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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das dritte Capitel.
diget wird/ vergebung der sünden/ durch diesen und von dem allen/
durch welches ihr nicht kontet im gesetz Mosis gerecht werden. Ap. Ge-
schicht 13/ 38. Ezech. 18/ 21. 22. Wo sich der gottlose bekehret von allen
seinen sünden/ die er gethan hat/ und hält alle meine rechte/ und thut
recht und wol/ so soll er leben und nicht sterben. Es soll aller seiner
übertretung/ so er begangen hat/ nicht gedacht werden.
Sonderlich ste-
het deutlich Matth. 12/ 31. darum sage ich euch/ alle sünde und lästerung
wird den menschen vergeben/ aber die lästerung wider den Geist wird
den menschen nicht vergeben/ Marc. 3/ 28. 29. Warlich ich sage euch/
alle sünden werden vergeben den menschen-kindern/ auch die gottes-
lästerung/ damit sie GOtt lästern. Wer aber den H. Geist lästert/ der
hat keine vergebung ewiglich/ sondern ist schuldig des ewigen gerichts.

Da wir von dieser ausnahm sagen mögen: exceptio a regula firmat regulam
in casibus non exceptis.
Daß aber die sünde in den H. Geist ausgenommen
wird/ hat allein die ursach/ nicht gleich erstreckte sich sonsten GOttes barm-
hertzigkeit und Christi versöhnung nicht auch darüber/ sondern weil die ver-
achtung der gnaden-mittel und ordnung GOttes mit solcher sünde verknüpf-
fet ist.
3. Jndessen hat GOtt gleichwol eine gewisse ordnung eingesetzt/ in wel-
cher allein der mensch die vergebung erlangen kan/ diese erfordert nun nichts
anders als wahre buß: daher Christus hat predigen lassen in seinen nah-
men buß und vergebung der sünden unter allen völckern Luc. 24/ 47.
GOtt hat Jsrael gegeben buß und vergebung der sünden. Ap. Gesch. 5/
31.
Also sind diese beyde aus seinem rath also mit einander verknüpffet/ daß
wo sich die wahre busse findet/ die vergebung der sünden nicht ausbleiben kan.
Weil aber die busse in zweyen stücken bestehet/ nemlich in reue über die sünde
und dem wahren glauben/ so ist dieses andre stück der busse eigenlich dasjeni-
ge/ dadurch wir die vergebung der sünden erlangen und ergreiffen: die reue
aber bereitet das hertz/ daß es tüchtig werde/ aus wirckung des Heiligen
Geistes den glauben zu bekommen/ und räumet die hindernüssen der verge-
bung hinweg.
4. Die reue über die sünde/ so auch insgemein buß im gegensatz gegen den
glauben genennet wird/ fasset in sich nicht allein erkäntnüß der sünden und
traurigkeit darüber/ sondern vornemlich hertzliches mißfallen daran/ haß
dagegen/ und ernst dieselbe nach aller müglichkeit von sich abzulegen. Sind
diese stücke vorhanden/ so ist die busse redlich und GOtt gefällig.
5. Was anlangt die sünde der beleidigung des nechsten/ so scheinet es/
daß der liebste Heyland etwas besonders zu dero vergebung/ nemlich die
ver-
Das dritte Capitel.
diget wird/ vergebung der ſuͤnden/ durch dieſen und von dem allen/
durch welches ihr nicht kontet im geſetz Moſis gerecht werden. Ap. Ge-
ſchicht 13/ 38. Ezech. 18/ 21. 22. Wo ſich der gottloſe bekehret von allen
ſeinen ſuͤnden/ die er gethan hat/ und haͤlt alle meine rechte/ und thut
recht und wol/ ſo ſoll er leben und nicht ſterben. Es ſoll aller ſeiner
uͤbertretung/ ſo er begangen hat/ nicht gedacht werden.
Sonderlich ſte-
het deutlich Matth. 12/ 31. darum ſage ich euch/ alle ſuͤnde und laͤſterung
wird den menſchen vergeben/ aber die laͤſterung wider den Geiſt wird
den menſchen nicht vergeben/ Marc. 3/ 28. 29. Warlich ich ſage euch/
alle ſuͤnden werden vergeben den menſchen-kindern/ auch die gottes-
laͤſterung/ damit ſie GOtt laͤſtern. Wer aber den H. Geiſt laͤſtert/ der
hat keine vergebung ewiglich/ ſondern iſt ſchuldig des ewigen gerichts.

Da wir von dieſer ausnahm ſagen moͤgen: exceptio a regula firmat regulam
in caſibus non exceptis.
Daß aber die ſuͤnde in den H. Geiſt ausgenommen
wird/ hat allein die urſach/ nicht gleich erſtreckte ſich ſonſten GOttes barm-
hertzigkeit und Chriſti verſoͤhnung nicht auch daruͤber/ ſondern weil die ver-
achtung der gnaden-mittel und ordnung GOttes mit ſolcher ſuͤnde verknuͤpf-
fet iſt.
3. Jndeſſen hat GOtt gleichwol eine gewiſſe ordnung eingeſetzt/ in wel-
cher allein der menſch die vergebung erlangen kan/ dieſe erfordert nun nichts
anders als wahre buß: daher Chriſtus hat predigen laſſen in ſeinen nah-
men buß und vergebung der ſuͤnden unter allen voͤlckern Luc. 24/ 47.
