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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das dritte Capitel.
willens versichern wolle; wobey Paulus Rom. 12. ein ander herrliches
mittel vorschlägt/ nemlich sich selbs GOtt zum opffer dar zu geben/ sich der
welt nicht gleich zu stellen/ sondern durch verneuerung unsers sinnes verän-
dern/ so werden wir je mehr und mehr prüffen/ und mit gewißheit erkennen/
welches da seye der gute/ der wolgefällige und der vollkommene Gottes wil-
le. Lasset uns also unserm heyland treu werden in den jenigen stücken erstlich/
die ohne einige ungewißheit und zweiffel sind/ so wird er unsere hertzen auch
mehr und mehr befestigen in dem übrigen/ so erstlich uns noch nicht so gewiß
vorgekommen. Wer da hat/ und solches seinem HErren zu ehren braucht/
dem wird gegeben. Er der HErr verleihe uns allen solche gnade/ stärcke und
bekräfftige in uns das angefangene gute/ und heilige uns in seiner wahrheit/
sein wort ist die warheit.

SECTIO VI.
Ein casus betreffend einen nicht völlig
gehaltenen eyd.

AUs der communicirten specie facti, so ich in der furcht des HERRN
durchlesen/ ziehe ich folgende sätze:

1. Die genandte Lucilia, welche in einer sache zwischen Cajo und Sem-
pronia,
die zu einer fiscalischen inquisition gediehen/ zum eyd angestrenget
worden/ alles zu entdecken/ was ihr davon bewust wäre/ oder sie noch hin-
führo davon erfahren würde; nachdem aber nach der zeit etwas unter Caji
sachen gefunden/ so sie rechtswegen nach entdecken sollen/ auch solches dem
judici hinterbringen wollen/ aber immer durch Caji, dem es sonsten hätte scha-
den werden/ gute worte davon abgehalten worden/ bis er gestorben/ und nun
res nicht mehr integra, noch sie die sache im geringsten mehr beweisen kan/
kan von der sünde des meineydes vor GOtt nicht loß gesprochen werden.
Jndem nicht allein 1. die heiligkeit göttlichen nahmens/ der in dem eyd ange-
ruffen wird/ allerdings erfordert/ daß dieser unverbrüchlich gehalten werde:
da hingegen jede dessen brechung denselben schändlich entheiliget/ und daher
GOttnicht vergebens denjenigen drohet/ die sich auff solche weise an ihm
vergreiffen: sondern 2. der bruch des eydes ist so viel schwehrer/ weil er in ei-
ner gerichtlichen sachen geschehen/ und aber nach 2. Chron. 19/ 6. das ge-
richt GOTT gehalten wird/
der allezeit dabey ist; daher alle sünden
in dem gericht begangen/ sonderlich welche den lauff der gerechtigkeit hem-
men/ und verursachen können/ daß aus mangel gnugsamen berichts/ der rich-
ter ein unrechtes urtheil sprechen mag/ desto schwehrer find: darzu kommt 3.

daß

Das dritte Capitel.
willens verſichern wolle; wobey Paulus Rom. 12. ein ander herrliches
mittel vorſchlaͤgt/ nemlich ſich ſelbs GOtt zum opffer dar zu geben/ ſich der
welt nicht gleich zu ſtellen/ ſondern durch verneuerung unſers ſinnes veraͤn-
dern/ ſo werden wir je mehr und mehr pruͤffen/ und mit gewißheit erkennen/
welches da ſeye der gute/ der wolgefaͤllige und der vollkommene Gottes wil-
le. Laſſet uns alſo unſerm heyland treu werden in den jenigen ſtuͤcken erſtlich/
die ohne einige ungewißheit und zweiffel ſind/ ſo wird er unſere hertzen auch
mehr und mehr befeſtigen in dem uͤbrigen/ ſo erſtlich uns noch nicht ſo gewiß
vorgekommen. Wer da hat/ und ſolches ſeinem HErren zu ehren braucht/
dem wird gegeben. Er der HErr verleihe uns allen ſolche gnade/ ſtaͤrcke und
bekraͤfftige in uns das angefangene gute/ und heilige uns in ſeiner wahrheit/
ſein wort iſt die warheit.

SECTIO VI.
Ein caſus betreffend einen nicht voͤllig
gehaltenen eyd.

