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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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ARTIC. III. SECTIO XIII.
hen/ und keine wahre ehre in sich haben; wo neben dem hochmuth des hertzens
auch grosse thorheit sich offenbahret/ daß eine solche seele nicht verstehet/ was
die wahre güter sind/ und eine herrlichkeit oder ehre suchet in einer eiteln ein-
bildung: Welcherley gemüther sich offenbahren/ daß sie die wahre güter/ wor-
innen eine rechte ehr ist/ nicht verstehen/ und also die an diesem eusserlichen
schmuck ein vergnügen finden/ von dem wahren schmuck allerdings nichts
wissen. Wie nicht weniger diejenige/ so nach der mode sich offt ändern/ eben-
fals damit die eitelkeit ihres hertzens/ und daß sie ein sonderliches in der art
und facon der kleider zu stehen achten/ verrathen: Welcherley abermal den
Christen unanständig ist.

8. Voraus gesetzt nun dessen/ so komme endlich auff die hypothesin
selbs/ und halte davor/ daß an einem ort/ da insgemein die kleider der weibs-
personen gegen andere ort geachtet/ prächtiger im gebrauch sind/ eine christ-
liche weibs-person/ die wahrhafftig in ihrer seelen die allergeringste tracht
solches orts üblich zu seyn wünschet/ nach redlicher prüfung des hertzens (so
uns sonsten gar leicht betriegen kan/ deßwegen in der untersuchung nicht oben
hin gefahren werden muß) sich vor GOtt rein befindet/ daß sie nichts dessen
mit belieben ihres hertzens thue/ sondern stäts vor dessen augen sich bey den
kleidern ihrer sünden erinnere/ und in sich demüthige/ daher allen schmuck als
ein unreines tuch achte/ und also in einer ungeheuchelten demuth stehet/ mit
verlangen aller dieser noch übriger dienstbarkeit/ dero sie wider willen noch
unterworffen leben muß/ gantz befreyet zu werden/ nicht sündige/ da sie nach
der daselbs üblichen tracht in ihrem stande gehet/ und in demselben noch alle-
zeit bey dem geringsten zu bleiben sich mit fleiß bestrebet. Dann wie eine sol-
che seele in ihrem inwendigen vor GOtt rechtschaffen stehet/ also ist der ge-
brauch ihrer kleider ihr nicht sündlich; alldieweil unser Heyland/ wie eigen-
lich jegliche kleider gestaltet seyn sollen/ uns nicht vorgeschrieben hat/ dero-
wegen alles frey bleibet/ was nicht gegen die allgemeine regeln streitet; wie
dann auch hie dasjenige praesupponiret wird/ daß die vorhin angedeutete
sünden vermieden werden.

9. Jndessen damit sich ja eine seele/ die sonsten dem HErrn hertzlich die-
nen will/ hierinnen nicht verstosse/ noch dem fleisch bey sich zu einem betrug
der sünden platz gebe/ muß fleißig auff die bereits angedeutete limitationes
acht gegeben werden. Sonderlich daß man sich nicht in prüfung seines her-
tzens betriege welches nicht ungemein ist) sondern daß wahr hafftig dasselbe
in der rechten demuth stehe. Zu solcher versicherung/ und damit auch ande-
re dessen proben an uns sehen/ gehöret/ daß wahrhafftig eine solche person in
ihrer tracht immerdar das geringste erwehle/ was ohne mit zimlichem schein
geschehende übele nachrede kan erwehlet werden/ daß sie ob zwahr nicht
allzuweit sich von allen andern entferne/ und damit sich zu einem son-

