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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das dritte Capitel.
frage/ sonderlich wo es zu der application und hypothesi jedesmal kommet/
die ihre zimliche difficultäten hat/ und nicht eben alles so leicht ausgemacht ist/
wie diejenige zuweilen vermuthen möchten/ welche die sachen nicht tieffer ein-
sehen/ indessen ists keine unmügliche sache/ auch hierinnen zu seines gewissens
beruhigung eine versicherung zu erlangen. Die materie völlig auszuführen
ist allzuweitläufftig/ und bekenne auch/ daß sie lieber von andern lesen/ als sie
selbs übernehmen wolte. Auffs kürtzeste meine gedancken zu fassen/ so meine
ich/ die vocation seye ein werck/ dero göttliche gültigkeit aus zusammen gesetz-
ten mehrern umständen geschlossen werden muß/ nemlich wo dieselbe insge-
samt richtig sind: Als nemlich wo 1. bey dem vocante kein mangel/ sondern der-
selbe das recht dazu hat. 2. Da in der art kein fehler/ nichts erkaufft oder
sonst auf unziemliche weise erpracticiret ist. 3. Da an dem vocando sich das
nöthige findet. 1. Daß er eine freye und andern nicht mehr verbundene per-
son/ oder doch von solchem bande auf rechtmäßige weise loß gemacht worden.
2. Daß so wol insgemein die tüchtigkeit zu dem heiligen amt sich bey ihm fin-
de/ als absonderlich nichts an ihm zu sehen/ daß etwa derjenigen stelle/ davon
geredet wird/ besonders unanständig seye. Diese requisita achte gantz nöthig
seyn/ und wüste nicht/ ob über dieselbe wol andere nöthig wären. Was die
internam vocationem anlangt/ so fern dieselbe heissen solle einen empfindli-
chen trieb in seinem hertzen/ und eine freudigkeit solches amt anzunehmen/
traute ich mir nicht dieselbe als ein nothwendiges requisitum zu erfordern:
Bey Mose/ Jeremia und Jona/ war an statt desselben triebes und freudig-
keit/ vielmehr eine widrigkeit dagegen/ und doch war der beruff unzweiffenlich
göttlich. Wiewol wo solcher trieb vorhanden ist/ ich aus demselben/ da die
andere requisita auch da sind/ auf die göttlichkeit des beruffs ein starckes ar-
gument
gezogen zu werden nicht leugne: Aber also daß deßwegen der mangel
desselben das contrarium noch nicht mit sich brächte. Wo wir aber ja wol-
len eine internam vocationem erfordern/ so ich nicht widerstreiten will/ ge-
dächte ich/ wir hätten sie in nichts anders zu suchen/ als in der endlichen über-
zeugung des gewissens aus denjenigen andern gründen/ daraus die richtig-
keit des beruffs geschlossen wird/ und dasselbe nichts wichtiges und erhebli-
ches dagegen auffzubringen weiß/ daß GOttes willen und werck seye/ was
mit uns vorgegangen/ neben der allgemeinen inclination und neigung un-
sers hertzens/ daß wir/ wie uns GOTT aus so eigener wahl als etwa der
unsrigen ordenlichen anleitung zu seinem dienst einmal gewidmet/ wir auch
noch unser pfund zu seiner kirchen besten gern anwenden wolten; dann diese
zuneigung achtete ich gleichwol nöthig/ und wolte nicht gern einen nöthigen/
der immerfort wahrhafftig einen widerwillen und aversion gegen den dienst
des worts bey sich hätte und bezeugete/ biß er durch GOttes gnade sein hertz

änderte.

