Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

Bild:
<< vorherige Seite

Das dritte Capitel.
zu denjenigen wercken/ durch die die heiligung in ihm gefördert werden/ und
er unmittelbar Gott dienen solle/ an wenden könne. Welche zeit dann diegöttl.
weißheit auff den siebenden tag bestimmet hat. Dessen bedörffen nun glau-
bige hertzen/ und welche auch in dem eusserlichen ihrer zeit meister seyn/ sofern
nicht; (wie zwahr auch anderer gebote/ nach 1. Tim. 1/ 9.) indem sie in sich
selbs eine solche begierde nach dem geistlichen haben/ daß sie vielmehr sich mit
einem siebenden tage nicht vergnügen/ sondern lieber aus freyem trieb meh-
rere zeit/ und wie sie solches vermögen/ zu solchem zweck und gebrauch an-
wenden. Es bedürffen aber solches gebots/ theils die noch keine rechtschaf-
fene Christen sondern gantz rohe sind/ daß sie auffs wenigste durch gesetze an
solche ort und versammlungen getrieben werden/ wo sie dasjenige hören müs-
sen/ wodurch der H. Geist in ihnen/ da sie ihn nicht hindern/ geistlich gutes
auch wircken will und kan/ ja allezeit in einigen wircket; zu welcher gelegen-
heit die meiste ohne dieses gebot und einigen zwang desselben nicht kommen
würden: ja es bedürffen auch böse an orten/ die der christlichen religion eus-
serlich zugethan sind/ eines dergleichen gebots/ so sie auch von demjenigen sol-
chen tag abhält/ das andre sonsten in ihrer ruhe irre machte: theils bedürf-
fens auch schwache/ daß es ihnen eine handleitung werde/ zu der gelegenheit
der erbauung zu kommen/ darzu sie sonst etwa/ ob wol aus nachläßigkeit/
nicht kämen: theils bedörffens diejenige/ die entweder in hauß-diensten sind/
oder sonsten andern zur arbeit verbunden leben/ und wo nicht göttliches ge-
bot ihnen eine solche zeit frey machte/ schwehrlich etwas freyheit zu ihrer er-
bauung erlangen würden/ daß gleichwol eine dergleichen ihnen durch dieses
gebot werden muß. Also ist dasjenige/ was eigenlich geboten wird/ an sich
selbs eine wolthat. Weil aber auch nicht allein ein jeglicher vor sich eine zeit
nöthig hat zu seiner erbauung/ sondern zu dem zweck des gebots eine öffentli-
che versammlung erfordert wird/ so ist auch allerdings ein gewisser tag nö-
thig/ darnach sich alle richten/ und könte der zweck durchaus nicht erhalten
werden/ wann jeglicher allemal nach seiner gelegenheit einen tag zur feyer
wehlen wolte.

4. Wie nun also das wahre gebotene in diesem gebot bestehet in der
handlung göttlichen worts und der gnaden-mittel zu mehrer heili-
gung/ auch GOttes gemeinschafftlichen dienst/
welches lauter solche
dinge/ die an sich gut und nöthig sind/ und dero muthwillige unterlassung an
sich selbs sünde ist: (welcher art alles andere in den zehen geboten gebotene und
verbotene ist) so ist nun zuerwegen/ was von der arbeit selbs und dero verbot
zu halten seye. Da gestehe nun/ daß in dem A. T. nach art solches Testaments