AUs der communicirten ſpecie facti, ſo ich in der furcht des HERRN
durchleſen/ ziehe ich folgende ſaͤtze:

1. Die genandte Lucilia, welche in einer ſache zwiſchen Cajo und Sem-
pronia,
die zu einer fiſcaliſchen inquiſition gediehen/ zum eyd angeſtrenget
worden/ alles zu entdecken/ was ihr davon bewuſt waͤre/ oder ſie noch hin-
fuͤhro davon erfahren wuͤrde; nachdem aber nach der zeit etwas unter Caji
ſachen gefunden/ ſo ſie rechtswegen nach entdecken ſollen/ auch ſolches dem
judici hinterbringen wollen/ aber immer durch Caji, dem es ſonſten haͤtte ſcha-
den werden/ gute worte davon abgehalten worden/ bis er geſtorben/ und nun
res nicht mehr integra, noch ſie die ſache im geringſten mehr beweiſen kan/
kan von der ſuͤnde des meineydes vor GOtt nicht loß geſprochen werden.
Jndem nicht allein 1. die heiligkeit goͤttlichen nahmens/ der in dem eyd ange-
ruffen wird/ allerdings erfordert/ daß dieſer unverbruͤchlich gehalten werde:
da hingegen jede deſſen brechung denſelben ſchaͤndlich entheiliget/ und daher
GOttnicht vergebens denjenigen drohet/ die ſich auff ſolche weiſe an ihm
vergreiffen: ſondern 2. der bruch des eydes iſt ſo viel ſchwehrer/ weil er in ei-
ner gerichtlichen ſachen geſchehen/ und aber nach 2. Chron. 19/ 6. das ge-
richt GOTT gehalten wird/
der allezeit dabey iſt; daher alle ſuͤnden
in dem gericht begangen/ ſonderlich welche den lauff der gerechtigkeit hem-
men/ und verurſachen koͤnnen/ daß aus mangel gnugſamen berichts/ der rich-
ter ein unrechtes urtheil ſprechen mag/ deſto ſchwehrer find: darzu kommt 3.

daß
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[20/0028] Das dritte Capitel. willens verſichern wolle; wobey Paulus Rom. 12. ein ander herrliches mittel vorſchlaͤgt/ nemlich ſich ſelbs GOtt zum opffer dar zu geben/ ſich der welt nicht gleich zu ſtellen/ ſondern durch verneuerung unſers ſinnes veraͤn- dern/ ſo werden wir je mehr und mehr pruͤffen/ und mit gewißheit erkennen/ welches da ſeye der gute/ der wolgefaͤllige und der vollkommene Gottes wil- le. Laſſet uns alſo unſerm heyland treu werden in den jenigen ſtuͤcken erſtlich/ die ohne einige ungewißheit und zweiffel ſind/ ſo wird er unſere hertzen auch mehr und mehr befeſtigen in dem uͤbrigen/ ſo erſtlich uns noch nicht ſo gewiß vorgekommen. Wer da hat/ und ſolches ſeinem HErren zu ehren braucht/ dem wird gegeben. Er der HErr verleihe uns allen ſolche gnade/ ſtaͤrcke und bekraͤfftige in uns das angefangene gute/ und heilige uns in ſeiner wahrheit/ ſein wort iſt die warheit. SECTIO VI. Ein caſus betreffend einen nicht voͤllig gehaltenen eyd. AUs der communicirten ſpecie facti, ſo ich in der furcht des HERRN durchleſen/ ziehe ich folgende ſaͤtze: 1. Die genandte Lucilia, welche in einer ſache zwiſchen Cajo und Sem- pronia, die zu einer fiſcaliſchen inquiſition gediehen/ zum eyd angeſtrenget worden/ alles zu entdecken/ was ihr davon bewuſt waͤre/ oder ſie noch hin- fuͤhro davon erfahren wuͤrde; nachdem aber nach der zeit etwas unter Caji ſachen gefunden/ ſo ſie rechtswegen nach entdecken ſollen/ auch ſolches dem judici hinterbringen wollen/ aber immer durch Caji, dem es ſonſten haͤtte ſcha- den werden/ gute worte davon abgehalten worden/ bis er geſtorben/ und nun res nicht mehr integra, noch ſie die ſache im geringſten mehr beweiſen kan/ kan von der ſuͤnde des meineydes vor GOtt nicht loß geſprochen werden. Jndem nicht allein 1. die heiligkeit goͤttlichen nahmens/ der in dem eyd ange- ruffen wird/ allerdings erfordert/ daß dieſer unverbruͤchlich gehalten werde: da hingegen jede deſſen brechung denſelben ſchaͤndlich entheiliget/ und daher GOttnicht vergebens denjenigen drohet/ die ſich auff ſolche weiſe an ihm vergreiffen: ſondern 2. der bruch des eydes iſt ſo viel ſchwehrer/ weil er in ei- ner gerichtlichen ſachen geſchehen/ und aber nach 2. Chron. 19/ 6. das ge- richt GOTT gehalten wird/ der allezeit dabey iſt; daher alle ſuͤnden in dem gericht begangen/ ſonderlich welche den lauff der gerechtigkeit hem- men/ und verurſachen koͤnnen/ daß aus mangel gnugſamen berichts/ der rich- ter ein unrechtes urtheil ſprechen mag/ deſto ſchwehrer find: darzu kommt 3. daß

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/28>, abgerufen am 21.11.2024.