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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das fünffte Capitel.
SECTIO VI.
Das vornehmste mittel/ einen menschen von der
welt eitelkeit und derer liebe abzuziehen/ aus dem
Evangelio/ die betrachtung göttlicher wol-
thaten.
Durchlauchtigste Fürstin/
Gnädigste Fürstin und Fräulein.

E.Hoch-Fürstl. Durchl. gnädigstes hand-schreiben habe vor etlichen
tagen wol empfangen/ und gleichwie mich solcher unverdienten
ehre unterthänigst bedancke/ also erkenne auch hieraus deroselben
gottseliges gemüth/ daß solche dergleichen gnädigste zuneigung gegen mich
bezeugen/ bey deme sie mehrers nicht/ das beliebig seyn könte/ ange-
troffen haben/ als daß ich mich erfreue/ wo ich von GOTT recht von in-
nerstem grund suchenden seelen höre oder solche kennen lerne/ so dann nach
gleichem zweck in der maaß der gegebenen göttlichen gnade mich zu be-
streben suche. Solches sind aber dinge/ welche wie der welt zu wider/
also denen seelen allein angenehm sind/ die allein hoch achten/ worinnen
sie göttliche gnade/ in grosser oder weniger maaß/ antreffen. Dann gleichwie
sie in demselben/ so viel sie dero an sich haben/ ihr höchstes vergnügen suchen/
also schätzen sie solche allein hoch auch bey andern. Jn dem übrigen haben
E. Hochfürstl. Durchlaucht. ein grösseres vertrauen zu meiner wenigkeit/
daß sie sonderbahre erbauung von meiner gegenwart hoffeten/ als ich mei-
nes orts erkennen könte/ daß von mir zu hoffen wäre. Dann ob ich zwahr
freylich die von dem grundgütigen Vater in dem himmel mir unwürdigsten
verliehene gnade nicht zu leugnen/ sondern mit demüthigstem danck ihn des-
wegen zu verehren habe; auch nach vermögen so wol aus pflicht meines bey
hiesiger gemeinde aus göttlichem beruff tragenden amts/ als anweisung des
uns allgemeinen priesterthums/ dieselbe dazu sorgfältigst anwenden
solle/ damit einige meiner mitchristen/ mit denen umzugehen mir
GOTT die gelegenheit gibt/ durch mich mit erbauet und ent-
weder erst zu dem erkäntnüß ihres heyls geführet/ oder/ wo sie
auch von dem getreuen himmlischen Vater schon weiter gebracht
sind/ und mir vieles vorgehen/ dannoch durch eines ob wol mit schwachen
schritten ihnen nachfolgenden etlicher massen in dem guten gestärcket/
werden mögen. So wird sich gleichwol an mir nichtes finden/ wodurch eine
Gotternstliche dienende seele erbauet werden möchte/ welches sich nicht auch
bey andern CHristi dienern allen/ (gegen denen ich billich meine geringe fä-

hig-
Das fuͤnffte Capitel.
SECTIO VI.
Das vornehmſte mittel/ einen menſchen von der
welt eitelkeit und derer liebe abzuziehen/ aus dem
Evangelio/ die betrachtung goͤttlicher wol-
thaten.
Durchlauchtigſte Fuͤrſtin/
Gnaͤdigſte Fuͤrſtin und Fraͤulein.

