Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.ARTIC. IV. SECTIO II. sondern lieber alles verliehren als deroselben missen wolten (welches allesdie art der zuversicht ist) als auch die gewisse versicherung/ daß wir solche gü- ter haben und geniessen sollen. Ohne jenes erste/ ist nimmer kein glaube/ und kan also derselbe mit dem gegentheil/ da der mensch sein datum, seine be- gierde und vertrauen auff das vergängliche setzet/ und in diesem sein wohl- seyn suchet/ nicht bestehen: Was aber das andere anlangt/ so ist die empfin- dung desselben nicht allemal bey dem glauben/ sondern findet sich an statt der- selben allein eine empfindung eines brünstigen verlangens/ davon wir oben geredet/ und stecket doch in derseben der krafft nach solche zuversicht/ die nur durch die auff steigende zweiffel unempfindlich gemacht wird. Es sind aber solche zweiffel nicht eigenlich unsere wirckungen. Dann solche angefochtene müssen sie wider willen leiden/ und wolten offt mit verlust alles was sie ha- ben sich davon loßkauffen/ sondern sie sind theils suggestiones und eingebun- gen des teuffels/ als die zu dessen feurigen pfeilen Ephes. 6. gehören/ theils versuchungen des sündlichen und von natur unglaubigen fleisches/ deme wir selbsten feind sind: Daher dasjenige/ was dieselbe bestreiten/ nemlich die versicherung auff unsere eigene person/ vielmehr in dem hertzen obwol verbor- gen/ vorhanden seyn muß. Wie auch alles/ was in solcher unempfindlichkeit und angst geschihet/ das ängstliche seufftzen nach der gnade/ die sorgfältige vermeidung alles dessen/ was dieselbe wegstossen könte und dergleichen/ ein zeugnüß solcher zuversicht ist; dann wo diese gantz weg wäre/ so würde sol- ches von selbsten auch hinfallen: als bey denen geschähe/ die wircklich an göttlicher gnade verzweiflen. Wie nun die verzweiflung eigenlich das op- positum des glaubens und dessen zuversicht ist/ so kan noch so lang als jene nicht überhand nimmet/ eine schwache zuversicht vorhanden seyn/ dero füh- lung durch den kampff der zweiffel auffgehalten wird. 7. Wo wir aber davon reden/ wie der glaube das principium seyn müs- se/ daraus alle unsere wercke entspringen sollen/ und ausser demselben sünde seyn/ Rom. 14/ 23. so hat das obenbesagte meistens auch in dieser conside- ration platz. Sonderlich weil auch wahrhafftig eben der seligmachende glau- be zu einer christlichen handlung gehöret/ solle sie nicht zur sünde werden. Dann weil alle unsere auch beste wercke vor GOttes strengem gericht ihrer unvollkommenheit wegen nicht bestehen könten/ so gehöret sichs bey allen/ daß was wir thun/ wir es auch so fern in Christi nahmen thun/ das ist in hertzlichem vertrauen/ daß GOtt alles solches so wir in einfalt unserer her- tzen zu seinen ehren vornehmen/ um Christi willen in gnaden annehmen/ und sich wohlgefallen lassen werde (das sind die geistliche opffer/ die GOtt an- genehm sind durch JEsum Christum 1. Pet. 2/ 5.) sonsten wo es nicht auff diese weise sondern mit einbildung eigener vollkommenheit geschihet/ wür-
ARTIC. IV. SECTIO II. ſondern lieber alles verliehren als deroſelben miſſen wolten (welches allesdie art der zuverſicht iſt) als auch die gewiſſe verſicherung/ daß wir ſolche guͤ- ter haben und genieſſen ſollen. Ohne jenes erſte/ iſt nimmer kein glaube/ und kan alſo derſelbe mit dem gegentheil/ da der menſch ſein datum, ſeine be- gierde und vertrauen auff das vergaͤngliche ſetzet/ und in dieſem ſein wohl- ſeyn ſuchet/ nicht beſtehen: Was aber das andere anlangt/ ſo iſt die empfin- dung deſſelben nicht allemal bey dem glauben/ ſondern findet ſich an ſtatt der- ſelben allein eine empfindung eines bruͤnſtigen verlangens/ davon wir oben geredet/ und ſtecket doch in derſeben der krafft nach ſolche zuverſicht/ die nur durch die auff ſteigende zweiffel unempfindlich gemacht wird. Es ſind aber ſolche zweiffel nicht eigenlich unſere wirckungen. Dann ſolche angefochtene muͤſſen ſie wider willen leiden/ und wolten offt mit verluſt alles was ſie ha- ben ſich davon loßkauffen/ ſondern ſie ſind theils ſuggeſtiones und eingebun- gen des teuffels/ als die zu deſſen feurigen pfeilen Epheſ. 6. gehoͤren/ theils verſuchungen des ſuͤndlichen und von natur unglaubigen fleiſches/ deme wir ſelbſten feind ſind: Daher dasjenige/ was dieſelbe beſtreiten/ nemlich die verſicherung auff unſere eigene perſon/ vielmehr in dem hertzen obwol verbor- gen/ vorhanden ſeyn muß. Wie auch alles/ was in ſolcher unempfindlichkeit und angſt geſchihet/ das aͤngſtliche ſeufftzen nach der gnade/ die ſorgfaͤltige vermeidung alles deſſen/ was dieſelbe wegſtoſſen koͤnte und dergleichen/ ein zeugnuͤß ſolcher zuverſicht iſt; dann wo dieſe gantz weg waͤre/ ſo wuͤrde ſol- ches von ſelbſten auch hinfallen: als bey denen geſchaͤhe/ die wircklich an goͤttlicher gnade verzweiflen. Wie nun die verzweiflung eigenlich das op- poſitum des glaubens und deſſen zuverſicht iſt/ ſo kan noch ſo lang als jene nicht uͤberhand nimmet/ eine ſchwache zuverſicht vorhanden ſeyn/ dero fuͤh- lung durch den kampff der zweiffel auffgehalten wird. 7. Wo wir aber davon reden/ wie der glaube das principium ſeyn muͤſ- ſe/ daraus alle unſere wercke entſpringen ſollen/ und auſſer demſelben ſuͤnde ſeyn/ Rom. 14/ 23. ſo hat das obenbeſagte meiſtens auch in dieſer conſide- ration platz. Sonderlich weil auch wahrhafftig eben der ſeligmachende glau- be zu einer chriſtlichen handlung gehoͤret/ ſolle ſie nicht zur ſuͤnde werden. Dann weil alle unſere auch beſte wercke vor GOttes ſtrengem gericht ihrer unvollkommenheit wegen nicht beſtehen koͤnten/ ſo gehoͤret ſichs bey allen/ daß was wir thun/ wir es auch ſo fern in Chriſti nahmen thun/ das iſt in hertzlichem vertrauen/ daß GOtt alles ſolches ſo wir in einfalt unſerer her- tzen zu ſeinen ehren vornehmen/ um Chriſti willen in gnaden annehmen/ und ſich wohlgefallen laſſen werde (das ſind die geiſtliche opffer/ die GOtt an- genehm ſind durch JEſum Chriſtum 1. Pet. 2/ 5.) ſonſten wo es nicht auff dieſe weiſe ſondern mit einbildung eigener vollkommenheit geſchihet/ wuͤr-
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ARTIC. IV. SECTIO II.