dern
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ARTIC. III. SECTIO XIII.
hen/ und keine wahre ehre in ſich haben; wo neben dem hochmuth des hertzens
auch groſſe thorheit ſich offenbahret/ daß eine ſolche ſeele nicht verſtehet/ was
die wahre guͤter ſind/ und eine herrlichkeit oder ehre ſuchet in einer eiteln ein-
bildung: Welcherley gemuͤther ſich offenbahren/ daß ſie die wahre guͤter/ wor-
innen eine rechte ehr iſt/ nicht verſtehen/ und alſo die an dieſem euſſerlichen
ſchmuck ein vergnuͤgen finden/ von dem wahren ſchmuck allerdings nichts
wiſſen. Wie nicht weniger diejenige/ ſo nach der mode ſich offt aͤndern/ eben-
fals damit die eitelkeit ihres hertzens/ und daß ſie ein ſonderliches in der art
und façon der kleider zu ſtehen achten/ verrathen: Welcherley abermal den
Chriſten unanſtaͤndig iſt.

8. Voraus geſetzt nun deſſen/ ſo komme endlich auff die hypotheſin
ſelbs/ und halte davor/ daß an einem ort/ da insgemein die kleider der weibs-
perſonen gegen andere ort geachtet/ praͤchtiger im gebrauch ſind/ eine chriſt-
liche weibs-perſon/ die wahrhafftig in ihrer ſeelen die allergeringſte tracht
ſolches orts uͤblich zu ſeyn wuͤnſchet/ nach redlicher pruͤfung des hertzens (ſo
uns ſonſten gar leicht betriegen kan/ deßwegen in der unterſuchung nicht oben
hin gefahren werden muß) ſich vor GOtt rein befindet/ daß ſie nichts deſſen
mit belieben ihres hertzens thue/ ſondern ſtaͤts vor deſſen augen ſich bey den
kleidern ihrer ſuͤnden erinnere/ und in ſich demuͤthige/ daher allen ſchmuck als
ein unreines tuch achte/ und alſo in einer ungeheuchelten demuth ſtehet/ mit
verlangen aller dieſer noch uͤbriger dienſtbarkeit/ dero ſie wider willen noch
unterworffen leben muß/ gantz befreyet zu werden/ nicht ſuͤndige/ da ſie nach
der daſelbs uͤblichen tracht in ihrem ſtande gehet/ und in demſelben noch alle-
zeit bey dem geringſten zu bleiben ſich mit fleiß beſtrebet. Dann wie eine ſol-
che ſeele in ihrem inwendigen vor GOtt rechtſchaffen ſtehet/ alſo iſt der ge-
brauch ihrer kleider ihr nicht ſuͤndlich; alldieweil unſer Heyland/ wie eigen-
lich jegliche kleider geſtaltet ſeyn ſollen/ uns nicht vorgeſchrieben hat/ dero-
wegen alles frey bleibet/ was nicht gegen die allgemeine regeln ſtreitet; wie
dann auch hie dasjenige præſupponiret wird/ daß die vorhin angedeutete
ſuͤnden vermieden werden.

9. Jndeſſen damit ſich ja eine ſeele/ die ſonſten dem HErrn hertzlich die-
nen will/ hierinnen nicht verſtoſſe/ noch dem fleiſch bey ſich zu einem betrug
der ſuͤnden platz gebe/ muß fleißig auff die bereits angedeutete limitationes
acht gegeben werden. Sonderlich daß man ſich nicht in pruͤfung ſeines her-
tzens betriege welches nicht ungemein iſt) ſondern daß wahr hafftig daſſelbe
in der rechten demuth ſtehe. Zu ſolcher verſicherung/ und damit auch ande-
re deſſen proben an uns ſehen/ gehoͤret/ daß wahrhafftig eine ſolche perſon in
ihrer tracht immerdar das geringſte erwehle/ was ohne mit zimlichem ſchein
geſchehende uͤbele nachrede kan erwehlet werden/ daß ſie ob zwahr nicht
allzuweit ſich von allen andern entferne/ und damit ſich zu einem ſon-

