Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.ARTIC. I. SECTIO V. gründliche erkäntnüß und erwegung nicht geringern nachtruck haben wird/eine seele zu verachtung der eitelkeit dieser welt zu bewegen/ als das nachsin- nen der künfftigen glori. Wir finden in der erfahrung/ daß uns die hoffnung eines auf das künfftige versprochenen gutes wol auch das gemüth kräfftig be- wegt/ aber wo uns gegenwärtige güter gezeiget werden/ so meine ich/ die bewe- gung seye viel kräfftiger; daher ich davor halte/ daß der liebste Apostel Römer am 8/ 18. nicht vergebens allem leiden dieser welt/ so uns sonsten zur ungedult bewegen möchte/ entgegen setzet/ die herrlichkeit/ nicht so wol die dermaleins uns erst geschencket/ sondern die an uns solle offenbahret werden/ das ist/ die wir bereits haben/ aber nur deroselben offenbahrung und vollkommenen gebrauch erwarten. Damit lernen wir/ daß es ja wol werth seye/ um der ehre unsers GOttes willen etwas/ und zwahr vieles/ wil- lig zu leiden/ weil er uns bereits eine so grosse herrlichkeit wircklich geschencket habe; welche wie unser leben in GOTT/ zwahr annoch verborgen ist/ aber offenbahret werden solle/ wann Christus selbs wird offenbahret werden in der herrlichkeit Col. 3/ 3. 4. Es bestehet aber solche herrlich- keit in der göttlichen väterlichen liebe/ in der seligen kindschafft GOttes/ in dessen treuer vorsorge für uns/ in der gerechtigkeit JEsu Christi und dessen vollkommensten verdienstes gnadenreicher zurechnung/ daraus eines glaubi- gen seele krafft solches theuersten geschenckes und ihres glaubens vor GOt- tes augen auffs hellste und klähreste leuchtet/ in der beywohnung und kräffti- gen wirckung des H. Geistes/ so an unserer heiligung und erneurung täglich arbeitet/ in dessen innerlichen zeugnüß/ in seinem friede und freude/ und was mehrere schätze der seligkeit sind/ welche wir bereits allhier aus der himmli- schen gnade wircklich besitzen/ und deßwegen wol würdig sind/ täglich davon zu dencken/ und mit dero betrachtung unsern glauben zu stärcken: Wie sie ja eine solche herrlichkeit und adel in sich fassen/ daß gegen demselben aller hoher stand dieser welt/ so aus natürlicher geburt herkommt/ gering zu achten ist. Weßwe- gen die betrachtung/ daß er uns so hoch gewürdiget/ (wann durch die gottseli- ge erwegung solche unsere hoheit uns recht in das hertz getrucket wird) nicht anders kan als den glauben und alle dessen früchten bey uns vortrefflich stär- cken: Und ich zu solchem zweck/ sothane beschauung der bereits besitzenden schä- tze und güter/ so nützlich achte/ als immermehr die betrachtung der künfftigen herrlichkeit seyn mag. Wie auch/ deswegen so wol Statii schatz-kammer der glaubigen/ als Andr. Crameri tractätlein/ welcher von solcher materie noch behutsamer und mit weniger gelegenheit eines anstosses als jener han- delt/ so auch beyde vermuthlich E. Hoch-Fürstl. Durchl. werden bekant seyn/ mich allzeit sehr vergnügt/ und zu reicher gottseliger auffmunterung mir an- laß gegeben haben. SECTIO M m m m 2
ARTIC. I. SECTIO V. gruͤndliche erkaͤntnuͤß und erwegung nicht geringern nachtruck haben wird/eine ſeele zu verachtung der eitelkeit dieſer welt zu bewegen/ als das nachſin- nen der kuͤnfftigen glori. Wir finden in der erfahrung/ daß uns die hoffnung eines auf das kuͤnfftige verſprochenen gutes wol auch das gemuͤth kraͤfftig be- wegt/ aber wo uns gegenwaͤrtige guͤter gezeiget werden/ ſo meine ich/ die bewe- gung ſeye viel kraͤfftiger; daher ich davor halte/ daß der liebſte Apoſtel Roͤmer am 8/ 18. nicht vergebens allem leiden dieſer welt/ ſo uns ſonſten zur ungedult bewegen moͤchte/ entgegen ſetzet/ die herrlichkeit/ nicht ſo wol die dermaleins uns erſt geſchencket/ ſondern die an uns ſolle offenbahret werden/ das iſt/ die wir bereits haben/ aber nur deroſelben offenbahrung und vollkommenen gebrauch erwarten. Damit lernen wir/ daß es ja wol werth ſeye/ um der ehre unſers GOttes willen etwas/ und zwahr vieles/ wil- lig zu leiden/ weil er uns bereits eine ſo groſſe herrlichkeit wircklich geſchencket habe; welche wie unſer leben in GOTT/ zwahr annoch verborgen iſt/ aber offenbahret werden ſolle/ wann Chriſtus ſelbs wird offenbahret werden in der herrlichkeit Col. 3/ 3. 