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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das vierdte Capitel.
auf begehren meine meinung über die sache/ jedoch mit fleiß/ als in thesi, nicht
aber hypothesi (die doch von selbsten aus jener fliesset) in der furcht des
HErrn/ und mit dessen anruffung/ auffs einfältigste abgefasset/ dabey ich den
HErrn/ so aller menschen hertzen in seinen händen hat/ und sie als die wasser-
bäche leitet/ demüthig anruffe/ daß er durch seines Heiligen Geistes krafft/
die gemüther allerseits dahin lencken wolle/ das gantze werck mit andern/ als
von einigen affecten eingenommenen/ augen/ vielmehr in seinem liecht anzu-
sehen/ seinen heiligen und guten willen darinn zu erkennen/ und demselben sich
willig zu bequemen/ folglich allerhand ärgernüssen damit vorzukommen. Jch
hoffe/ wie die hohe personen solches nicht in ungnaden vernehmen/ also auch
derselbe großgünstig sich belieben lassen werde. 1681.

2. Auf angeregten casum ertheiltes erstes responsum, das mit dem
vorigen brieff übersandt.

OB alle prohibitiones matrimoniales 3. Mos. 18. adjus naturale s. legem
divinam moralem,
und also auch die/ daß ein mann seines verstorbenen
weibs schwester nicht heyrathen solle/ gehöre.

Resp.

Zu dem jure naturali kan ich diesen legem gar nicht ziehen/ indem die na-
tur von sothaner propinquitate sanguinis nicht weiß/ oder sich doch das ver-
bot über die gradus ascendentes und descendentes nicht erstrecket. Weil
aber ohne die legem moralem naturalem auch noch lex moralis positiva ist/
wie der S. D. Dannhauer Hodos. Ph. VI. zeigt/ so habe bißher mit ihm diese
prohibitiones inter fratres & sorores u. s. f. solchem legi morali positivae
zugeschrieben.

2.

Ob die prohibitiones matrim. 3. Mos. 18. nur von denen daselbs aus-
trücklich genannten personen/ oder von allen gleichen fällen/ qui in eodem pa-
ri, seu aequali gradu propinquitatis s. consanguinitatis s. affinitatis sunt,
es
seye weib oder mann zu verstehen? und die haupt-ursach des verbots a nimia
propinquitate sanguinis
hergenommen bey allen gleichen graden gelte?

Resp.

Jch habe bißher allezeit versum 6. pro fundamento prohibitionis ge-
halten/ finde auch noch nicht gnugsame convincirende ursachen/ davon abzu-
gehen/ daß daher nicht traute/ eine solche ehe auf mein gewissen zu nehmen/
ob ich wol nicht leugne/ daß in den folgenden mir schwehre difficultäten vor-
kommen/ da ich mich nicht nach gnügen extricire.

3.

Ob wann lege divina morali 3. Mos. 18/ 8. austrücklich verboten/

du

Das vierdte Capitel.
auf begehren meine meinung uͤber die ſache/ jedoch mit fleiß/ als in theſi, nicht
aber hypotheſi (die doch von ſelbſten aus jener flieſſet) in der furcht des
HErrn/ und mit deſſen anruffung/ auffs einfaͤltigſte abgefaſſet/ dabey ich den
HErrn/ ſo aller menſchen hertzen in ſeinen haͤnden hat/ und ſie als die waſſer-
baͤche leitet/ demuͤthig anruffe/ daß er durch ſeines Heiligen Geiſtes krafft/
die gemuͤther allerſeits dahin lencken wolle/ das gantze werck mit andern/ als
von einigen affecten eingenommenen/ augen/ vielmehr in ſeinem liecht anzu-
ſehen/ ſeinen heiligen und guten willen darinn zu erkennen/ und demſelben ſich
willig zu bequemen/ folglich allerhand aͤrgernuͤſſen damit vorzukommen. Jch
hoffe/ wie die hohe perſonen ſolches nicht in ungnaden vernehmen/ alſo auch
derſelbe großguͤnſtig ſich belieben laſſen werde. 1681.

2. Auf angeregten caſum ertheiltes erſtes reſponſum, das mit dem
vorigen brieff uͤberſandt.

OB alle prohibitiones matrimoniales 3. Moſ. 18. adjus naturale ſ. legem
divinam moralem,
und alſo auch die/ daß ein mann ſeines verſtorbenen
weibs ſchweſter nicht heyrathen ſolle/ gehoͤre.

Reſp.

