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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das dritte Capitel.
gefahr der verdammnüß ihres debitoris nachsetzen/ und wo er die resolution
faßte/ ihm solche schuld selbs nachlassen/ und also sein gewissen ferner entladen
solten. Sonderlich 4. weil sein Antonii leben gleichwol ungewiß/ und sie
nicht sicher sind/ daß er/ ob er wol in seinem handel bleibet/ und ihnen
satisfaction zu thun sich bemühet/ so lang leben bleiben/ oder aber von GOt-
tes gericht eher hingeraffet werden möchte/ und also ihnen die erstattung doch
nicht geschehen/ hingegen von GOTT einiger fluch auf sie fallen möchte/ wel-
che oder doch ihre consideration den mann von seinen heiligen vorsätzen abge-
halten hätten. Daher 5. solche intention als ein göttlicher finger und beruff
anzusehen wäre/ dem er deswegen ohngesäumet/ als der stimme des HErrn
zu folgen hätte.

Diese und andere dergleichen dubia mögen vorkommen/ welche die be-
werckstelligung der intention rathen und nöthig machen möchten. Wo aber
gleichwol die sache in der forcht des HErrn reifflich erwogen wird/ so zweiffle
ich nicht/ daß der ausschlag endlich auf die negativam ausfallen müste/ und
also Antonio sein vornehmen nicht gerathen werden kan. Dessen wir fol-
gende gründe anführen.

1. Weil die verbindung/ damit ein debitor seinem creditori verhafft ist/
nicht nur aus weltlichen rechten herkommet/ welche gleichwol auch das gewis-
sen verbinden/ sondern sie ist selbs göttlichen rechts. Dann weil GOTT
die zeitliche güter nach seinem willen unter die menschen ausgetheilet/ und je-
den über das ihme zugeworffene theil zum haußhalter bestellet hat/ so kan ih-
nen wider seinen willen niemand mit recht das seinige entziehen/ oder dieser
versündiget sich damit an göttlicher ordnung/ welche einem jeden das seine
vor des andern gewalt oder betrug mit dem siebenden gebot als gleichsam
einem zaun verwahret/ und ernstlich verboten hat/ daß keiner dem andern ent-
ziehe/ was GOTT demselben anvertrauet. Daher es mit schwehrer ver-
letzung des gewissens geschihet/ wo einer dem andern hierinnen eintrag thut/
ihm das seinige zu nehmen/ oder welches eben so viel ist/ vorzuenthalten. Es
heissen vor GOTT gottlose/ welche borgen und nicht bezahlen Psalm 37.
so vielmehr/ weil in solchem fall auch der mit mund und etwa [ha]nd gethane
verspruch/ so bey auffnehmung des gelds geschehen/ gebroche[n] und neben dem
siebenden das achte gebot zugleich übertreten wird: W[är] aber ob gleich nicht
ein förmlicher eid/ doch welches gleichwol öffters zu geschehen pfleget/ andere
betheurung bey GOttes nahmen dazu gekommen/ würde solches die sünde
noch so viel schwehrer machen. Wird etwa noch hinzu gethan die betrübnüß
der wittwen und wäysen/ welche GOTT sonsten vor andern jederman zur
versorgung und schutz anbefohlen/ deroselben damit auspressende seuffzen/ so
demjenigen/ der sie mit unrecht verursachet/ sehr schwehr werden; allerhand
elend/

Das dritte Capitel.
gefahr der verdammnuͤß ihres debitoris nachſetzen/ und wo er die reſolution
faßte/ ihm ſolche ſchuld ſelbs nachlaſſen/ und alſo ſein gewiſſen ferner entladen
ſolten. Sonderlich 4. weil ſein Antonii leben gleichwol ungewiß/ und ſie
nicht ſicher ſind/ daß er/ ob er wol in ſeinem handel bleibet/ und ihnen
ſatisfaction zu thun ſich bemuͤhet/ ſo lang leben bleiben/ oder aber von GOt-
tes gericht eher hingeraffet werden moͤchte/ und alſo ihnen die erſtattung doch
nicht geſchehen/ hingegen von GOTT einiger fluch auf ſie fallen moͤchte/ wel-
che oder doch ihre conſideration den mann von ſeinen heiligen vorſaͤtzen abge-
halten haͤtten. Daher 5. ſolche intention als ein goͤttlicher finger und beruff
anzuſehen waͤre/ dem er deswegen ohngeſaͤumet/ als der ſtimme des HErrn
zu folgen haͤtte.

Dieſe und andere dergleichen dubia moͤgen vorkommen/ welche die be-
werckſtelligung der intention rathen und noͤthig machen moͤchten. Wo aber
gleichwol die ſache in der forcht des HErrn reifflich erwogen wird/ ſo zweiffle
ich nicht/ daß der ausſchlag endlich auf die negativam ausfallen muͤſte/ und
alſo Antonio ſein vornehmen nicht gerathen werden kan. Deſſen wir fol-
gende gruͤnde anfuͤhren.

