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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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ARTIC. III. SECTIO VIII.
ob werde damit bloß der mißbrauch angedeutet/ sondern daß dieses in gewis-
ser art mit ein stück und pflicht des ehstandes seye/ daß jedes dem andern zu
gefallen trachte. Nechst dieser eigenlichen liebe des ehegattens ist auch nicht
dem göttlichen willen entgegen/ daß der mensch sich selbs in göttlicher ord-
nung an seinem ehegatten liebe/ das ist/ seiner seele und leibes vergnügen auf
gewisse weise an seinem ehegatten habe/ und geniesse/ und sich also in der
furcht des HErrn dessen gnaden-geschencks nach seiner regel gebrauche. Es
muß aber wohl zugesehen werden/ daß solche liebe in rechten schrancken blei-
be. 1. Daß sie nicht wider Gott gehe oder göttl. liebe eine eigenliche hindernüß
setze/ vielmehr daß allezeit der ehgatte dasjenige mittel gleichsam seye/ indem
und durch welches immer unsere liebe auff GOtt gehe/ und er in dem ehegat-
ten geliebet werde/ welches die art ist aller liebe der creaturen/ wie dieselbe
GOtt nicht entgegen seyn mag. So muß also der ehgatte nicht nur nicht über
und wider GOtt geliebet werden/ ihm in dingen/ welche göttlichem willen
zuwider wären/ zu fügen oder zu gefallen zu seyn/ sondern nicht ausser GOtt
oder von ihm gesetzter ordnung/ die darinnen bestehet/ daß die liebe auff
nichts hafften bleibe/ sondern immer durch alles wiederum hindurch auff
GOtt tringe/ da sie allein beruhen solle. Also daß dannenhero jegliches ver-
gnügen/ so wir an dem ehgatten haben/ uns eine neue auffmunterung gebe/
GOtt so viel hertzlicher zu lieben/ seine güte zu preisen/ der uns auch diese
freude und versüssung unsers menschlichen lebens gegönnet/ und ihm davor
zu dancken. Es solte zwahr scheinen/ daß der ehstand schon an sich selbs eine
hindernüß der liebe GOttes seye/ weil die eheliche und ledige darinnen ein-
ander entgegen gesetzet werden/ daß diese sorgen/ was dem HErren/
jene was dem ehgatten gefalle: es mag aber solches nicht so wol die liebe selbs
angehen/ als vielmehr dessen eusserlichen oder auch innerlichen dienst/ so fern
dieser von einiger weitern sorge gehindert werden kan. Daß demnach der
eheliche seinen GOtt nicht weniger lieben darff und kan/ als der ledige auch
thut/ aber dieser ist weniger verhindert/ solche seine liebe gegen GOtt durch
mehrere innerliche und eusserliche austrücke zu erzeigen/ daran den andern
nicht so viel der ehstand selbs als die anhängenden mehrere sorgen und ge-
schäfften hindern; wie dann ein auch sehr gutes werck ein anderes gutes etli-
cher massen hindert/ so fern man nicht beyden mit gleichem fleiß/ gleich wie
einem allein/ abwarten kan. Daher folget 2. daß die liebe auch darinnen
nicht unordenlich seyn müsse/ daß sie allzuhefftig wäre/ wodurch so wol die
liebe GOttes als des nechsten gehindert würde/ wo der ehgatt sein gantzes
hertz dermassen dem andern anhängte/ daß er davor weder GOtt recht die-
nen/ noch dem nechsten alle ihm schuldige sonst mügliche pflicht leisten könne.
