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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das dritte Capitel.
sie sich nirgend finden möchten) achte ich/ daß man ein solches sonsten nach o-
bigem ausgeführten unzuläßiges geschenck zusagen und geben möge. Die
fundamenta sind diese. 1. Weil wir bey einem solchen gericht dessen zustand
so ansehen müssen/ daß öffentlicher gewalt daselbs regiere/ und GOtt selbs
fast gar davon gewichen seye: weßwegen was wir in solchem fall geben/ auch
muß angesehen werden/ als mit gewalt uns abgezwungen. Wo eine rau-
berey in einem land vorgehet/ und ich/ der ich das meinige bey mir führe/ das
unglück habe/ unter die räuber zu gerathen/ sie aber fordern eine reuter-zeh-
rung von so und so viel von mir/ mit betrohung/ daß sie mir sonsten alles neh-
men wolten/ oder auch/ wosie es nicht mit wortensagen/ mir aber bekant ist aus
allen exempeln/ daß sie auff den verweigerungs-fall solches zu thun pflegen/
da kan ich mit gutem gewissen dasjenige/ was jene mit unrecht von mir for-
dern/ solte es auch schon nicht mit austrücklichen worten/ sondern andern an-
zeigungen geschehen/ ihnen geben/ damit ich das andere erhalte/ und also mit
einem geringern verlust den grössern abwenden. Es wird auch solches geben/
welches die rechtmäßige furcht mir ausgepresset/ nicht als ein freywilliges ge-
ben angesehen/ wie es auch in der that nicht ist/ sondern wo darüber zu urthei-
len ist/ hält man es vor einen zwang. Nicht ein anders urtheil kan von einem
solchen praesupponirten zustand eines gerichtes gefället werden/ als daß man
so zu reden unter publicos praedones gerathe/ von denen wir die erhaltung
unsers übrigen mit einem verlust eines theils desselben redimiren müssen.
Man möchte zwahr einen unterscheid darinn suchen/ daß gleichwol bey einem
solchen gericht keiner mit betrohung etwas fordere/ und formliche gewalt an
uns übe/ weßwegen das geben mehr freywillig als gezwungen seye. Nun
ist nicht ohn/ daß freylich unter beyderley in dem eusserlichen und nach den
umständen ein unterscheid seye/ aber es bleibet dannoch in der sache selbs ei-
nerley; es ist die gewisse gefahr des verlusts/ dem ich sonsten nicht entgehen
kan/ aber auff diese einige weise den grössern schaden abzuwenden müglich se-
he: welches eine zwahr subtilere in dessen nicht weniger schädliche gewalt
ist. So bestehet zwahr das mittel dagegen dem ansehen und eusserlichen nach
in einem geben/ es ist aber vielmehr ein nehmen und leiden als ein geben/ wo
wo wir auff die innerliche bewandnüß gehen. Daher dasjenige argument,
so sonsten mit recht ausser den angezeigten conditionen gegen das geschenck-
geben geführet wird/ dahin fället/ daß man sich damit der frembden schuld
theilhafftig mache/ und anlaß zur sünde gebe. Dann ich kan mich nicht ei-
gentlich der sünden theilhafftig machen/ mit einem leiden oder abgezwunge-
nen geben/ sondern dazu gehöret ein freyer wille in dergleichen sachen: so gebe
ich auch nicht anlaß zur sünde/ sondern die steckt ihrer wurtzel nach bereits in

