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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das vierdte Capitel.
das land solche leute ausspeyen solte/ welche sich mit denselben verunreinig-
ten/ daß er dann/ welche ehen er billiche oder nicht billiche/ klahr und deutlich
genug in dem gesetz müsse ausgetrucket haben: Folglich daß keine person ver-
boten geachtet werden könne/ davon das verbot nicht einem jeglichen/ der nur
mit einem fleiß das gesetz ansihet/ klahr genug in die augen leuchtete. Hin-
gegen sind mir billich alle diejenige folgen verdächtig/ welche allzuweit herge-
zogen werden/ und derer nothwendigkeit nicht kräfftig gnug auch den einfäl-
tigen/ erwiesen werden kan. Wohin denn das gantze secundum genus affi-
nitatis
gehöret. Daher vor noch nicht langer zeit kein Theologus der unsri-
gen sich jemal unterstanden hat/ einiges gradus desselben verbot aus Mose zu
zeigen/ ob sie wol aus andern ursachen solche nicht zugelassen zu werden ver-
langet haben[/] so je zum zeugnüß dienet/ wie so gar die sache in Mose mit derje-
nigen klahrheit nicht stecken müsse/ welcherley die göttliche weißheit/ güte und
gerechtigkeit erforderte in dem verbot einer sache/ die schwehre straffe nach sich
ziehen solte/ und also das verbot deutlich seyn müste.

2. Ob nun wol die ehe in diesem grad und casu von GOTT nicht ver-
boten/ so hat doch die sorgfalt die göttliche verbote so vielmehr zu befestigen/
und gleichsam einigen zaun um dieselbe zu machen/ (von welcher ob zwahr
wolgemeinten sorgfalt sich vielleicht noch fragen liesse/ ob sie mehr schaden als
nutzen gebracht hätte) einige in der christlichen kirche dahin bewogen/ gleich-
wie andere in göttlichem gesetz nicht verbotene grade/ also auch das secun-
dum genus affinitatis,
und folglich diesen desselben casum, zu verbieten. Al-
so wie diese heyrath ohne das in jure civili verboten gewesen nach l. uxorem.
ff. de ritu nuptiarum,
so haben auch die alte canones in secundo affinitatis
genere
das verbot biß auf den vierdten gradum extendi ret. So ist auch
nechst andern mehrern kirchen-ordnungen in der Chur-Sächs. lands-ord-
nung 1555. p. 122. austrücklich des stieff-sohns weib dem stieff-vater verbo-
ten. Also haben ferner unterschiedliche Theologi, nach Th. Beza im vorigen
seculo ihr mißfallen gegen solche heyrath in dem jetzigen seculo bezeuget/ als
D. Menzerus de conjug. p. 1182. wo er sich vornemlich auf das argument be-
zeucht/ weil des stieff-vaters kinder aus des stieff-sohns mutter nicht heyra-
then könten die kinder solches stieff-sohns/ die er gezeuget/ daher auch dero
mutter/ die wittwe/ den vater nicht heyrathen könne/ er berufft sich aufden re-
spectum paternitatis,
und publicam honestatem, nach der regel: in contra-
hendis nuptiis non solum quod liceat, sed quod deceat & honestum sit, spe-
ctandum esse.
Diesem folget Herr D. Gerhardus und Herr D. Brochmand/
so dann wie es pfleget zu geschehen/ mehrere andere nach ihnen.

3. Jndessen mag auch dieser gradus, wo einige christliche treibende ur-
sachen vorhanden sind/ wol auch durch eine dispensation zugegeben werden.

Dann

Das vierdte Capitel.
das land ſolche leute ausſpeyen ſolte/ welche ſich mit denſelben verunreinig-
ten/ daß er dann/ welche ehen er billiche oder nicht billiche/ klahr und deutlich
genug in dem geſetz muͤſſe ausgetrucket haben: Folglich daß keine perſon ver-
boten geachtet werden koͤnne/ davon das verbot nicht einem jeglichen/ der nur
mit einem fleiß das geſetz anſihet/ klahr genug in die augen leuchtete. Hin-
gegen ſind mir billich alle diejenige folgen verdaͤchtig/ welche allzuweit herge-
zogen werden/ und derer nothwendigkeit nicht kraͤfftig gnug auch den einfaͤl-
tigen/ erwieſen werden kan. Wohin denn das gantze ſecundum genus affi-
nitatis
gehoͤret. Daher vor noch nicht langer zeit kein Theologus der unſri-
gen ſich jemal unterſtanden hat/ einiges gradus deſſelben verbot aus Moſe zu
zeigen/ ob ſie wol aus andern urſachen ſolche nicht zugelaſſen zu werden ver-
langet haben[/] ſo je zum zeugnuͤß dienet/ wie ſo gar die ſache in Moſe mit derje-
nigen klahrheit nicht ſtecken muͤſſe/ welcherley die goͤttliche weißheit/ guͤte und
gerechtigkeit erforderte in dem verbot einer ſache/ die ſchwehre ſtraffe nach ſich
ziehen ſolte/ und alſo das verbot deutlich ſeyn muͤſte.