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[357/0365] ARTIC. III. SECTIO XIII. hen/ und keine wahre ehre in ſich haben; wo neben dem hochmuth des hertzens auch groſſe thorheit ſich offenbahret/ daß eine ſolche ſeele nicht verſtehet/ was die wahre guͤter ſind/ und eine herrlichkeit oder ehre ſuchet in einer eiteln ein- bildung: Welcherley gemuͤther ſich offenbahren/ daß ſie die wahre guͤter/ wor- innen eine rechte ehr iſt/ nicht verſtehen/ und alſo die an dieſem euſſerlichen ſchmuck ein vergnuͤgen finden/ von dem wahren ſchmuck allerdings nichts wiſſen. Wie nicht weniger diejenige/ ſo nach der mode ſich offt aͤndern/ eben- fals damit die eitelkeit ihres hertzens/ und daß ſie ein ſonderliches in der art und façon der kleider zu ſtehen achten/ verrathen: Welcherley abermal den Chriſten unanſtaͤndig iſt. 8. Voraus geſetzt nun deſſen/ ſo komme endlich auff die hypotheſin ſelbs/ und halte davor/ daß an einem ort/ da insgemein die kleider der weibs- perſonen gegen andere ort geachtet/ praͤchtiger im gebrauch ſind/ eine chriſt- liche weibs-perſon/ die wahrhafftig in ihrer ſeelen die allergeringſte tracht ſolches orts uͤblich zu ſeyn wuͤnſchet/ nach redlicher pruͤfung des hertzens (ſo uns ſonſten gar leicht betriegen kan/ deßwegen in der unterſuchung nicht oben hin gefahren werden muß) ſich vor GOtt rein befindet/ daß ſie nichts deſſen mit belieben ihres hertzens thue/ ſondern ſtaͤts vor deſſen augen ſich bey den kleidern ihrer ſuͤnden erinnere/ und in ſich demuͤthige/ daher allen ſchmuck als ein unreines tuch achte/ und alſo in einer ungeheuchelten demuth ſtehet/ mit verlangen aller dieſer noch uͤbriger dienſtbarkeit/ dero ſie wider willen noch unterworffen leben muß/ gantz befreyet zu werden/ nicht ſuͤndige/ da ſie nach der daſelbs uͤblichen tracht in ihrem ſtande gehet/ und in demſelben noch alle- zeit bey dem geringſten zu bleiben ſich mit fleiß beſtrebet. Dann wie eine ſol- che ſeele in ihrem inwendigen vor GOtt rechtſchaffen ſtehet/ alſo iſt der ge- brauch ihrer kleider ihr nicht ſuͤndlich; alldieweil unſer Heyland/ wie eigen- lich jegliche kleider geſtaltet ſeyn ſollen/ uns nicht vorgeſchrieben hat/ dero- wegen alles frey bleibet/ was nicht gegen die allgemeine regeln ſtreitet; wie dann auch hie dasjenige præſupponiret wird/ daß die vorhin angedeutete ſuͤnden vermieden werden. 9. Jndeſſen damit ſich ja eine ſeele/ die ſonſten dem HErrn hertzlich die- nen will/ hierinnen nicht verſtoſſe/ noch dem fleiſch bey ſich zu einem betrug der ſuͤnden platz gebe/ muß fleißig auff die bereits angedeutete limitationes acht gegeben werden. Sonderlich daß man ſich nicht in pruͤfung ſeines her- tzens betriege welches nicht ungemein iſt) ſondern daß wahr hafftig daſſelbe in der rechten demuth ſtehe. Zu ſolcher verſicherung/ und damit auch ande- re deſſen proben an uns ſehen/ gehoͤret/ daß wahrhafftig eine ſolche perſon in ihrer tracht immerdar das geringſte erwehle/ was ohne mit zimlichem ſchein geſchehende uͤbele nachrede kan erwehlet werden/ daß ſie ob zwahr nicht allzuweit ſich von allen andern entferne/ und damit ſich zu einem ſon- dern Y y 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/365>, abgerufen am 22.11.2024.