Das dritte Capitel.
frage/ ſonderlich wo es zu der application und hypotheſi jedesmal kommet/
die ihre zimliche difficultaͤten hat/ uñ nicht eben alles ſo leicht ausgemacht iſt/
wie diejenige zuweilen vermuthen moͤchten/ welche die ſachen nicht tieffer ein-
ſehen/ indeſſen iſts keine unmuͤgliche ſache/ auch hierinnen zu ſeines gewiſſens
beruhigung eine verſicherung zu erlangen. Die materie voͤllig auszufuͤhren
iſt allzuweitlaͤufftig/ und bekenne auch/ daß ſie lieber von andern leſen/ als ſie
ſelbs uͤbernehmen wolte. Auffs kuͤrtzeſte meine gedancken zu faſſen/ ſo meine
ich/ die vocation ſeye ein werck/ dero goͤttliche guͤltigkeit aus zuſammen geſetz-
ten mehrern umſtaͤnden geſchloſſen werden muß/ nemlich wo dieſelbe insge-
ſamt richtig ſind: Als nemlich wo 1. bey dem vocante kein mangel/ ſondern der-
ſelbe das recht dazu hat. 2. Da in der art kein fehler/ nichts erkaufft oder
ſonſt auf unziemliche weiſe erpracticiret iſt. 3. Da an dem vocando ſich das
noͤthige findet. 1. Daß er eine freye und andern nicht mehr verbundene per-
ſon/ oder doch von ſolchem bande auf rechtmaͤßige weiſe loß gemacht worden.
2. Daß ſo wol insgemein die tuͤchtigkeit zu dem heiligen amt ſich bey ihm fin-
de/ als abſonderlich nichts an ihm zu ſehen/ daß etwa derjenigen ſtelle/ davon
geredet wird/ beſonders unanſtaͤndig ſeye. Dieſe requiſita achte gantz noͤthig
ſeyn/ und wuͤſte nicht/ ob uͤber dieſelbe wol andere noͤthig waͤren. Was die
internam vocationem anlangt/ ſo fern dieſelbe heiſſen ſolle einen empfindli-
chen trieb in ſeinem hertzen/ und eine freudigkeit ſolches amt anzunehmen/
traute ich mir nicht dieſelbe als ein nothwendiges requiſitum zu erfordern:
Bey Moſe/ Jeremia und Jona/ war an ſtatt deſſelben triebes und freudig-
keit/ vielmehr eine widrigkeit dagegen/ und doch war der beruff unzweiffenlich
goͤttlich. Wiewol wo ſolcher trieb vorhanden iſt/ ich aus demſelben/ da die
andere requiſita auch da ſind/ auf die goͤttlichkeit des beruffs ein ſtarckes ar-
gument
gezogen zu werden nicht leugne: Aber alſo daß deßwegen der mangel
deſſelben das contrarium noch nicht mit ſich braͤchte. Wo wir aber ja wol-
len eine internam vocationem erfordern/ ſo ich nicht widerſtreiten will/ ge-
daͤchte ich/ wir haͤtten ſie in nichts anders zu ſuchen/ als in der endlichen uͤber-
zeugung des gewiſſens aus denjenigen andern gruͤnden/ daraus die richtig-
keit des beruffs geſchloſſen wird/ und daſſelbe nichts wichtiges und erhebli-
ches dagegen auffzubringen weiß/ daß GOttes willen und werck ſeye/ was
mit uns vorgegangen/ neben der allgemeinen inclination und neigung un-
ſers hertzens/ daß wir/ wie uns GOTT aus ſo eigener wahl als etwa der
unſrigen ordenlichen anleitung zu ſeinem dienſt einmal gewidmet/ wir auch
noch unſer pfund zu ſeiner kirchen beſten gern anwenden wolten; dann dieſe
zuneigung achtete ich gleichwol noͤthig/ und wolte nicht gern einen noͤthigen/
der immerfort wahrhafftig einen widerwillen und averſion gegen den dienſt
des worts bey ſich haͤtte und bezeugete/ biß er durch GOttes gnade ſein hertz

aͤnderte.
