Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.ARTIC. III. SECTIO VIII. dannoch sich der mittel/ deren sich ausser des ehestands ledige leut und witt-wen gegen den trieb des fleisches nützlich gebrauchen/ nemlich arbeit/ fasten/ gebet und dergleichen/ nicht weniger dazu zu gebrauchen/ wo sie in dero na- tur eine unmäßige brunst fühlen/ dieselbe zu mindern und zu löschen/ damit nicht auch in solcher beywohnung die maaß überschritten werde: ja auch sich zuweilen mit fleiß/ da es sonsten ohne verletzung des gewissens geschehen könte/ des erlaubten enthalten/ sich selbs damit zu gewöhnen/ daß nicht e- ben jegliche begierde müsse erfüllet werden. (4. Es sind auch unterschiedli- che absichten/ welche den gebrauch solches wercks mäßigen sollen/ theils na- türliche/ damit man vor beyderseits gesundheit/ welche durch die unmäßigkeit in diesem werck so wol als durch andere/ leicht schwehrlich verletzet/ ja wol gar das leben abgekürtzet werden mag/ vernünfftiglich sorge/ theils geistliche/ darauff sonderlich Paulus ziehlet 1. Cor. 7/ 5. daß ihr zum fasten und beten musse habt. Woraus zu sehen/ wie um die zeit/ da man vor andern des gebets und der andacht/ nöthig hat/ die enthaltung dieser beywohnung dienlich oder auch zuweilen nöthig seyn könne. Wie auch dorten 2. Mos. 19/ 15. zur vorvereitung auff die hörung des gesetzes/ dieses angezeiget worden daß sich keiner zum weibe nahen solle. Wohin auch gehöret/ wann von einer allgemeinen buß und trauer-zeit gesagt wird Joel. 2/ 16. der bräuti- gam gehe aus seiner kammer/ und die braut aus ihrem gemach. (5. Gleichwol lassen sich in solchen stücken keine solche gesetze christlichen ehe- leuten geben oder vorschreiben/ wann und zu welcher zeit sie solche ihre bey- wohnung zu leisten hätten/ nach dem der Heil. Geist selbs keine besondere re- geln darüber gegeben/ daher uns nicht zukommen will/ daß wir den gewissen stricke anwerffen sollen: sondern haben allein zu bestehen bey den allgemei- nen regeln/ welche uns unser Christenthum und nöthige creutzigung der gelü- sten/ so dann verehrung GOttes in dem ehstand/ an die hand gibet: ausser denen und von sonderbaren umständen/ lässet sich etwa zuweilen rathen/ nicht aber mit gesetzen eine sache einschrencken. Unser liebe Lutherus redet hievon sehr wohl über die wort/ der mann leiste dem weibe die schuldige freundschafft Tom. II. Alt. f. 386. a. b. die wort S. Pauli sind klahr ge- nug/ und dörffen nicht viel glossen, so mag ich nicht so tieff hinein greif- fen/ und unsauber von der ehe-pflicht schreiben. Ein christlicher mensch wird sich selbs hierinnen wol wissen zu halten/ daß er mäßig fahre. So ligt nichts dran/ wie ein unchristlicher mensch hierinnen tobet und wütet. Und wiederum/ ich achte/ es möge von der sach nicht baß geredet werden/ dann hie S. Paulus redet/ daß der ehestand seye da/ als R r 2
ARTIC. III. SECTIO VIII. dannoch ſich der mittel/ deren ſich auſſer des eheſtands ledige leut und witt-wen gegen den trieb des fleiſches nuͤtzlich gebrauchen/ nemlich arbeit/ faſten/ gebet und dergleichen/ nicht weniger dazu zu gebrauchen/ wo ſie in dero na- tur eine unmaͤßige brunſt fuͤhlen/ dieſelbe zu mindern und zu loͤſchen/ damit nicht auch in ſolcher beywohnung die maaß uͤberſchritten werde: ja auch ſich zuweilen mit fleiß/ da es ſonſten ohne verletzung des gewiſſens geſchehen koͤnte/ des erlaubten enthalten/ ſich ſelbs damit zu gewoͤhnen/ daß nicht e- ben jegliche begierde muͤſſe erfuͤllet werden. (4. Es ſind auch unterſchiedli- che abſichten/ welche den gebrauch ſolches wercks maͤßigen ſollen/ theils na- tuͤrliche/ damit man vor beyderſeits geſundheit/ welche durch die unmaͤßigkeit in dieſem werck ſo wol als durch andere/ leicht ſchwehrlich verletzet/ ja wol gar das leben abgekuͤrtzet werden mag/ vernuͤnfftiglich ſorge/ theils geiſtliche/ darauff ſonderlich Paulus ziehlet 1. Cor. 7/ 5. daß ihr zum faſten und beten muſſe habt. Woraus zu ſehen/ wie um die zeit/ da man vor andern des gebets und der andacht/ noͤthig hat/ die enthaltung dieſer beywohnung dienlich oder auch zuweilen noͤthig ſeyn koͤnne. Wie auch dorten 2. Moſ. 19/ 15. zur vorvereitung auff die hoͤrung des geſetzes/ dieſes angezeiget worden daß ſich keiner zum weibe nahen ſolle. Wohin auch gehoͤret/ wann von einer allgemeinen buß