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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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ARTIC. III. SECTIO XVIII.
was ins künfftige vorzunehmen/ verschieben will/ als davon ich nicht so wol
dißmal schreiben kan/ sondern zu dero gründlicher beantwortung unterschied-
liches wird überlegt werden müsseu/ welches nicht wol anders als in gegen-
wart geschehen kan. Daher es dißmal hierbey beruhen lasse/ und nechst hertz-
licher wiederhohlung obigen christlichen wunsches ihn insgesamt der himmli-
schen gnaden-regierung und kräfftigen würckung des Heiligen Geistes über-
lasse. 1687.

SECTIO XVIII.
Vom bösen gebrauch bey dem Schneider-hand-
werck/ da die gesellen als ein recht praetendiren/ von der zu
verarbeiten gegebenen seide vor sich einen theil zum verkauff zu be-
halten/ und die meister/ die solches nicht zulassen wollen/
deswegen verlassen.

AUf das vor mir ausgeschüttete anliegen zu kommen/ ist auch dieses ein
zeugnüß unsers eussersten verderbens/ daß neben den allgemeinen hin-
dernüssen jegliche absonderliche profession auch ihre besondere steine
des anstosses hat/ die denjenigen/ welche gern ihr Christenthum nach der regel
GOttes führen wollen/ dasselbe schwehr machen/ daß sie dieselbe zu überwin-
den kaum müglich finden/ und manch tausend seuffzen deswegen zu GOTT
schicken. Darzu noch kommet/ daß jeglicher seinen stand vor allen andern
vor den verderbtesten und gefährlichsten achtet/ weil er nemlich dessen gefahr
vor allen andern am meisten einsihet/ da ihm hingegen nicht gleicher massen
bekant ist/ wo auch andere der schuh trucke/ und ihnen nicht weniger angst
verursache. Daß ich aber so bald zur sache selbs schreite/ so fasse ich meine
meinung in etliche sätze. 1. Aller eigenliche diebstahl ist einem Christen ver-
boten/ und kan mit unverletztem gewissen nicht begangen werden: Es heisset
aber diebstahl alles/ wo ich dem andern etwas des seinigen entziehe/ entweder
mit gewalt/ oder heimlich und unvermerckt/ unter welche art denn eben dieses
gehöret/ wo man bey dem schneider-handwerck zu den kleidern mehr seiden
und anders fordert/ anrechnet/ und sich bezahlen lässet/ als man wircklich be-
darff und verbrauchet. Daher ein solches zu thun allerdings unrecht ist.
2. Wie nun meister und geselleu/ die dergleichen thun/ sich allerdings hieran
versündigen/ so wird jenes schuld in so fern grösser/ daß er diesen zu ihrer boß-
heit wissentlich hilfft. 3. Also kan dergleichen zu thun nicht recht oder er-
laubt werden/ es wäre dann/ daß diejenige/ mit denen man es zu thun hat/ auf
vorstellung der sachen bewandnüß sich selbs darzu disponiren liessen/ drein zu
willigen/ daß etwas mehreres auffgenommen würde. 4. Ausser dem wäre

kein

ARTIC. III. SECTIO XVIII.
was ins kuͤnfftige vorzunehmen/ verſchieben will/ als davon ich nicht ſo wol
dißmal ſchreiben kan/ ſondern zu dero gruͤndlicher beantwortung unterſchied-
liches wird uͤberlegt werden muͤſſeu/ welches nicht wol anders als in gegen-
wart geſchehen kan. Daher es dißmal hierbey beruhen laſſe/ und nechſt hertz-
licher wiederhohlung obigen chriſtlichen wunſches ihn insgeſamt der himmli-
ſchen gnaden-regierung und kraͤfftigen wuͤrckung des Heiligen Geiſtes uͤber-
laſſe. 1687.

SECTIO XVIII.
Vom boͤſen gebrauch bey dem Schneider-hand-
werck/ da die geſellen als ein recht prætendiren/ von der zu
verarbeiten gegebenen ſeide vor ſich einen theil zum verkauff zu be-
halten/ und die meiſter/ die ſolches nicht zulaſſen wollen/
deswegen verlaſſen.