die

Das dritte Capitel.
zu denjenigen wercken/ durch die die heiligung in ihm gefoͤrdert werden/ und
er unmittelbar Gott dienen ſolle/ an wenden koͤnne. Welche zeit dann diegoͤttl.
weißheit auff den ſiebenden tag beſtimmet hat. Deſſen bedoͤrffen nun glau-
bige hertzen/ und welche auch in dem euſſerlichen ihrer zeit meiſter ſeyn/ ſofern
nicht; (wie zwahr auch anderer gebote/ nach 1. Tim. 1/ 9.) indem ſie in ſich
ſelbs eine ſolche begierde nach dem geiſtlichen haben/ daß ſie vielmehr ſich mit
einem ſiebenden tage nicht vergnuͤgen/ ſondern lieber aus freyem trieb meh-
rere zeit/ und wie ſie ſolches vermoͤgen/ zu ſolchem zweck und gebrauch an-
wenden. Es beduͤrffen aber ſolches gebots/ theils die noch keine rechtſchaf-
fene Chriſten ſondern gantz rohe ſind/ daß ſie auffs wenigſte durch geſetze an
ſolche ort und verſammlungen getrieben werden/ wo ſie dasjenige hoͤren muͤſ-
ſen/ wodurch der H. Geiſt in ihnen/ da ſie ihn nicht hindern/ geiſtlich gutes
auch wircken will und kan/ ja allezeit in einigen wircket; zu welcher gelegen-
heit die meiſte ohne dieſes gebot und einigen zwang deſſelben nicht kommen
wuͤrden: ja es beduͤrffen auch boͤſe an orten/ die der chriſtlichen religion euſ-
ſerlich zugethan ſind/ eines dergleichen gebots/ ſo ſie auch von demjenigen ſol-
chen tag abhaͤlt/ das andre ſonſten in ihrer ruhe irre machte: theils beduͤrf-
fens auch ſchwache/ daß es ihnen eine handleitung werde/ zu der gelegenheit
der erbauung zu kommen/ darzu ſie ſonſt etwa/ ob wol aus nachlaͤßigkeit/
nicht kaͤmen: theils bedoͤrffens diejenige/ die entweder in hauß-dienſten ſind/
oder ſonſten andern zur arbeit verbunden leben/ und wo nicht goͤttliches ge-
bot ihnen eine ſolche zeit frey machte/ ſchwehrlich etwas freyheit zu ihrer er-
bauung erlangen wuͤrden/ daß gleichwol eine dergleichen ihnen durch dieſes
gebot werden muß. Alſo iſt dasjenige/ was eigenlich geboten wird/ an ſich
ſelbs eine wolthat. Weil aber auch nicht allein ein jeglicher vor ſich eine zeit
noͤthig hat zu ſeiner erbauung/ ſondern zu dem zweck des gebots eine oͤffentli-
che verſammlung erfordert wird/ ſo iſt auch allerdings ein gewiſſer tag noͤ-
thig/ darnach ſich alle richten/ und koͤnte der zweck durchaus nicht erhalten
werden/ wann jeglicher allemal nach ſeiner gelegenheit einen tag zur feyer
wehlen wolte.

4. Wie nun alſo das wahre gebotene in dieſem gebot beſtehet in der
handlung goͤttlichen worts und der gnaden-mittel zu mehrer heili-
gung/ auch GOttes gemeinſchafftlichen dienſt/
welches lauter ſolche
dinge/ die an ſich gut und noͤthig ſind/ und dero muthwillige unterlaſſung an
ſich ſelbs ſuͤnde iſt: (welcher art alles andere in den zehen geboten gebotene uñ
verbotene iſt) ſo iſt nun zuerwegen/ was von der arbeit ſelbs und dero verbot
zu halten ſeye. Da geſtehe nun/ daß in dem A. T. nach art ſolches Teſtaments