3. Muß sie auch also in der ordnung bleiben/ daß man an dem ehgatten das
jenige/ und jegliches in der ordnung/ liebe/ als göttlichem willen gemäß ist/

daher

ARTIC. III. SECTIO VIII.
ob werde damit bloß der mißbrauch angedeutet/ ſondern daß dieſes in gewiſ-
ſer art mit ein ſtuͤck und pflicht des ehſtandes ſeye/ daß jedes dem andern zu
gefallen trachte. Nechſt dieſer eigenlichen liebe des ehegattens iſt auch nicht
dem goͤttlichen willen entgegen/ daß der menſch ſich ſelbs in goͤttlicher ord-
nung an ſeinem ehegatten liebe/ das iſt/ ſeiner ſeele und leibes vergnuͤgen auf
gewiſſe weiſe an ſeinem ehegatten habe/ und genieſſe/ und ſich alſo in der
furcht des HErrn deſſen gnaden-geſchencks nach ſeiner regel gebrauche. Es
muß aber wohl zugeſehen werden/ daß ſolche liebe in rechten ſchrancken blei-
be. 1. Daß ſie nicht wider Gott gehe oder goͤttl. liebe eine eigenliche hindernuͤß
ſetze/ vielmehr daß allezeit der ehgatte dasjenige mittel gleichſam ſeye/ indem
und durch welches immer unſere liebe auff GOtt gehe/ und er in dem ehegat-
ten geliebet werde/ welches die art iſt aller liebe der creaturen/ wie dieſelbe
GOtt nicht entgegen ſeyn mag. So muß alſo der ehgatte nicht nur nicht uͤber
und wider GOtt geliebet werden/ ihm in dingen/ welche goͤttlichem willen
zuwider waͤren/ zu fuͤgen oder zu gefallen zu ſeyn/ ſondern nicht auſſer GOtt
oder von ihm geſetzter ordnung/ die darinnen beſtehet/ daß die liebe auff
nichts hafften bleibe/ ſondern immer durch alles wiederum hindurch auff
GOtt tringe/ da ſie allein beruhen ſolle. Alſo daß dannenhero jegliches ver-
gnuͤgen/ ſo wir an dem ehgatten haben/ uns eine neue auffmunterung gebe/
GOtt ſo viel hertzlicher zu lieben/ ſeine guͤte zu preiſen/ der uns auch dieſe
freude und verſuͤſſung unſers menſchlichen lebens gegoͤnnet/ und ihm davor
zu dancken. Es ſolte zwahr ſcheinen/ daß der ehſtand ſchon an ſich ſelbs eine
hindernuͤß der liebe GOttes ſeye/ weil die eheliche und ledige darinnen ein-
ander entgegen geſetzet werden/ daß dieſe ſorgen/ was dem HErren/
jene was dem ehgatten gefalle: es mag aber ſolches nicht ſo wol die liebe ſelbs
angehen/ als vielmehr deſſen euſſerlichen oder auch innerlichen dienſt/ ſo fern
dieſer von einiger weitern ſorge gehindert werden kan. Daß demnach der
eheliche ſeinen GOtt nicht weniger lieben darff und kan/ als der ledige auch
thut/ aber dieſer iſt weniger verhindert/ ſolche ſeine liebe gegen GOtt durch
mehrere innerliche und euſſerliche austruͤcke zu erzeigen/ daran den andern
nicht ſo viel der ehſtand ſelbs als die anhaͤngenden mehrere ſorgen und ge-
ſchaͤfften hindern; wie dann ein auch ſehr gutes werck ein anderes gutes etli-
cher maſſen hindert/ ſo fern man nicht beyden mit gleichem fleiß/ gleich wie
einem allein/ abwarten kan. Daher folget 2. daß die liebe auch darinnen
nicht unordenlich ſeyn muͤſſe/ daß ſie allzuhefftig waͤre/ wodurch ſo wol die
liebe GOttes als des nechſten gehindert wuͤrde/ wo der ehgatt ſein gantzes
hertz dermaſſen dem andern anhaͤngte/ daß er davor weder GOtt recht die-
nen/ noch dem nechſten alle ihm ſchuldige ſonſt muͤgliche pflicht leiſten koͤnne.