Zu dem jure naturali kan ich dieſen legem gar nicht ziehen/ indem die na-
tur von ſothaner propinquitate ſanguinis nicht weiß/ oder ſich doch das ver-
bot uͤber die gradus aſcendentes und deſcendentes nicht erſtrecket. Weil
aber ohne die legem moralem naturalem auch noch lex moralis poſitiva iſt/
wie der S. D. Dannhauer Hodoſ. Ph. VI. zeigt/ ſo habe bißher mit ihm dieſe
prohibitiones inter fratres & ſorores u. ſ. f. ſolchem legi morali poſitivæ
zugeſchrieben.

2.

Ob die prohibitiones matrim. 3. Moſ. 18. nur von denen daſelbs aus-
truͤcklich genannten perſonen/ oder von allen gleichen faͤllen/ qui in eodem pa-
ri, ſeu æquali gradu propinquitatis ſ. conſanguinitatis ſ. affinitatis ſunt,
es
ſeye weib oder mann zu verſtehen? und die haupt-urſach des verbots à nimia
propinquitate ſanguinis
hergenommen bey allen gleichen graden gelte?

Reſp.

Jch habe bißher allezeit verſum 6. pro fundamento prohibitionis ge-
halten/ finde auch noch nicht gnugſame convincirende urſachen/ davon abzu-
gehen/ daß daher nicht traute/ eine ſolche ehe auf mein gewiſſen zu nehmen/
ob ich wol nicht leugne/ daß in den folgenden mir ſchwehre difficultaͤten vor-
kommen/ da ich mich nicht nach gnuͤgen extricire.

3.

Ob wann lege divina morali 3. Moſ. 18/ 8. austruͤcklich verboten/

du
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[534/0542] Das vierdte Capitel. auf begehren meine meinung uͤber die ſache/ jedoch mit fleiß/ als in theſi, nicht aber hypotheſi (die doch von ſelbſten aus jener flieſſet) in der furcht des HErrn/ und mit deſſen anruffung/ auffs einfaͤltigſte abgefaſſet/ dabey ich den HErrn/ ſo aller menſchen hertzen in ſeinen haͤnden hat/ und ſie als die waſſer- baͤche leitet/ demuͤthig anruffe/ daß er durch ſeines Heiligen Geiſtes krafft/ die gemuͤther allerſeits dahin lencken wolle/ das gantze werck mit andern/ als von einigen affecten eingenommenen/ augen/ vielmehr in ſeinem liecht anzu- ſehen/ ſeinen heiligen und guten willen darinn zu erkennen/ und demſelben ſich willig zu bequemen/ folglich allerhand aͤrgernuͤſſen damit vorzukommen. Jch hoffe/ wie die hohe perſonen ſolches nicht in ungnaden vernehmen/ alſo auch derſelbe großguͤnſtig ſich belieben laſſen werde. 1681. 2. Auf angeregten caſum ertheiltes erſtes reſponſum, das mit dem vorigen brieff uͤberſandt. OB alle prohibitiones matrimoniales 3. Moſ. 18. adjus naturale ſ. legem divinam moralem, und alſo auch die/ daß ein mann ſeines verſtorbenen weibs ſchweſter nicht heyrathen ſolle/ gehoͤre. Reſp. Zu dem jure naturali kan ich dieſen legem gar nicht ziehen/ indem die na- tur von ſothaner propinquitate ſanguinis nicht weiß/ oder ſich doch das ver- bot uͤber die gradus aſcendentes und deſcendentes nicht erſtrecket. Weil aber ohne die legem moralem naturalem auch noch lex moralis poſitiva iſt/ wie der S. D. Dannhauer Hodoſ. Ph. VI. zeigt/ ſo habe bißher mit ihm dieſe prohibitiones inter fratres & ſorores u. ſ. f. ſolchem legi morali poſitivæ zugeſchrieben. 2. Ob die prohibitiones matrim. 3. Moſ. 18. nur von denen daſelbs aus- truͤcklich genannten perſonen/ oder von allen gleichen faͤllen/ qui in eodem pa- ri, ſeu æquali gradu propinquitatis ſ. conſanguinitatis ſ. affinitatis ſunt, es ſeye weib oder mann zu verſtehen? und die haupt-urſach des verbots à nimia propinquitate ſanguinis hergenommen bey allen gleichen graden gelte? Reſp. Jch habe bißher allezeit verſum 6. pro fundamento prohibitionis ge- halten/ finde auch noch nicht gnugſame convincirende urſachen/ davon abzu- gehen/ daß daher nicht traute/ eine ſolche ehe auf mein gewiſſen zu nehmen/ ob ich wol nicht leugne/ daß in den folgenden mir ſchwehre difficultaͤten vor- kommen/ da ich mich nicht nach gnuͤgen extricire. 3. Ob wann lege divina morali 3. Moſ. 18/ 8. austruͤcklich verboten/ du

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 534. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/542>, abgerufen am 22.11.2024.