2. Ob nun wol die ehe in dieſem grad und caſu von GOTT nicht ver-
boten/ ſo hat doch die ſorgfalt die goͤttliche verbote ſo vielmehr zu befeſtigen/
und gleichſam einigen zaun um dieſelbe zu machen/ (von welcher ob zwahr
wolgemeinten ſorgfalt ſich vielleicht noch fragen lieſſe/ ob ſie mehr ſchaden als
nutzen gebracht haͤtte) einige in der chriſtlichen kirche dahin bewogen/ gleich-
wie andere in goͤttlichem geſetz nicht verbotene grade/ alſo auch das ſecun-
dum genus affinitatis,
und folglich dieſen deſſelben caſum, zu verbieten. Al-
ſo wie dieſe heyrath ohne das in jure civili verboten geweſen nach l. uxorem.
ff. de ritu nuptiarum,
ſo haben auch die alte canones in ſecundo affinitatis
genere
das verbot biß auf den vierdten gradum extendi ret. So iſt auch
nechſt andern mehrern kirchen-ordnungen in der Chur-Saͤchſ. lands-ord-
nung 1555. p. 122. austruͤcklich des ſtieff-ſohns weib dem ſtieff-vater verbo-
ten. Alſo haben ferner unterſchiedliche Theologi, nach Th. Beza im vorigen
ſeculo ihr mißfallen gegen ſolche heyrath in dem jetzigen ſeculo bezeuget/ als
D. Menzerus de conjug. p. 1182. wo er ſich vornemlich auf das argument be-
zeucht/ weil des ſtieff-vaters kinder aus des ſtieff-ſohns mutter nicht heyra-
then koͤnten die kinder ſolches ſtieff-ſohns/ die er gezeuget/ daher auch dero
mutter/ die wittwe/ den vater nicht heyrathen koͤnne/ er berufft ſich aufden re-
ſpectum paternitatis,
und publicam honeſtatem, nach der regel: in contra-
hendis nuptiis non ſolum quod liceat, ſed quod deceat & honeſtum ſit, ſpe-
ctandum eſſe.
Dieſem folget Herr D. Gerhardus und Herr D. Brochmand/
ſo dann wie es pfleget zu geſchehen/ mehrere andere nach ihnen.

3. Jndeſſen mag auch dieſer gradus, wo einige chriſtliche treibende ur-
ſachen vorhanden ſind/ wol auch durch eine diſpenſation zugegeben werden.

Dann
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[524/0532] Das vierdte Capitel. das land ſolche leute ausſpeyen ſolte/ welche ſich mit denſelben verunreinig- ten/ daß er dann/ welche ehen er billiche oder nicht billiche/ klahr und deutlich genug in dem geſetz muͤſſe ausgetrucket haben: Folglich daß keine perſon ver- boten geachtet werden koͤnne/ davon das verbot nicht einem jeglichen/ der nur mit einem fleiß das geſetz anſihet/ klahr genug in die augen leuchtete. Hin- gegen ſind mir billich alle diejenige folgen verdaͤchtig/ welche allzuweit herge- zogen werden/ und derer nothwendigkeit nicht kraͤfftig gnug auch den einfaͤl- tigen/ erwieſen werden kan. Wohin denn das gantze ſecundum genus affi- nitatis gehoͤret. Daher vor noch nicht langer zeit kein Theologus der unſri- gen ſich jemal unterſtanden hat/ einiges gradus deſſelben verbot aus Moſe zu zeigen/ ob ſie wol aus andern urſachen ſolche nicht zugelaſſen zu werden ver- langet haben/ ſo je zum zeugnuͤß dienet/ wie ſo gar die ſache in Moſe mit derje- nigen klahrheit nicht ſtecken muͤſſe/ welcherley die goͤttliche weißheit/ guͤte und gerechtigkeit erforderte in dem verbot einer ſache/ die ſchwehre ſtraffe nach ſich ziehen ſolte/ und alſo das verbot deutlich ſeyn muͤſte. 2. Ob nun wol die ehe in dieſem grad und caſu von GOTT nicht ver- boten/ ſo hat doch die ſorgfalt die goͤttliche verbote ſo vielmehr zu befeſtigen/ und gleichſam einigen zaun um dieſelbe zu machen/ (von welcher ob zwahr wolgemeinten ſorgfalt ſich vielleicht noch fragen lieſſe/ ob ſie mehr ſchaden als nutzen gebracht haͤtte) einige in der chriſtlichen kirche dahin bewogen/ gleich- wie andere in goͤttlichem geſetz nicht verbotene grade/ alſo auch das ſecun- dum genus affinitatis, und folglich dieſen deſſelben caſum, zu verbieten. Al- ſo wie dieſe heyrath ohne das in jure civili verboten geweſen nach l. uxorem. ff. de ritu nuptiarum, ſo haben auch die alte canones in ſecundo affinitatis genere das verbot biß auf den vierdten gradum extendi ret. So iſt auch nechſt andern mehrern kirchen-ordnungen in der Chur-Saͤchſ. lands-ord- nung 1555. p. 122. austruͤcklich des ſtieff-ſohns weib dem ſtieff-vater verbo- ten. Alſo haben ferner unterſchiedliche Theologi, nach Th. Beza im vorigen ſeculo ihr mißfallen gegen ſolche heyrath in dem jetzigen ſeculo bezeuget/ als D. Menzerus de conjug. p. 1182. wo er ſich vornemlich auf das argument be- zeucht/ weil des ſtieff-vaters kinder aus des ſtieff-ſohns mutter nicht heyra- then koͤnten die kinder ſolches ſtieff-ſohns/ die er gezeuget/ daher auch dero mutter/ die wittwe/ den vater nicht heyrathen koͤnne/ er berufft ſich aufden re- ſpectum paternitatis, und publicam honeſtatem, nach der regel: in contra- hendis nuptiis non ſolum quod liceat, ſed quod deceat & honeſtum ſit, ſpe- ctandum eſſe. Dieſem folget Herr D. Gerhardus und Herr D. Brochmand/ ſo dann wie es pfleget zu geſchehen/ mehrere andere nach ihnen. 3. Jndeſſen mag auch dieſer gradus, wo einige chriſtliche treibende ur- ſachen vorhanden ſind/ wol auch durch eine diſpenſation zugegeben werden. Dann

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 524. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/532>, abgerufen am 22.11.2024.