Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.ARTIC. III. SECTIO XII. andre arme zu allen/ die ihnen helffen können/ gleiches recht/ und alle andre zuihnen gleiche pflicht haben/ dahin anweiset/ sie dessen nicht zu berauben/ was ihnen nöthig und ohne dasselbe sie von ihm selbs arm gemacht/ damit aber an andre verwiesen würden/ hülffe zu suchen/ zu denen sie kein anderes als allge- meines/ an ihren ehegatten und vater aber ein besonderes und stärckeres recht haben. Ob dann nun wol der allgemeine nahme des nechsten bereits gnug ist/ die liebes-thaten zu üben/ so müssen gleichwol den übrigen diejenige vor- gezogen werden/ die auff absonderliche art näher als die übrige/ und uns al- so zu einer noch genauern versorgung vor den andern anbefohlen sind. 3. Es ist ein ehemann über das vermögen seiner ehegattin wol so fern Jn solcher bewandnüß/ da es nicht darauff ankommet/ ob er den armen SECTIO U u 3
ARTIC. III. SECTIO XII. andre arme zu allen/ die ihnen helffen koͤnnen/ gleiches recht/ und alle andre zuihnen gleiche pflicht haben/ dahin anweiſet/ ſie deſſen nicht zu berauben/ was ihnen noͤthig und ohne daſſelbe ſie von ihm ſelbs arm gemacht/ damit aber an andre verwieſen wuͤrden/ huͤlffe zu ſuchen/ zu denen ſie kein anderes als allge- meines/ an ihren ehegatten und vater abeꝛ ein beſonderes und ſtaͤrckeres recht haben. Ob dann nun wol der allgemeine nahme des nechſten bereits gnug iſt/ die liebes-thaten zu uͤben/ ſo muͤſſen gleichwol den uͤbrigen diejenige vor- gezogen werden/ die auff abſonderliche art naͤher als die uͤbrige/ und uns al- ſo zu einer noch genauern verſorgung vor den andern anbefohlen ſind. 3. Es iſt ein ehemann uͤber das vermoͤgen ſeiner ehegattin wol ſo fern Jn ſolcher bewandnuͤß/ da es nicht darauff ankommet/ ob er den armen SECTIO U u 3
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ARTIC. III. SECTIO XII.
andre arme zu allen/ die ihnen helffen koͤnnen/ gleiches recht/ und alle andre zu
ihnen gleiche pflicht haben/ dahin anweiſet/ ſie deſſen nicht zu berauben/ was
ihnen noͤthig und ohne daſſelbe ſie von ihm ſelbs arm gemacht/ damit aber an
andre verwieſen wuͤrden/ huͤlffe zu ſuchen/ zu denen ſie kein anderes als allge-
meines/ an ihren ehegatten und vater abeꝛ ein beſonderes und ſtaͤrckeres recht
haben. Ob dann nun wol der allgemeine nahme des nechſten bereits gnug
iſt/ die liebes-thaten zu uͤben/ ſo muͤſſen gleichwol den uͤbrigen diejenige vor-
gezogen werden/ die auff abſonderliche art naͤher als die uͤbrige/ und uns al-
ſo zu einer noch genauern verſorgung vor den andern anbefohlen ſind.
3. Es iſt ein ehemann uͤber das vermoͤgen ſeiner ehegattin wol ſo fern
Herr/ daß er daſſelbige verwaltet zum beſten ihres eheſtandes und haußhal-
tung/ da ſie ſo wol als er nur nutzen davon genieſſet/ es iſt ihm aber daſſelbige
nicht darzu uͤbergeben/ es auſſer der euſſerſten noth/ ſo ſie beyderſeits betrifft/
alſo anzuwenden/ daß es damit verzehret wuͤrde/ auffs wenigſte ohne dero
einwilligung. Wofern ſie aber auch ſelbs in ſolche vereuſſerung gehellen
wolte/ weil er als ihr vormund und verwalter ihrer guͤter iſt/ bringet die
ſchuldige treue mit ſich/ ſie weißlich und zum beſten der eigenthuͤmer zu ver-
walten/ dem allerdings entgegen ſtehet/ wo er ſie mercklich verringern oder
gar verthun wolte/ ſo ich wider ſein amt zu ſeyn davor halte/ als darzu ſie
ihm nicht anvertrauet ſind/ und ihm alſo kein recht ſolches zu thun daruͤber
zukommet.
Jn ſolcher bewandnuͤß/ da es nicht darauff ankommet/ ob er den armen
nach vermoͤgen gutes thun ſolle/ welche pflicht der liebe und Chriſti gebot al-
lezeit ſtehen bleibet/ ſondern ob mit ſolcher wohlthat an armen die ihm anver-
traute auff das kuͤnfftige gewiß arm gemacht/ und in mangel geſetzt/ daher je-
ne dieſen in der gutthaͤtigkeit vorgezogen werden ſollen/ achte ich allerdings
den regeln der chriſtlichen billichkeit gemaͤß/ daß ein ſolcher ehemann von dem
genuß der unter haͤnden habenden guͤter und ſeinem verdienſt allemal an ar-
me/ wie ihm der HErr dieſelbe auffſtoſſen laͤßt/ oder ſeine liebe ſolche ſelbs
ausſuchet/ ſo viel anwende/ als es einerſeits von noͤthen iſt (dann wo es nicht
ſolche noth iſt/ mag er auch hievon mit gutem gewiſſen beylegen) anderſeits
ſeine und der ſeinigen ehrliche und gnugſame unterhaltung/ welche vorgehet/
zugeben kan. Wo er dieſes thut/ verbindet ihn die ordenliche liebe nicht zu
der hingebung des uͤbrigen auſſer dem zuerſt angedenteten fall einer euſſerſt
allgemeinen einbrechenden noth/ welche uͤber die gemeine regeln noch ein meh-
reres erforderte. Der HErr mache uns aber allezeit ſelbs in unſern ſeelen
durch ſeinen Geiſt gewiß/ was in jedem ſein heiliger wille an uns ſeye/ und
gebe uns gnade demſelben zu gehorſamen um Chriſti willen. Amen. 1695.
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