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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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SECTIO XIII.
recht beständig seye/ zumalen wenn eine person weiblichen geschlechts noch
jung/ und nicht aus wanckelmuth/ sondern aus wichtigen ursachen/ denjeni-
gen/ welchen ihre seele liebet/ verlassen muß.

Ob nun wol dieses jetzt angeführte möchte einen schein haben/ versehe
ich mich doch/ daß aus dem sonderlich quaest. 1. mit mehrerm erwogenen gnug-
sam erhelle/ wie gewissenhafft nicht anders als mit nein auf die frage zu ant-
worten seye.

1. Jst oben die richtigkeit der verlobung hoffenlich zur gnüge darge-
than.
2. Hingegen ist auch gewiesen/ daß die praetendirte clandestinität keine
hindernüß nicht seye bey einer eigenmächtigen person/ sonderlich wo das ver-
löbnüß mit einem eyd bekräfftiget ist/ so die Fräulein verbindet/ wo etwas an
solchem mangel gelegen seyn solte/ bey zeugen ihr versprechen zu wiederholen/
und damit solch vermeintes hindernüß auffzuheben.
3. Ob die weise einer entführung ähnlich scheinet/ ist es dennoch nicht
wahrhafftig eine solche/ indem sie nicht nur nicht geschihet wider willen der
person selbs/ sondern auch nicht wider den willen jemand anders/ welcher ein
wahrhafftiges recht über die Fräulein hätte/ deroselben freyheit sich nach be-
lieben zu heyrathen einzuschrencken.
4. Nachdem die verlobung in ihren umständen nach göttlichen und
weltlichen gemeinen rechten ihre richtigkeit hat/ stehet der Fräulein durchaus
nicht frey/ ihr gemüth zu ändern/ oder sich anders zu verheyrathen: sondern
wo sie sich solches unternehmen wolte/ beginge sie einen ehebruch und mein-
eyd/ zöge auff sich GOttes schrecklichen zorn/ ja so lange sie auch in solchem
unzuläßigem heyrath lebte/ und Titius sie alsdann nicht selbs wegen ihrer
untreu loßgebe/ bliebe sie immerfort eine ehebrecherin und meineydige/ daher
unbußfertig/ und stürtzte sich also in das ewige verderben: Diejenige auch/
welche sie dahin verleiteten/ oder welche dazu hülffen/ sonderlich aber die per-
son/ welche dieselbe wissentlich dieser vorigen verbindung heyrathete/ mach-
ten sich aller solcher sünden zu ihrer seelen verderben theilhafftig/ als die/ was
in GOttes nahmen/ und also so fern von ihm/ zusammen gefüget worden/
unbillich trenneten.
5. Was die gewissens-gefahr bey der Fräulein anlangt/ da sie sich zur
stäten jungfrauschafft verbinden wolte/ bringet solche nicht zuwegen/ daß sie
denn anders und in gleichem stande heyrathen müste/ sondern vielmehr/ daß
sie die göttliche ordnung wider solche gefahr brauche/ und sich an denjenigen
halte/ dem sie eheliche treue zugesagt/ welche nach oben q. 1. ausgeführt/
nicht die stäte jungfrauschafft/ sondern die vollziehung des verspruchs er-
fordert.
Aus
E e e e

SECTIO XIII.
recht beſtaͤndig ſeye/ zumalen wenn eine perſon weiblichen geſchlechts noch
jung/ und nicht aus wanckelmuth/ ſondern aus wichtigen urſachen/ denjeni-
gen/ welchen ihre ſeele liebet/ verlaſſen muß.

Ob nun wol dieſes jetzt angefuͤhrte moͤchte einen ſchein haben/ verſehe
ich mich doch/ daß aus dem ſonderlich quæſt. 1. mit mehrerm erwogenen gnug-
ſam erhelle/ wie gewiſſenhafft nicht anders als mit nein auf die frage zu ant-
worten ſeye.