3. Muß ſie auch alſo in der ordnung bleiben/ daß man an dem ehgatten das
jenige/ und jegliches in der ordnung/ liebe/ als goͤttlichem willen gemaͤß iſt/

daher
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[311/0319] ARTIC. III. SECTIO VIII. ob werde damit bloß der mißbrauch angedeutet/ ſondern daß dieſes in gewiſ- ſer art mit ein ſtuͤck und pflicht des ehſtandes ſeye/ daß jedes dem andern zu gefallen trachte. Nechſt dieſer eigenlichen liebe des ehegattens iſt auch nicht dem goͤttlichen willen entgegen/ daß der menſch ſich ſelbs in goͤttlicher ord- nung an ſeinem ehegatten liebe/ das iſt/ ſeiner ſeele und leibes vergnuͤgen auf gewiſſe weiſe an ſeinem ehegatten habe/ und genieſſe/ und ſich alſo in der furcht des HErrn deſſen gnaden-geſchencks nach ſeiner regel gebrauche. Es muß aber wohl zugeſehen werden/ daß ſolche liebe in rechten ſchrancken blei- be. 1. Daß ſie nicht wider Gott gehe oder goͤttl. liebe eine eigenliche hindernuͤß ſetze/ vielmehr daß allezeit der ehgatte dasjenige mittel gleichſam ſeye/ indem und durch welches immer unſere liebe auff GOtt gehe/ und er in dem ehegat- ten geliebet werde/ welches die art iſt aller liebe der creaturen/ wie dieſelbe GOtt nicht entgegen ſeyn mag. So muß alſo der ehgatte nicht nur nicht uͤber und wider GOtt geliebet werden/ ihm in dingen/ welche goͤttlichem willen zuwider waͤren/ zu fuͤgen oder zu gefallen zu ſeyn/ ſondern nicht auſſer GOtt oder von ihm geſetzter ordnung/ die darinnen beſtehet/ daß die liebe auff nichts hafften bleibe/ ſondern immer durch alles wiederum hindurch auff GOtt tringe/ da ſie allein beruhen ſolle. Alſo daß dannenhero jegliches ver- gnuͤgen/ ſo wir an dem ehgatten haben/ uns eine neue auffmunterung gebe/ GOtt ſo viel hertzlicher zu lieben/ ſeine guͤte zu preiſen/ der uns auch dieſe freude und verſuͤſſung unſers menſchlichen lebens gegoͤnnet/ und ihm davor zu dancken. Es ſolte zwahr ſcheinen/ daß der ehſtand ſchon an ſich ſelbs eine hindernuͤß der liebe GOttes ſeye/ weil die eheliche und ledige darinnen ein- ander entgegen geſetzet werden/ daß dieſe ſorgen/ was dem HErren/ jene was dem ehgatten gefalle: es mag aber ſolches nicht ſo wol die liebe ſelbs angehen/ als vielmehr deſſen euſſerlichen oder auch innerlichen dienſt/ ſo fern dieſer von einiger weitern ſorge gehindert werden kan. Daß demnach der eheliche ſeinen GOtt nicht weniger lieben darff und kan/ als der ledige auch thut/ aber dieſer iſt weniger verhindert/ ſolche ſeine liebe gegen GOtt durch mehrere innerliche und euſſerliche austruͤcke zu erzeigen/ daran den andern nicht ſo viel der ehſtand ſelbs als die anhaͤngenden mehrere ſorgen und ge- ſchaͤfften hindern; wie dann ein auch ſehr gutes werck ein anderes gutes etli- cher maſſen hindert/ ſo fern man nicht beyden mit gleichem fleiß/ gleich wie einem allein/ abwarten kan. Daher folget 2. daß die liebe auch darinnen nicht unordenlich ſeyn muͤſſe/ daß ſie allzuhefftig waͤre/ wodurch ſo wol die liebe GOttes als des nechſten gehindert wuͤrde/ wo der ehgatt ſein gantzes hertz dermaſſen dem andern anhaͤngte/ daß er davor weder GOtt recht die- nen/ noch dem nechſten alle ihm ſchuldige ſonſt muͤgliche pflicht leiſten koͤnne. 3. Muß ſie auch alſo in der ordnung bleiben/ daß man an dem ehgatten das jenige/ und jegliches in der ordnung/ liebe/ als goͤttlichem willen gemaͤß iſt/ daher

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/319>, abgerufen am 22.11.2024.