und trauer-zeit geſagt wird Joel. 2/ 16. der braͤuti- gam gehe aus ſeiner kammer/ und die braut aus ihrem gemach. (5. Gleichwol laſſen ſich in ſolchen ſtuͤcken keine ſolche geſetze chriſtlichen ehe- leuten geben oder vorſchreiben/ wann und zu welcher zeit ſie ſolche ihre bey- wohnung zu leiſten haͤtten/ nach dem der Heil. Geiſt ſelbs keine beſondere re- geln daruͤber gegeben/ daher uns nicht zukommen will/ daß wir den gewiſſen ſtricke anwerffen ſollen: ſondern haben allein zu beſtehen bey den allgemei- nen regeln/ welche uns unſer Chriſtenthum und noͤthige creutzigung der geluͤ- ſten/ ſo dann verehrung GOttes in dem ehſtand/ an die hand gibet: auſſer denen und von ſonderbaren umſtaͤnden/ laͤſſet ſich etwa zuweilen rathen/ nicht aber mit geſetzen eine ſache einſchrencken. Unſer liebe Lutherus redet hievon ſehr wohl uͤber die wort/ der mann leiſte dem weibe die ſchuldige freundſchafft Tom. II. Alt. f. 386. a. b. die wort S. Pauli ſind klahr ge- nug/ und doͤrffen nicht viel gloſſen, ſo mag ich nicht ſo tieff hinein greif- fen/ und unſauber von der ehe-pflicht ſchreiben. Ein chriſtlicher menſch wird ſich ſelbs hierinnen wol wiſſen zu halten/ daß er maͤßig fahre. So ligt nichts dran/ wie ein unchriſtlicher menſch hierinnen tobet und wuͤtet. Und wiederum/ ich achte/ es moͤge von der ſach nicht baß geredet werden/ dann hie S. Paulus redet/ daß der eheſtand ſeye da/ als R r 2
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ARTIC. III. SECTIO VIII.
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wen gegen den trieb des fleiſches nuͤtzlich gebrauchen/ nemlich arbeit/ faſten/
gebet und dergleichen/ nicht weniger dazu zu gebrauchen/ wo ſie in dero na-
tur eine unmaͤßige brunſt fuͤhlen/ dieſelbe zu mindern und zu loͤſchen/ damit
nicht auch in ſolcher beywohnung die maaß uͤberſchritten werde: ja auch ſich
zuweilen mit fleiß/ da es ſonſten ohne verletzung des gewiſſens geſchehen
koͤnte/ des erlaubten enthalten/ ſich ſelbs damit zu gewoͤhnen/ daß nicht e-
ben jegliche begierde muͤſſe erfuͤllet werden. (4. Es ſind auch unterſchiedli-
che abſichten/ welche den gebrauch ſolches wercks maͤßigen ſollen/ theils na-
tuͤrliche/ damit man vor beyderſeits geſundheit/ welche durch die unmaͤßigkeit
in dieſem werck ſo wol als durch andere/ leicht ſchwehrlich verletzet/ ja wol gar
das leben abgekuͤrtzet werden mag/ vernuͤnfftiglich ſorge/ theils geiſtliche/
darauff ſonderlich Paulus ziehlet 1. Cor. 7/ 5. daß ihr zum faſten und
beten muſſe habt. Woraus zu ſehen/ wie um die zeit/ da man vor andern
des gebets und der andacht/ noͤthig hat/ die enthaltung dieſer beywohnung
dienlich oder auch zuweilen noͤthig ſeyn koͤnne. Wie auch dorten 2. Moſ. 19/
15. zur vorvereitung auff die hoͤrung des geſetzes/ dieſes angezeiget worden
daß ſich keiner zum weibe nahen ſolle. Wohin auch gehoͤret/ wann von
einer allgemeinen buß und trauer-zeit geſagt wird Joel. 2/ 16. der braͤuti-
gam gehe aus ſeiner kammer/ und die braut aus ihrem gemach.
(5. Gleichwol laſſen ſich in ſolchen ſtuͤcken keine ſolche geſetze chriſtlichen ehe-
leuten geben oder vorſchreiben/ wann und zu welcher zeit ſie ſolche ihre bey-
wohnung zu leiſten haͤtten/ nach dem der Heil. Geiſt ſelbs keine beſondere re-
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ſtricke anwerffen ſollen: ſondern haben allein zu beſtehen bey den allgemei-
nen regeln/ welche uns unſer Chriſtenthum und noͤthige creutzigung der geluͤ-
ſten/ ſo dann verehrung GOttes in dem ehſtand/ an die hand gibet: auſſer
denen und von ſonderbaren umſtaͤnden/ laͤſſet ſich etwa zuweilen rathen/
nicht aber mit geſetzen eine ſache einſchrencken. Unſer liebe Lutherus redet
hievon ſehr wohl uͤber die wort/ der mann leiſte dem weibe die ſchuldige
freundſchafft Tom. II. Alt. f. 386. a. b. die wort S. Pauli ſind klahr ge-
nug/ und doͤrffen nicht viel gloſſen, ſo mag ich nicht ſo tieff hinein greif-
fen/ und unſauber von der ehe-pflicht ſchreiben. Ein chriſtlicher menſch
wird ſich ſelbs hierinnen wol wiſſen zu halten/ daß er maͤßig fahre.
So ligt nichts dran/ wie ein unchriſtlicher menſch hierinnen tobet
und wuͤtet. Und wiederum/ ich achte/ es moͤge von der ſach nicht baß
geredet werden/ dann hie S. Paulus redet/ daß der eheſtand ſeye da/
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