AUf das vor mir ausgeſchuͤttete anliegen zu kommen/ iſt auch dieſes ein
zeugnuͤß unſers euſſerſten verderbens/ daß neben den allgemeinen hin-
dernuͤſſen jegliche abſonderliche profeſſion auch ihre beſondere ſteine
des anſtoſſes hat/ die denjenigen/ welche gern ihr Chriſtenthum nach der regel
GOttes fuͤhren wollen/ daſſelbe ſchwehr machen/ daß ſie dieſelbe zu uͤberwin-
den kaum muͤglich finden/ und manch tauſend ſeuffzen deswegen zu GOTT
ſchicken. Darzu noch kommet/ daß jeglicher ſeinen ſtand vor allen andern
vor den verderbteſten und gefaͤhrlichſten achtet/ weil er nemlich deſſen gefahr
vor allen andern am meiſten einſihet/ da ihm hingegen nicht gleicher maſſen
bekant iſt/ wo auch andere der ſchuh trucke/ und ihnen nicht weniger angſt
verurſache. Daß ich aber ſo bald zur ſache ſelbs ſchreite/ ſo faſſe ich meine
meinung in etliche ſaͤtze. 1. Aller eigenliche diebſtahl iſt einem Chriſten ver-
boten/ und kan mit unverletztem gewiſſen nicht begangen werden: Es heiſſet
aber diebſtahl alles/ wo ich dem andern etwas des ſeinigen entziehe/ entweder
mit gewalt/ oder heimlich und unvermerckt/ unter welche art denn eben dieſes
gehoͤret/ wo man bey dem ſchneider-handwerck zu den kleidern mehr ſeiden
und anders fordert/ anrechnet/ und ſich bezahlen laͤſſet/ als man wircklich be-
darff und verbrauchet. Daher ein ſolches zu thun allerdings unrecht iſt.
2. Wie nun meiſter und geſelleu/ die dergleichen thun/ ſich allerdings hieran
verſuͤndigen/ ſo wird jenes ſchuld in ſo fern groͤſſer/ daß er dieſen zu ihrer boß-
heit wiſſentlich hilfft. 3. Alſo kan dergleichen zu thun nicht recht oder er-
laubt werden/ es waͤre dann/ daß diejenige/ mit denen man es zu thun hat/ auf
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[375/0383] ARTIC. III. SECTIO XVIII. was ins kuͤnfftige vorzunehmen/ verſchieben will/ als davon ich nicht ſo wol dißmal ſchreiben kan/ ſondern zu dero gruͤndlicher beantwortung unterſchied- liches wird uͤberlegt werden muͤſſeu/ welches nicht wol anders als in gegen- wart geſchehen kan. Daher es dißmal hierbey beruhen laſſe/ und nechſt hertz- licher wiederhohlung obigen chriſtlichen wunſches ihn insgeſamt der himmli- ſchen gnaden-regierung und kraͤfftigen wuͤrckung des Heiligen Geiſtes uͤber- laſſe. 1687. SECTIO XVIII. Vom boͤſen gebrauch bey dem Schneider-hand- werck/ da die geſellen als ein recht prætendiren/ von der zu verarbeiten gegebenen ſeide vor ſich einen theil zum verkauff zu be- halten/ und die meiſter/ die ſolches nicht zulaſſen wollen/ deswegen verlaſſen. AUf das vor mir ausgeſchuͤttete anliegen zu kommen/ iſt auch dieſes ein zeugnuͤß unſers euſſerſten verderbens/ daß neben den allgemeinen hin- dernuͤſſen jegliche abſonderliche profeſſion auch ihre beſondere ſteine des anſtoſſes hat/ die denjenigen/ welche gern ihr Chriſtenthum nach der regel GOttes fuͤhren wollen/ daſſelbe ſchwehr machen/ daß ſie dieſelbe zu uͤberwin- den kaum muͤglich finden/ und manch tauſend ſeuffzen deswegen zu GOTT ſchicken. Darzu noch kommet/ daß jeglicher ſeinen ſtand vor allen andern vor den verderbteſten und gefaͤhrlichſten achtet/ weil er nemlich deſſen gefahr vor allen andern am meiſten einſihet/ da ihm hingegen nicht gleicher maſſen bekant iſt/ wo auch andere der ſchuh trucke/ und ihnen nicht weniger angſt verurſache. Daß ich aber ſo bald zur ſache ſelbs ſchreite/ ſo faſſe ich meine meinung in etliche ſaͤtze. 1. Aller eigenliche diebſtahl iſt einem Chriſten ver- boten/ und kan mit unverletztem gewiſſen nicht begangen werden: Es heiſſet aber diebſtahl alles/ wo ich dem andern etwas des ſeinigen entziehe/ entweder mit gewalt/ oder heimlich und unvermerckt/ unter welche art denn eben dieſes gehoͤret/ wo man bey dem ſchneider-handwerck zu den kleidern mehr ſeiden und anders fordert/ anrechnet/ und ſich bezahlen laͤſſet/ als man wircklich be- darff und verbrauchet. Daher ein ſolches zu thun allerdings unrecht iſt. 2. Wie nun meiſter und geſelleu/ die dergleichen thun/ ſich allerdings hieran verſuͤndigen/ ſo wird jenes ſchuld in ſo fern groͤſſer/ daß er dieſen zu ihrer boß- heit wiſſentlich hilfft. 3. Alſo kan dergleichen zu thun nicht recht oder er- laubt werden/ es waͤre dann/ daß diejenige/ mit denen man es zu thun hat/ auf vorſtellung der ſachen bewandnuͤß ſich ſelbs darzu diſponiren lieſſen/ drein zu willigen/ daß etwas mehreres auffgenommen wuͤrde. 4. Auſſer dem waͤre kein

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/383>, abgerufen am 22.11.2024.