1. Jſt oben die richtigkeit der verlobung hoffenlich zur gnuͤge darge-
than.
2. Hingegen iſt auch gewieſen/ daß die prætendirte clandeſtinitaͤt keine
hindernuͤß nicht ſeye bey einer eigenmaͤchtigen perſon/ ſonderlich wo das ver-
loͤbnuͤß mit einem eyd bekraͤfftiget iſt/ ſo die Fraͤulein verbindet/ wo etwas an
ſolchem mangel gelegen ſeyn ſolte/ bey zeugen ihr verſprechen zu wiederholen/
und damit ſolch vermeintes hindernuͤß auffzuheben.
3. Ob die weiſe einer entfuͤhrung aͤhnlich ſcheinet/ iſt es dennoch nicht
wahrhafftig eine ſolche/ indem ſie nicht nur nicht geſchihet wider willen der
perſon ſelbs/ ſondern auch nicht wider den willen jemand anders/ welcher ein
wahrhafftiges recht uͤber die Fraͤulein haͤtte/ deroſelben freyheit ſich nach be-
lieben zu heyrathen einzuſchrencken.
4. Nachdem die verlobung in ihren umſtaͤnden nach goͤttlichen und
weltlichen gemeinen rechten ihre richtigkeit hat/ ſtehet der Fraͤulein durchaus
nicht frey/ ihr gemuͤth zu aͤndern/ oder ſich anders zu verheyrathen: ſondern
wo ſie ſich ſolches unternehmen wolte/ beginge ſie einen ehebruch und mein-
eyd/ zoͤge auff ſich GOttes ſchrecklichen zorn/ ja ſo lange ſie auch in ſolchem
unzulaͤßigem heyrath lebte/ und Titius ſie alsdann nicht ſelbs wegen ihrer
untreu loßgebe/ bliebe ſie immerfort eine ehebrecherin und meineydige/ daher
unbußfertig/ und ſtuͤrtzte ſich alſo in das ewige verderben: Diejenige auch/
welche ſie dahin verleiteten/ oder welche dazu huͤlffen/ ſonderlich aber die per-
ſon/ welche dieſelbe wiſſentlich dieſer vorigen verbindung heyrathete/ mach-
ten ſich aller ſolcher ſuͤnden zu ihrer ſeelen verderben theilhafftig/ als die/ was
in GOttes nahmen/ und alſo ſo fern von ihm/ zuſammen gefuͤget worden/
unbillich trenneten.
5. Was die gewiſſens-gefahr bey der Fraͤulein anlangt/ da ſie ſich zur
ſtaͤten jungfrauſchafft verbinden wolte/ bringet ſolche nicht zuwegen/ daß ſie
denn anders und in gleichem ſtande heyrathen muͤſte/ ſondern vielmehr/ daß
ſie die goͤttliche ordnung wider ſolche gefahr brauche/ und ſich an denjenigen
halte/ dem ſie eheliche treue zugeſagt/ welche nach oben q. 1. ausgefuͤhrt/
nicht die ſtaͤte jungfrauſchafft/ ſondern die vollziehung des verſpruchs er-
fordert.
Aus
E e e e
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[585/0593] SECTIO XIII. recht beſtaͤndig ſeye/ zumalen wenn eine perſon weiblichen geſchlechts noch jung/ und nicht aus wanckelmuth/ ſondern aus wichtigen urſachen/ denjeni- gen/ welchen ihre ſeele liebet/ verlaſſen muß. Ob nun wol dieſes jetzt angefuͤhrte moͤchte einen ſchein haben/ verſehe ich mich doch/ daß aus dem ſonderlich quæſt. 1. mit mehrerm erwogenen gnug- ſam erhelle/ wie gewiſſenhafft nicht anders als mit nein auf die frage zu ant- worten ſeye. 1. Jſt oben die richtigkeit der verlobung hoffenlich zur gnuͤge darge- than. 2. Hingegen iſt auch gewieſen/ daß die prætendirte clandeſtinitaͤt keine hindernuͤß nicht ſeye bey einer eigenmaͤchtigen perſon/ ſonderlich wo das ver- loͤbnuͤß mit einem eyd bekraͤfftiget iſt/ ſo die Fraͤulein verbindet/ wo etwas an ſolchem mangel gelegen ſeyn ſolte/ bey zeugen ihr verſprechen zu wiederholen/ und damit ſolch vermeintes hindernuͤß auffzuheben. 3. Ob die weiſe einer entfuͤhrung aͤhnlich ſcheinet/ iſt es dennoch nicht wahrhafftig eine ſolche/ indem ſie nicht nur nicht geſchihet wider willen der perſon ſelbs/ ſondern auch nicht wider den willen jemand anders/ welcher ein wahrhafftiges recht uͤber die Fraͤulein haͤtte/ deroſelben freyheit ſich nach be- lieben zu heyrathen einzuſchrencken. 4. Nachdem die verlobung in ihren umſtaͤnden nach goͤttlichen und weltlichen gemeinen rechten ihre richtigkeit hat/ ſtehet der Fraͤulein durchaus nicht frey/ ihr gemuͤth zu aͤndern/ oder ſich anders zu verheyrathen: ſondern wo ſie ſich ſolches unternehmen wolte/ beginge ſie einen ehebruch und mein- eyd/ zoͤge auff ſich GOttes ſchrecklichen zorn/ ja ſo lange ſie auch in ſolchem unzulaͤßigem heyrath lebte/ und Titius ſie alsdann nicht ſelbs wegen ihrer untreu loßgebe/ bliebe ſie immerfort eine ehebrecherin und meineydige/ daher unbußfertig/ und ſtuͤrtzte ſich alſo in das ewige verderben: Diejenige auch/ welche ſie dahin verleiteten/ oder welche dazu huͤlffen/ ſonderlich aber die per- ſon/ welche dieſelbe wiſſentlich dieſer vorigen verbindung heyrathete/ mach- ten ſich aller ſolcher ſuͤnden zu ihrer ſeelen verderben theilhafftig/ als die/ was in GOttes nahmen/ und alſo ſo fern von ihm/ zuſammen gefuͤget worden/ unbillich trenneten. 5. Was die gewiſſens-gefahr bey der Fraͤulein anlangt/ da ſie ſich zur ſtaͤten jungfrauſchafft verbinden wolte/ bringet ſolche nicht zuwegen/ daß ſie denn anders und in gleichem ſtande heyrathen muͤſte/ ſondern vielmehr/ daß ſie die goͤttliche ordnung wider ſolche gefahr brauche/ und ſich an denjenigen halte/ dem ſie eheliche treue zugeſagt/ welche nach oben q. 1. ausgefuͤhrt/ nicht die ſtaͤte jungfrauſchafft/ ſondern die vollziehung des verſpruchs er- fordert. Aus E e e e

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 585. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/593>, abgerufen am 22.11.2024.