/ daß jemand nach meinem rath verlangen tragen wuͤrde. Aber gelobet ſeye der HErr/ der gleich wie mich bißher gewuͤrdiget um der wahrheit ſeines Sohns willen einige ſchmach zu leiden/ alſo derjenigen hertzen nichts deſto weniger mit rechtſchaffener liebe verbindet/ die in einem geiſt/ den ſie von ihme haben/ ihren wandel fuͤhren. Er kennet die ſeinen/ und gibt ſie auch ſich unter einander etwa zu erkennen. Die ſache ſelbs belangend/ ſo will erſtlich meine einfaͤltige gedancken in theſi von dem Ort Matth. 5. zu ſeinem fernern nachſinnen und beurtheilung vor- legen/ nachmal was mein wolmeinender rath in hypotheſi ſeyn wuͤrde/ bey- fuͤgen. Das erſte belangend/ bekenne gern/ daß mir ſelbs ſolcher Ort nicht nur einmal viele gedancken gemacht/ und ich ihn wol fuͤr den ſchwerſten in der gantzen ſonſten ſo einfaͤltigen berg-predigt unſers lieben heylandes halte: So erkenne auch/ daß in dieſes und anderer befehl des HErrn erklaͤrung ſehr behutſam zu gehen ſeye/ aus des HErrn eigener betrohung/ wer eines ſei- ner geringſten gebote werde aufloͤſen und die leute alſo lehren/ der werde der kleineſt ſeyn im himmelreich. Was unterſchiedlicher lehrer auslegungen ſeyen/ iſt auch nicht der ort hie auszufuͤhren/ noch dienet zur beruhigung des gewiſſens. Wo ich aber einfaͤltig bey dem text hleibe/ moͤchte ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/23
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/23>, abgerufen am 24.11.2024.