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[402/0410] Das dritte Capitel. frage/ ſonderlich wo es zu der application und hypotheſi jedesmal kommet/ die ihre zimliche difficultaͤten hat/ uñ nicht eben alles ſo leicht ausgemacht iſt/ wie diejenige zuweilen vermuthen moͤchten/ welche die ſachen nicht tieffer ein- ſehen/ indeſſen iſts keine unmuͤgliche ſache/ auch hierinnen zu ſeines gewiſſens beruhigung eine verſicherung zu erlangen. Die materie voͤllig auszufuͤhren iſt allzuweitlaͤufftig/ und bekenne auch/ daß ſie lieber von andern leſen/ als ſie ſelbs uͤbernehmen wolte. Auffs kuͤrtzeſte meine gedancken zu faſſen/ ſo meine ich/ die vocation ſeye ein werck/ dero goͤttliche guͤltigkeit aus zuſammen geſetz- ten mehrern umſtaͤnden geſchloſſen werden muß/ nemlich wo dieſelbe insge- ſamt richtig ſind: Als nemlich wo 1. bey dem vocante kein mangel/ ſondern der- ſelbe das recht dazu hat. 2. Da in der art kein fehler/ nichts erkaufft oder ſonſt auf unziemliche weiſe erpracticiret iſt. 3. Da an dem vocando ſich das noͤthige findet. 1. Daß er eine freye und andern nicht mehr verbundene per- ſon/ oder doch von ſolchem bande auf rechtmaͤßige weiſe loß gemacht worden. 2. Daß ſo wol insgemein die tuͤchtigkeit zu dem heiligen amt ſich bey ihm fin- de/ als abſonderlich nichts an ihm zu ſehen/ daß etwa derjenigen ſtelle/ davon geredet wird/ beſonders unanſtaͤndig ſeye. Dieſe requiſita achte gantz noͤthig ſeyn/ und wuͤſte nicht/ ob uͤber dieſelbe wol andere noͤthig waͤren. Was die internam vocationem anlangt/ ſo fern dieſelbe heiſſen ſolle einen empfindli- chen trieb in ſeinem hertzen/ und eine freudigkeit ſolches amt anzunehmen/ traute ich mir nicht dieſelbe als ein nothwendiges requiſitum zu erfordern: Bey Moſe/ Jeremia und Jona/ war an ſtatt deſſelben triebes und freudig- keit/ vielmehr eine widrigkeit dagegen/ und doch war der beruff unzweiffenlich goͤttlich. Wiewol wo ſolcher trieb vorhanden iſt/ ich aus demſelben/ da die andere requiſita auch da ſind/ auf die goͤttlichkeit des beruffs ein ſtarckes ar- gument gezogen zu werden nicht leugne: Aber alſo daß deßwegen der mangel deſſelben das contrarium noch nicht mit ſich braͤchte. Wo wir aber ja wol- len eine internam vocationem erfordern/ ſo ich nicht widerſtreiten will/ ge- daͤchte ich/ wir haͤtten ſie in nichts anders zu ſuchen/ als in der endlichen uͤber- zeugung des gewiſſens aus denjenigen andern gruͤnden/ daraus die richtig- keit des beruffs geſchloſſen wird/ und daſſelbe nichts wichtiges und erhebli- ches dagegen auffzubringen weiß/ daß GOttes willen und werck ſeye/ was mit uns vorgegangen/ neben der allgemeinen inclination und neigung un- ſers hertzens/ daß wir/ wie uns GOTT aus ſo eigener wahl als etwa der unſrigen ordenlichen anleitung zu ſeinem dienſt einmal gewidmet/ wir auch noch unſer pfund zu ſeiner kirchen beſten gern anwenden wolten; dann dieſe zuneigung achtete ich gleichwol noͤthig/ und wolte nicht gern einen noͤthigen/ der immerfort wahrhafftig einen widerwillen und averſion gegen den dienſt des worts bey ſich haͤtte und bezeugete/ biß er durch GOttes gnade ſein hertz aͤnderte.

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/410>, abgerufen am 22.11.2024.