GOtt hat Jſrael gegeben buß und vergebung der ſuͤnden. Ap. Geſch. 5/
31.
Alſo ſind dieſe beyde aus ſeinem rath alſo mit einander verknuͤpffet/ daß
wo ſich die wahre buſſe findet/ die vergebung der ſuͤnden nicht ausbleiben kan.
Weil aber die buſſe in zweyen ſtuͤcken beſtehet/ nemlich in reue uͤber die ſuͤnde
und dem wahren glauben/ ſo iſt dieſes andre ſtuͤck der buſſe eigenlich dasjeni-
ge/ dadurch wir die vergebung der ſuͤnden erlangen und ergreiffen: die reue
aber bereitet das hertz/ daß es tuͤchtig werde/ aus wirckung des Heiligen
Geiſtes den glauben zu bekommen/ und raͤumet die hindernuͤſſen der verge-
bung hinweg.
4. Die reue uͤber die ſuͤnde/ ſo auch insgemein buß im gegenſatz gegen den
glauben genennet wird/ faſſet in ſich nicht allein erkaͤntnuͤß der ſuͤnden und
traurigkeit daruͤber/ ſondern vornemlich hertzliches mißfallen daran/ haß
dagegen/ und ernſt dieſelbe nach aller muͤglichkeit von ſich abzulegen. Sind
dieſe ſtuͤcke vorhanden/ ſo iſt die buſſe redlich und GOtt gefaͤllig.
5. Was anlangt die ſuͤnde der beleidigung des nechſten/ ſo ſcheinet es/
daß der liebſte Heyland etwas beſonders zu dero vergebung/ nemlich die
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[294/0302] Das dritte Capitel. diget wird/ vergebung der ſuͤnden/ durch dieſen und von dem allen/ durch welches ihr nicht kontet im geſetz Moſis gerecht werden. Ap. Ge- ſchicht 13/ 38. Ezech. 18/ 21. 22. Wo ſich der gottloſe bekehret von allen ſeinen ſuͤnden/ die er gethan hat/ und haͤlt alle meine rechte/ und thut recht und wol/ ſo ſoll er leben und nicht ſterben. Es ſoll aller ſeiner uͤbertretung/ ſo er begangen hat/ nicht gedacht werden. Sonderlich ſte- het deutlich Matth. 12/ 31. darum ſage ich euch/ alle ſuͤnde und laͤſterung wird den menſchen vergeben/ aber die laͤſterung wider den Geiſt wird den menſchen nicht vergeben/ Marc. 3/ 28. 29. Warlich ich ſage euch/ alle ſuͤnden werden vergeben den menſchen-kindern/ auch die gottes- laͤſterung/ damit ſie GOtt laͤſtern. Wer aber den H. Geiſt laͤſtert/ der hat keine vergebung ewiglich/ ſondern iſt ſchuldig des ewigen gerichts. Da wir von dieſer ausnahm ſagen moͤgen: exceptio a regula firmat regulam in caſibus non exceptis. Daß aber die ſuͤnde in den H. Geiſt ausgenommen wird/ hat allein die urſach/ nicht gleich erſtreckte ſich ſonſten GOttes barm- hertzigkeit und Chriſti verſoͤhnung nicht auch daruͤber/ ſondern weil die ver- achtung der gnaden-mittel und ordnung GOttes mit ſolcher ſuͤnde verknuͤpf- fet iſt. 3. Jndeſſen hat GOtt gleichwol eine gewiſſe ordnung eingeſetzt/ in wel- cher allein der menſch die vergebung erlangen kan/ dieſe erfordert nun nichts anders als wahre buß: daher Chriſtus hat predigen laſſen in ſeinen nah- men buß und vergebung der ſuͤnden unter allen voͤlckern Luc. 24/ 47. GOtt hat Jſrael gegeben buß und vergebung der ſuͤnden. Ap. Geſch. 5/ 31. Alſo ſind dieſe beyde aus ſeinem rath alſo mit einander verknuͤpffet/ daß wo ſich die wahre buſſe findet/ die vergebung der ſuͤnden nicht ausbleiben kan. Weil aber die buſſe in zweyen ſtuͤcken beſtehet/ nemlich in reue uͤber die ſuͤnde und dem wahren glauben/ ſo iſt dieſes andre ſtuͤck der buſſe eigenlich dasjeni- ge/ dadurch wir die vergebung der ſuͤnden erlangen und ergreiffen: die reue aber bereitet das hertz/ daß es tuͤchtig werde/ aus wirckung des Heiligen Geiſtes den glauben zu bekommen/ und raͤumet die hindernuͤſſen der verge- bung hinweg. 4. Die reue uͤber die ſuͤnde/ ſo auch insgemein buß im gegenſatz gegen den glauben genennet wird/ faſſet in ſich nicht allein erkaͤntnuͤß der ſuͤnden und traurigkeit daruͤber/ ſondern vornemlich hertzliches mißfallen daran/ haß dagegen/ und ernſt dieſelbe nach aller muͤglichkeit von ſich abzulegen. Sind dieſe ſtuͤcke vorhanden/ ſo iſt die buſſe redlich und GOtt gefaͤllig. 5. Was anlangt die ſuͤnde der beleidigung des nechſten/ ſo ſcheinet es/ daß der liebſte Heyland etwas beſonders zu dero vergebung/ nemlich die ver-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/302>, abgerufen am 19.05.2024.