4. Es beſtehet aber ſolche herrlich- keit in der goͤttlichen vaͤterlichen liebe/ in der ſeligen kindſchafft GOttes/ in deſſen treuer vorſorge fuͤr uns/ in der gerechtigkeit JEſu Chriſti und deſſen vollkommenſten verdienſtes gnadenreicher zurechnung/ daraus eines glaubi- gen ſeele krafft ſolches theuerſten geſchenckes und ihres glaubens vor GOt- tes augen auffs hellſte und klaͤhreſte leuchtet/ in der beywohnung und kraͤffti- gen wirckung des H. Geiſtes/ ſo an unſerer heiligung und erneurung taͤglich arbeitet/ in deſſen innerlichen zeugnuͤß/ in ſeinem friede und freude/ und was mehrere ſchaͤtze der ſeligkeit ſind/ welche wir bereits allhier aus der himmli- ſchen gnade wircklich beſitzen/ und deßwegen wol wuͤrdig ſind/ taͤglich davon zu dencken/ und mit dero betrachtung unſern glauben zu ſtaͤrcken: Wie ſie ja eine ſolche herrlichkeit und adel in ſich faſſen/ daß gegen demſelben aller hoher ſtand dieſer welt/ ſo aus natuͤrlicher geburt herkommt/ gering zu achten iſt. Weßwe- gen die betrachtung/ daß er uns ſo hoch gewuͤrdiget/ (wann durch die gottſeli- ge erwegung ſolche unſere hoheit uns recht in das hertz getrucket wird) nicht anders kan als den glauben und alle deſſen fruͤchten bey uns vortrefflich ſtaͤr- cken: Und ich zu ſolchem zweck/ ſothane beſchauung der bereits beſitzenden ſchaͤ- tze und guͤter/ ſo nuͤtzlich achte/ als immermehr die betrachtung der kuͤnfftigen herrlichkeit ſeyn mag. Wie auch/ deswegen ſo wol Statii ſchatz-kammer der glaubigen/ als Andr. Crameri tractaͤtlein/ welcher von ſolcher materie noch behutſamer und mit weniger gelegenheit eines anſtoſſes als jener han- delt/ ſo auch beyde vermuthlich E. Hoch-Fuͤrſtl. Durchl. werden bekant ſeyn/ mich allzeit ſehr vergnuͤgt/ und zu reicher gottſeliger auffmunterung mir an- laß gegeben haben. SECTIO M m m m 2
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gruͤndliche erkaͤntnuͤß und erwegung nicht geringern nachtruck haben wird/
eine ſeele zu verachtung der eitelkeit dieſer welt zu bewegen/ als das nachſin-
nen der kuͤnfftigen glori. Wir finden in der erfahrung/ daß uns die hoffnung
eines auf das kuͤnfftige verſprochenen gutes wol auch das gemuͤth kraͤfftig be-
wegt/ aber wo uns gegenwaͤrtige guͤter gezeiget werden/ ſo meine ich/ die bewe-
gung ſeye viel kraͤfftiger; daher ich davor halte/ daß der liebſte Apoſtel
Roͤmer am 8/ 18. nicht vergebens allem leiden dieſer welt/ ſo uns ſonſten
zur ungedult bewegen moͤchte/ entgegen ſetzet/ die herrlichkeit/ nicht ſo wol
die dermaleins uns erſt geſchencket/ ſondern die an uns ſolle offenbahret
werden/ das iſt/ die wir bereits haben/ aber nur deroſelben offenbahrung
und vollkommenen gebrauch erwarten. Damit lernen wir/ daß es ja wol
werth ſeye/ um der ehre unſers GOttes willen etwas/ und zwahr vieles/ wil-
lig zu leiden/ weil er uns bereits eine ſo groſſe herrlichkeit wircklich geſchencket
habe; welche wie unſer leben in GOTT/ zwahr annoch verborgen iſt/
aber offenbahret werden ſolle/ wann Chriſtus ſelbs wird offenbahret
werden in der herrlichkeit Col. 3/ 3. 4. Es beſtehet aber ſolche herrlich-
keit in der goͤttlichen vaͤterlichen liebe/ in der ſeligen kindſchafft GOttes/ in
deſſen treuer vorſorge fuͤr uns/ in der gerechtigkeit JEſu Chriſti und deſſen
vollkommenſten verdienſtes gnadenreicher zurechnung/ daraus eines glaubi-
gen ſeele krafft ſolches theuerſten geſchenckes und ihres glaubens vor GOt-
tes augen auffs hellſte und klaͤhreſte leuchtet/ in der beywohnung und kraͤffti-
gen wirckung des H. Geiſtes/ ſo an unſerer heiligung und erneurung taͤglich
arbeitet/ in deſſen innerlichen zeugnuͤß/ in ſeinem friede und freude/ und was
mehrere ſchaͤtze der ſeligkeit ſind/ welche wir bereits allhier aus der himmli-
ſchen gnade wircklich beſitzen/ und deßwegen wol wuͤrdig ſind/ taͤglich davon zu
dencken/ und mit dero betrachtung unſern glauben zu ſtaͤrcken: Wie ſie ja eine
ſolche herrlichkeit und adel in ſich faſſen/ daß gegen demſelben aller hoher ſtand
dieſer welt/ ſo aus natuͤrlicher geburt herkommt/ gering zu achten iſt. Weßwe-
gen die betrachtung/ daß er uns ſo hoch gewuͤrdiget/ (wann durch die gottſeli-
ge erwegung ſolche unſere hoheit uns recht in das hertz getrucket wird) nicht
anders kan als den glauben und alle deſſen fruͤchten bey uns vortrefflich ſtaͤr-
cken: Und ich zu ſolchem zweck/ ſothane beſchauung der bereits beſitzenden ſchaͤ-
tze und guͤter/ ſo nuͤtzlich achte/ als immermehr die betrachtung der kuͤnfftigen
herrlichkeit ſeyn mag. Wie auch/ deswegen ſo wol Statii ſchatz-kammer
der glaubigen/ als Andr. Crameri tractaͤtlein/ welcher von ſolcher materie
noch behutſamer und mit weniger gelegenheit eines anſtoſſes als jener han-
delt/ ſo auch beyde vermuthlich E. Hoch-Fuͤrſtl. Durchl. werden bekant ſeyn/
mich allzeit ſehr vergnuͤgt/ und zu reicher gottſeliger auffmunterung mir an-
laß gegeben haben.
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