1. Weil die verbindung/ damit ein debitor ſeinem creditori verhafft iſt/
nicht nur aus weltlichen rechten herkommet/ welche gleichwol auch das gewiſ-
ſen verbinden/ ſondern ſie iſt ſelbs goͤttlichen rechts. Dann weil GOTT
die zeitliche guͤter nach ſeinem willen unter die menſchen ausgetheilet/ und je-
den uͤber das ihme zugeworffene theil zum haußhalter beſtellet hat/ ſo kan ih-
nen wider ſeinen willen niemand mit recht das ſeinige entziehen/ oder dieſer
verſuͤndiget ſich damit an goͤttlicher ordnung/ welche einem jeden das ſeine
vor des andern gewalt oder betrug mit dem ſiebenden gebot als gleichſam
einem zaun verwahret/ und ernſtlich verboten hat/ daß keiner dem andern ent-
ziehe/ was GOTT demſelben anvertrauet. Daher es mit ſchwehrer ver-
letzung des gewiſſens geſchihet/ wo einer dem andern hierinnen eintrag thut/
ihm das ſeinige zu nehmen/ oder welches eben ſo viel iſt/ vorzuenthalten. Es
heiſſen vor GOTT gottloſe/ welche borgen und nicht bezahlen Pſalm 37.
ſo vielmehr/ weil in ſolchem fall auch der mit mund und etwa [ha]nd gethane
verſpruch/ ſo bey auffnehmung des gelds geſchehen/ gebroche[n] und neben dem
ſiebenden das achte gebot zugleich uͤbertreten wird: W[aͤr] aber ob gleich nicht
ein foͤrmlicher eid/ doch welches gleichwol oͤffters zu geſchehen pfleget/ andere
betheurung bey GOttes nahmen dazu gekommen/ wuͤrde ſolches die ſuͤnde
noch ſo viel ſchwehrer machen. Wird etwa noch hinzu gethan die betruͤbnuͤß
der wittwen und waͤyſen/ welche GOTT ſonſten vor andern jederman zur
verſorgung und ſchutz anbefohlen/ deroſelben damit auspreſſende ſeuffzen/ ſo
demjenigen/ der ſie mit unrecht verurſachet/ ſehr ſchwehr werden; allerhand
elend/
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[442/0450] Das dritte Capitel. gefahr der verdammnuͤß ihres debitoris nachſetzen/ und wo er die reſolution faßte/ ihm ſolche ſchuld ſelbs nachlaſſen/ und alſo ſein gewiſſen ferner entladen ſolten. Sonderlich 4. weil ſein Antonii leben gleichwol ungewiß/ und ſie nicht ſicher ſind/ daß er/ ob er wol in ſeinem handel bleibet/ und ihnen ſatisfaction zu thun ſich bemuͤhet/ ſo lang leben bleiben/ oder aber von GOt- tes gericht eher hingeraffet werden moͤchte/ und alſo ihnen die erſtattung doch nicht geſchehen/ hingegen von GOTT einiger fluch auf ſie fallen moͤchte/ wel- che oder doch ihre conſideration den mann von ſeinen heiligen vorſaͤtzen abge- halten haͤtten. Daher 5. ſolche intention als ein goͤttlicher finger und beruff anzuſehen waͤre/ dem er deswegen ohngeſaͤumet/ als der ſtimme des HErrn zu folgen haͤtte. Dieſe und andere dergleichen dubia moͤgen vorkommen/ welche die be- werckſtelligung der intention rathen und noͤthig machen moͤchten. Wo aber gleichwol die ſache in der forcht des HErrn reifflich erwogen wird/ ſo zweiffle ich nicht/ daß der ausſchlag endlich auf die negativam ausfallen muͤſte/ und alſo Antonio ſein vornehmen nicht gerathen werden kan. Deſſen wir fol- gende gruͤnde anfuͤhren. 1. Weil die verbindung/ damit ein debitor ſeinem creditori verhafft iſt/ nicht nur aus weltlichen rechten herkommet/ welche gleichwol auch das gewiſ- ſen verbinden/ ſondern ſie iſt ſelbs goͤttlichen rechts. Dann weil GOTT die zeitliche guͤter nach ſeinem willen unter die menſchen ausgetheilet/ und je- den uͤber das ihme zugeworffene theil zum haußhalter beſtellet hat/ ſo kan ih- nen wider ſeinen willen niemand mit recht das ſeinige entziehen/ oder dieſer verſuͤndiget ſich damit an goͤttlicher ordnung/ welche einem jeden das ſeine vor des andern gewalt oder betrug mit dem ſiebenden gebot als gleichſam einem zaun verwahret/ und ernſtlich verboten hat/ daß keiner dem andern ent- ziehe/ was GOTT demſelben anvertrauet. Daher es mit ſchwehrer ver- letzung des gewiſſens geſchihet/ wo einer dem andern hierinnen eintrag thut/ ihm das ſeinige zu nehmen/ oder welches eben ſo viel iſt/ vorzuenthalten. Es heiſſen vor GOTT gottloſe/ welche borgen und nicht bezahlen Pſalm 37. ſo vielmehr/ weil in ſolchem fall auch der mit mund und etwa hand gethane verſpruch/ ſo bey auffnehmung des gelds geſchehen/ gebrochen und neben dem ſiebenden das achte gebot zugleich uͤbertreten wird: Waͤr aber ob gleich nicht ein foͤrmlicher eid/ doch welches gleichwol oͤffters zu geſchehen pfleget/ andere betheurung bey GOttes nahmen dazu gekommen/ wuͤrde ſolches die ſuͤnde noch ſo viel ſchwehrer machen. Wird etwa noch hinzu gethan die betruͤbnuͤß der wittwen und waͤyſen/ welche GOTT ſonſten vor andern jederman zur verſorgung und ſchutz anbefohlen/ deroſelben damit auspreſſende ſeuffzen/ ſo demjenigen/ der ſie mit unrecht verurſachet/ ſehr ſchwehr werden; allerhand elend/

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/450>, abgerufen am 22.11.2024.