dem

Das dritte Capitel.
ſie ſich nirgend finden moͤchten) achte ich/ daß man ein ſolches ſonſten nach o-
bigem ausgefuͤhrten unzulaͤßiges geſchenck zuſagen und geben moͤge. Die
fundamenta ſind dieſe. 1. Weil wir bey einem ſolchen gericht deſſen zuſtand
ſo anſehen muͤſſen/ daß oͤffentlicher gewalt daſelbs regiere/ und GOtt ſelbs
faſt gar davon gewichen ſeye: weßwegen was wir in ſolchem fall geben/ auch
muß angeſehen werden/ als mit gewalt uns abgezwungen. Wo eine rau-
berey in einem land vorgehet/ und ich/ der ich das meinige bey mir fuͤhre/ das
ungluͤck habe/ unter die raͤuber zu gerathen/ ſie aber fordern eine reuter-zeh-
rung von ſo und ſo viel von mir/ mit betrohung/ daß ſie mir ſonſten alles neh-
men wolten/ odeꝛ auch/ woſie es nicht mit woꝛtenſagen/ mir aber bekant iſt aus
allen exempeln/ daß ſie auff den verweigerungs-fall ſolches zu thun pflegen/
da kan ich mit gutem gewiſſen dasjenige/ was jene mit unrecht von mir for-
dern/ ſolte es auch ſchon nicht mit austruͤcklichen worten/ ſondern andern an-
zeigungen geſchehen/ ihnen geben/ damit ich das andere erhalte/ und alſo mit
einem geringern verluſt den groͤſſern abwenden. Es wird auch ſolches geben/
welches die rechtmaͤßige fuꝛcht mir ausgepꝛeſſet/ nicht als ein fꝛeywilliges ge-
ben angeſehen/ wie es auch in der that nicht iſt/ ſondern wo daruͤber zu urthei-
len iſt/ haͤlt man es vor einen zwang. Nicht ein anders urtheil kan von einem
ſolchen præſupponirten zuſtand eines gerichtes gefaͤllet werden/ als daß man
ſo zu reden unter publicos prædones gerathe/ von denen wir die erhaltung
unſers uͤbrigen mit einem verluſt eines theils deſſelben redimiren muͤſſen.
Man moͤchte zwahr einen unterſcheid darinn ſuchen/ daß gleichwol bey einem
ſolchen gericht keiner mit betrohung etwas fordere/ und formliche gewalt an
uns uͤbe/ weßwegen das geben mehr freywillig als gezwungen ſeye. Nun
iſt nicht ohn/ daß freylich unter beyderley in dem euſſerlichen und nach den
umſtaͤnden ein unterſcheid ſeye/ aber es bleibet dannoch in der ſache ſelbs ei-
nerley; es iſt die gewiſſe gefahr des verluſts/ dem ich ſonſten nicht entgehen
kan/ aber auff dieſe einige weiſe den groͤſſern ſchaden abzuwenden muͤglich ſe-
he: welches eine zwahr ſubtilere in deſſen nicht weniger ſchaͤdliche gewalt
iſt. So beſtehet zwahr das mittel dagegen dem anſehen und euſſerlichen nach
in einem geben/ es iſt aber vielmehr ein nehmen und leiden als ein geben/ wo
wo wir auff die innerliche bewandnuͤß gehen. Daher dasjenige argument,
ſo ſonſten mit recht auſſer den angezeigten conditionen gegen das geſchenck-
geben gefuͤhret wird/ dahin faͤllet/ daß man ſich damit der frembden ſchuld
theilhafftig mache/ und anlaß zur ſuͤnde gebe. Dann ich kan mich nicht ei-
gentlich der ſuͤnden theilhafftig machen/ mit einem leiden oder abgezwunge-
nen geben/ ſondern dazu gehoͤret ein freyer wille in dergleichen ſachen: ſo gebe
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[250/0258] Das dritte Capitel. ſie ſich nirgend finden moͤchten) achte ich/ daß man ein ſolches ſonſten nach o- bigem ausgefuͤhrten unzulaͤßiges geſchenck zuſagen und geben moͤge. Die fundamenta ſind dieſe. 1. Weil wir bey einem ſolchen gericht deſſen zuſtand ſo anſehen muͤſſen/ daß oͤffentlicher gewalt daſelbs regiere/ und GOtt ſelbs faſt gar davon gewichen ſeye: weßwegen was wir in ſolchem fall geben/ auch muß angeſehen werden/ als mit gewalt uns abgezwungen. Wo eine rau- berey in einem land vorgehet/ und ich/ der ich das meinige bey mir fuͤhre/ das ungluͤck habe/ unter die raͤuber zu gerathen/ ſie aber fordern eine reuter-zeh- rung von ſo und ſo viel von mir/ mit betrohung/ daß ſie mir ſonſten alles neh- men wolten/ odeꝛ auch/ woſie es nicht mit woꝛtenſagen/ mir aber bekant iſt aus allen exempeln/ daß ſie auff den verweigerungs-fall ſolches zu thun pflegen/ da kan ich mit gutem gewiſſen dasjenige/ was jene mit unrecht von mir for- dern/ ſolte es auch ſchon nicht mit austruͤcklichen worten/ ſondern andern an- zeigungen geſchehen/ ihnen geben/ damit ich das andere erhalte/ und alſo mit einem geringern verluſt den groͤſſern abwenden. Es wird auch ſolches geben/ welches die rechtmaͤßige fuꝛcht mir ausgepꝛeſſet/ nicht als ein fꝛeywilliges ge- ben angeſehen/ wie es auch in der that nicht iſt/ ſondern wo daruͤber zu urthei- len iſt/ haͤlt man es vor einen zwang. Nicht ein anders urtheil kan von einem ſolchen præſupponirten zuſtand eines gerichtes gefaͤllet werden/ als daß man ſo zu reden unter publicos prædones gerathe/ von denen wir die erhaltung unſers uͤbrigen mit einem verluſt eines theils deſſelben redimiren muͤſſen. Man moͤchte zwahr einen unterſcheid darinn ſuchen/ daß gleichwol bey einem ſolchen gericht keiner mit betrohung etwas fordere/ und formliche gewalt an uns uͤbe/ weßwegen das geben mehr freywillig als gezwungen ſeye. Nun iſt nicht ohn/ daß freylich unter beyderley in dem euſſerlichen und nach den umſtaͤnden ein unterſcheid ſeye/ aber es bleibet dannoch in der ſache ſelbs ei- nerley; es iſt die gewiſſe gefahr des verluſts/ dem ich ſonſten nicht entgehen kan/ aber auff dieſe einige weiſe den groͤſſern ſchaden abzuwenden muͤglich ſe- he: welches eine zwahr ſubtilere in deſſen nicht weniger ſchaͤdliche gewalt iſt. So beſtehet zwahr das mittel dagegen dem anſehen und euſſerlichen nach in einem geben/ es iſt aber vielmehr ein nehmen und leiden als ein geben/ wo wo wir auff die innerliche bewandnuͤß gehen. Daher dasjenige argument, ſo ſonſten mit recht auſſer den angezeigten conditionen gegen das geſchenck- geben gefuͤhret wird/ dahin faͤllet/ daß man ſich damit der frembden ſchuld theilhafftig mache/ und anlaß zur ſuͤnde gebe. Dann ich kan mich nicht ei- gentlich der ſuͤnden theilhafftig machen/ mit einem leiden oder abgezwunge- nen geben/ ſondern dazu gehoͤret ein freyer wille in dergleichen ſachen: ſo gebe ich auch nicht anlaß zur ſuͤnde/ ſondern die ſteckt ihrer wurtzel nach bereits in dem

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/258>, abgerufen am 22.11.2024.