die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0050" n="42"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das dritte Capitel.</hi></fw><lb/>
zu denjenigen wercken/ durch die die heiligung in ihm gefo&#x0364;rdert werden/ und<lb/>
er unmittelbar Gott dienen &#x017F;olle/ an wenden ko&#x0364;nne. Welche zeit dann diego&#x0364;ttl.<lb/>
weißheit auff den &#x017F;iebenden tag be&#x017F;timmet hat. De&#x017F;&#x017F;en bedo&#x0364;rffen nun glau-<lb/>
bige hertzen/ und welche auch in dem eu&#x017F;&#x017F;erlichen ihrer zeit mei&#x017F;ter &#x017F;eyn/ &#x017F;ofern<lb/>
nicht; (wie zwahr auch anderer gebote/ nach <hi rendition="#fr">1. Tim. 1/ 9.</hi>) indem &#x017F;ie in &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elbs eine &#x017F;olche begierde nach dem gei&#x017F;tlichen haben/ daß &#x017F;ie vielmehr &#x017F;ich mit<lb/>
einem &#x017F;iebenden tage nicht vergnu&#x0364;gen/ &#x017F;ondern lieber aus freyem trieb meh-<lb/>
rere zeit/ und wie &#x017F;ie &#x017F;olches vermo&#x0364;gen/ zu &#x017F;olchem zweck und gebrauch an-<lb/>
wenden. Es bedu&#x0364;rffen aber &#x017F;olches gebots/ theils die noch keine recht&#x017F;chaf-<lb/>
fene Chri&#x017F;ten &#x017F;ondern gantz rohe &#x017F;ind/ daß &#x017F;ie auffs wenig&#x017F;te durch ge&#x017F;etze an<lb/>
&#x017F;olche ort und ver&#x017F;ammlungen getrieben werden/ wo &#x017F;ie dasjenige ho&#x0364;ren mu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en/ wodurch der H. Gei&#x017F;t in ihnen/ da &#x017F;ie ihn nicht hindern/ gei&#x017F;tlich gutes<lb/>
auch wircken will und kan/ ja allezeit in einigen wircket; zu welcher gelegen-<lb/>
heit die mei&#x017F;te ohne die&#x017F;es gebot und einigen zwang de&#x017F;&#x017F;elben nicht kommen<lb/>
wu&#x0364;rden: ja es bedu&#x0364;rffen auch bo&#x0364;&#x017F;e an orten/ die der chri&#x017F;tlichen religion eu&#x017F;-<lb/>
&#x017F;erlich zugethan &#x017F;ind/ eines dergleichen gebots/ &#x017F;o &#x017F;ie auch von demjenigen &#x017F;ol-<lb/>
chen tag abha&#x0364;lt/ das andre &#x017F;on&#x017F;ten in ihrer ruhe irre machte: theils bedu&#x0364;rf-<lb/>
fens auch &#x017F;chwache/ daß es ihnen eine handleitung werde/ zu der gelegenheit<lb/>
der erbauung zu kommen/ darzu &#x017F;ie &#x017F;on&#x017F;t etwa/ ob wol aus nachla&#x0364;ßigkeit/<lb/>
nicht ka&#x0364;men: theils bedo&#x0364;rffens diejenige/ die entweder in hauß-dien&#x017F;ten &#x017F;ind/<lb/>
oder &#x017F;on&#x017F;ten andern zur arbeit verbunden leben/ und wo nicht go&#x0364;ttliches ge-<lb/>
bot ihnen eine &#x017F;olche zeit frey machte/ &#x017F;chwehrlich etwas freyheit zu ihrer er-<lb/>
bauung erlangen wu&#x0364;rden/ daß gleichwol eine dergleichen ihnen durch die&#x017F;es<lb/>
gebot werden muß. Al&#x017F;o i&#x017F;t dasjenige/ was eigenlich geboten wird/ an &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elbs eine wolthat. Weil aber auch nicht allein ein jeglicher vor &#x017F;ich eine zeit<lb/>
no&#x0364;thig hat zu &#x017F;einer erbauung/ &#x017F;ondern zu dem zweck des gebots eine o&#x0364;ffentli-<lb/>
che ver&#x017F;ammlung erfordert wird/ &#x017F;o i&#x017F;t auch allerdings ein gewi&#x017F;&#x017F;er tag no&#x0364;-<lb/>
thig/ darnach &#x017F;ich alle richten/ und ko&#x0364;nte der zweck durchaus nicht erhalten<lb/>
werden/ wann jeglicher allemal nach &#x017F;einer gelegenheit einen tag zur feyer<lb/>
wehlen wolte.</p><lb/>
            <p>4. Wie nun al&#x017F;o das wahre gebotene in die&#x017F;em gebot be&#x017F;tehet <hi rendition="#fr">in der<lb/>
handlung go&#x0364;ttlichen worts und der gnaden-mittel zu mehrer heili-<lb/>