ſondern lieber alles verliehren als deroſelben miſſen wolten (welches alles
die art der zuverſicht iſt) als auch die gewiſſe verſicherung/ daß wir ſolche guͤ-
ter haben und genieſſen ſollen. Ohne jenes erſte/ iſt nimmer kein glaube/
und kan alſo derſelbe mit dem gegentheil/ da der menſch ſein datum, ſeine be-
gierde und vertrauen auff das vergaͤngliche ſetzet/ und in dieſem ſein wohl-
ſeyn ſuchet/ nicht beſtehen: Was aber das andere anlangt/ ſo iſt die empfin-
dung deſſelben nicht allemal bey dem glauben/ ſondern findet ſich an ſtatt der-
ſelben allein eine empfindung eines bruͤnſtigen verlangens/ davon wir oben
geredet/ und ſtecket doch in derſeben der krafft nach ſolche zuverſicht/ die nur
durch die auff ſteigende zweiffel unempfindlich gemacht wird. Es ſind aber
ſolche zweiffel nicht eigenlich unſere wirckungen. Dann ſolche angefochtene
muͤſſen ſie wider willen leiden/ und wolten offt mit verluſt alles was ſie ha-
ben ſich davon loßkauffen/ ſondern ſie ſind theils ſuggeſtiones und eingebun-
gen des teuffels/ als die zu deſſen feurigen pfeilen Epheſ. 6. gehoͤren/ theils
verſuchungen des ſuͤndlichen und von natur unglaubigen fleiſches/ deme wir
ſelbſten feind ſind: Daher dasjenige/ was dieſelbe beſtreiten/ nemlich die
verſicherung auff unſere eigene perſon/ vielmehr in dem hertzen obwol verbor-
gen/ vorhanden ſeyn muß. Wie auch alles/ was in ſolcher unempfindlichkeit
und angſt geſchihet/ das aͤngſtliche ſeufftzen nach der gnade/ die ſorgfaͤltige
vermeidung alles deſſen/ was dieſelbe wegſtoſſen koͤnte und dergleichen/ ein
zeugnuͤß ſolcher zuverſicht iſt; dann wo dieſe gantz weg waͤre/ ſo wuͤrde ſol-
ches von ſelbſten auch hinfallen: als bey denen geſchaͤhe/ die wircklich an
goͤttlicher gnade verzweiflen. Wie nun die verzweiflung eigenlich das op-
poſitum des glaubens und deſſen zuverſicht iſt/ ſo kan noch ſo lang als jene
nicht uͤberhand nimmet/ eine ſchwache zuverſicht vorhanden ſeyn/ dero fuͤh-
lung durch den kampff der zweiffel auffgehalten wird.
7. Wo wir aber davon reden/ wie der glaube das principium ſeyn muͤſ-
ſe/ daraus alle unſere wercke entſpringen ſollen/ und auſſer demſelben ſuͤnde
ſeyn/ Rom. 14/ 23. ſo hat das obenbeſagte meiſtens auch in dieſer conſide-
ration platz. Sonderlich weil auch wahrhafftig eben der ſeligmachende glau-
be zu einer chriſtlichen handlung gehoͤret/ ſolle ſie nicht zur ſuͤnde werden.
Dann weil alle unſere auch beſte wercke vor GOttes ſtrengem gericht ihrer
unvollkommenheit wegen nicht beſtehen koͤnten/ ſo gehoͤret ſichs bey allen/
daß was wir thun/ wir es auch ſo fern in Chriſti nahmen thun/ das iſt in
hertzlichem vertrauen/ daß GOtt alles ſolches ſo wir in einfalt unſerer her-
tzen zu ſeinen ehren vornehmen/ um Chriſti willen in gnaden annehmen/ und
ſich wohlgefallen laſſen werde (das ſind die geiſtliche opffer/ die GOtt an-
genehm ſind durch JEſum Chriſtum 1. Pet. 2/ 5.) ſonſten wo es nicht
auff dieſe weiſe ſondern mit einbildung eigener vollkommenheit geſchihet/
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