gung/ auch GOttes gemein&#x017F;chafftlichen dien&#x017F;t/</hi> welches lauter &#x017F;olche<lb/>
dinge/ die an &#x017F;ich gut und no&#x0364;thig &#x017F;ind/ und dero muthwillige unterla&#x017F;&#x017F;ung an<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;elbs &#x017F;u&#x0364;nde i&#x017F;t: (welcher art alles andere in den zehen geboten gebotene un&#x0303;<lb/>
verbotene i&#x017F;t) &#x017F;o i&#x017F;t nun zuerwegen/ was von der <hi rendition="#fr">arbeit</hi> &#x017F;elbs und dero verbot<lb/>
zu halten &#x017F;eye. Da ge&#x017F;tehe nun/ daß in dem A. T. nach art &#x017F;olches Te&#x017F;taments<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0050] Das dritte Capitel. zu denjenigen wercken/ durch die die heiligung in ihm gefoͤrdert werden/ und er unmittelbar Gott dienen ſolle/ an wenden koͤnne. Welche zeit dann diegoͤttl. weißheit auff den ſiebenden tag beſtimmet hat. Deſſen bedoͤrffen nun glau- bige hertzen/ und welche auch in dem euſſerlichen ihrer zeit meiſter ſeyn/ ſofern nicht; (wie zwahr auch anderer gebote/ nach 1. Tim. 1/ 9.) indem ſie in ſich ſelbs eine ſolche begierde nach dem geiſtlichen haben/ daß ſie vielmehr ſich mit einem ſiebenden tage nicht vergnuͤgen/ ſondern lieber aus freyem trieb meh- rere zeit/ und wie ſie ſolches vermoͤgen/ zu ſolchem zweck und gebrauch an- wenden. Es beduͤrffen aber ſolches gebots/ theils die noch keine rechtſchaf- fene Chriſten ſondern gantz rohe ſind/ daß ſie auffs wenigſte durch geſetze an ſolche ort und verſammlungen getrieben werden/ wo ſie dasjenige hoͤren muͤſ- ſen/ wodurch der H. Geiſt in ihnen/ da ſie ihn nicht hindern/ geiſtlich gutes auch wircken will und kan/ ja allezeit in einigen wircket; zu welcher gelegen- heit die meiſte ohne dieſes gebot und einigen zwang deſſelben nicht kommen wuͤrden: ja es beduͤrffen auch boͤſe an orten/ die der chriſtlichen religion euſ- ſerlich zugethan ſind/ eines dergleichen gebots/ ſo ſie auch von demjenigen ſol- chen tag abhaͤlt/ das andre ſonſten in ihrer ruhe irre machte: theils beduͤrf- fens auch ſchwache/ daß es ihnen eine handleitung werde/ zu der gelegenheit der erbauung zu kommen/ darzu ſie ſonſt etwa/ ob wol aus nachlaͤßigkeit/ nicht kaͤmen: theils bedoͤrffens diejenige/ die entweder in hauß-dienſten ſind/ oder ſonſten andern zur arbeit verbunden leben/ und wo nicht goͤttliches ge- bot ihnen eine ſolche zeit frey machte/ ſchwehrlich etwas freyheit zu ihrer er- bauung erlangen wuͤrden/ daß gleichwol eine dergleichen ihnen durch dieſes gebot werden muß. Alſo iſt dasjenige/ was eigenlich geboten wird/ an ſich ſelbs eine wolthat. Weil aber auch nicht allein ein jeglicher vor ſich eine zeit noͤthig hat zu ſeiner erbauung/ ſondern zu dem zweck des gebots eine oͤffentli- che verſammlung erfordert wird/ ſo iſt auch allerdings ein gewiſſer tag noͤ- thig/ darnach ſich alle richten/ und koͤnte der zweck durchaus nicht erhalten werden/ wann jeglicher allemal nach ſeiner gelegenheit einen tag zur feyer wehlen wolte. 4. Wie nun alſo das wahre gebotene in dieſem gebot beſtehet in der handlung goͤttlichen worts und der gnaden-mittel zu mehrer heili- gung/ auch GOttes gemeinſchafftlichen dienſt/ welches lauter ſolche dinge/ die an ſich gut und noͤthig ſind/ und dero muthwillige unterlaſſung an ſich ſelbs ſuͤnde iſt: (welcher art alles andere in den zehen geboten gebotene uñ verbotene iſt) ſo iſt nun zuerwegen/ was von der arbeit ſelbs und dero verbot zu halten ſeye. Da geſtehe nun/ daß in dem A. T. nach art ſolches Teſtaments die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/50
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/50>, abgerufen am 24.11.2024.