E.Hoch-Fuͤrſtl. Durchl. gnaͤdigſtes hand-ſchreiben habe vor etlichen
tagen wol empfangen/ und gleichwie mich ſolcher unverdienten
ehre unterthaͤnigſt bedancke/ alſo erkenne auch hieraus deroſelben
gottſeliges gemuͤth/ daß ſolche dergleichen gnaͤdigſte zuneigung gegen mich
bezeugen/ bey deme ſie mehrers nicht/ das beliebig ſeyn koͤnte/ ange-
troffen haben/ als daß ich mich erfreue/ wo ich von GOTT recht von in-
nerſtem grund ſuchenden ſeelen hoͤre oder ſolche kennen lerne/ ſo dann nach
gleichem zweck in der maaß der gegebenen goͤttlichen gnade mich zu be-
ſtreben ſuche. Solches ſind aber dinge/ welche wie der welt zu wider/
alſo denen ſeelen allein angenehm ſind/ die allein hoch achten/ worinnen
ſie goͤttliche gnade/ in groſſer oder weniger maaß/ antreffen. Dann gleichwie
ſie in demſelben/ ſo viel ſie dero an ſich haben/ ihr hoͤchſtes vergnuͤgen ſuchen/
alſo ſchaͤtzen ſie ſolche allein hoch auch bey andern. Jn dem uͤbrigen haben
E. Hochfuͤrſtl. Durchlaucht. ein groͤſſeres vertrauen zu meiner wenigkeit/
daß ſie ſonderbahre erbauung von meiner gegenwart hoffeten/ als ich mei-
nes orts erkennen koͤnte/ daß von mir zu hoffen waͤre. Dann ob ich zwahr
freylich die von dem grundguͤtigen Vater in dem himmel mir unwuͤrdigſten
verliehene gnade nicht zu leugnen/ ſondern mit demuͤthigſtem danck ihn des-
wegen zu verehren habe; auch nach vermoͤgen ſo wol aus pflicht meines bey
hieſiger gemeinde aus goͤttlichem beruff tragenden amts/ als anweiſung des
uns allgemeinen prieſterthums/ dieſelbe dazu ſorgfaͤltigſt anwenden
ſolle/ damit einige meiner mitchriſten/ mit denen umzugehen mir
GOTT die gelegenheit gibt/ durch mich mit erbauet und ent-
weder erſt zu dem erkaͤntnuͤß ihres heyls gefuͤhret/ oder/ wo ſie
auch von dem getreuen himmliſchen Vater ſchon weiter gebracht
ſind/ und mir vieles vorgehen/ dannoch durch eines ob wol mit ſchwachen
ſchritten ihnen nachfolgenden etlicher maſſen in dem guten geſtaͤrcket/
werden moͤgen. So wird ſich gleichwol an mir nichtes finden/ wodurch eine
Gotternſtliche dienende ſeele erbauet werden moͤchte/ welches ſich nicht auch
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hig-
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[644/0652] Das fuͤnffte Capitel. SECTIO VI. Das vornehmſte mittel/ einen menſchen von der welt eitelkeit und derer liebe abzuziehen/ aus dem Evangelio/ die betrachtung goͤttlicher wol- thaten. Durchlauchtigſte Fuͤrſtin/ Gnaͤdigſte Fuͤrſtin und Fraͤulein. E.Hoch-Fuͤrſtl. Durchl. gnaͤdigſtes hand-ſchreiben habe vor etlichen tagen wol empfangen/ und gleichwie mich ſolcher unverdienten ehre unterthaͤnigſt bedancke/ alſo erkenne auch hieraus deroſelben gottſeliges gemuͤth/ daß ſolche dergleichen gnaͤdigſte zuneigung gegen mich bezeugen/ bey deme ſie mehrers nicht/ das beliebig ſeyn koͤnte/ ange- troffen haben/ als daß ich mich erfreue/ wo ich von GOTT recht von in- nerſtem grund ſuchenden ſeelen hoͤre oder ſolche kennen lerne/ ſo dann nach gleichem zweck in der maaß der gegebenen goͤttlichen gnade mich zu be- ſtreben ſuche. Solches ſind aber dinge/ welche wie der welt zu wider/ alſo denen ſeelen allein angenehm ſind/ die allein hoch achten/ worinnen ſie goͤttliche gnade/ in groſſer oder weniger maaß/ antreffen. Dann gleichwie ſie in demſelben/ ſo viel ſie dero an ſich haben/ ihr hoͤchſtes vergnuͤgen ſuchen/ alſo ſchaͤtzen ſie ſolche allein hoch auch bey andern. Jn dem uͤbrigen haben E. Hochfuͤrſtl. Durchlaucht. ein groͤſſeres vertrauen zu meiner wenigkeit/ daß ſie ſonderbahre erbauung von meiner gegenwart hoffeten/ als ich mei- nes orts erkennen koͤnte/ daß von mir zu hoffen waͤre. Dann ob ich zwahr freylich die von dem grundguͤtigen Vater in dem himmel mir unwuͤrdigſten verliehene gnade nicht zu leugnen/ ſondern mit demuͤthigſtem danck ihn des- wegen zu verehren habe; auch nach vermoͤgen ſo wol aus pflicht meines bey hieſiger gemeinde aus goͤttlichem beruff tragenden amts/ als anweiſung des uns allgemeinen prieſterthums/ dieſelbe dazu ſorgfaͤltigſt anwenden ſolle/ damit einige meiner mitchriſten/ mit denen umzugehen mir GOTT die gelegenheit gibt/ durch mich mit erbauet und ent- weder erſt zu dem erkaͤntnuͤß ihres heyls gefuͤhret/ oder/ wo ſie auch von dem getreuen himmliſchen Vater ſchon weiter gebracht ſind/ und mir vieles vorgehen/ dannoch durch eines ob wol mit ſchwachen ſchritten ihnen nachfolgenden etlicher maſſen in dem guten geſtaͤrcket/ werden moͤgen. So wird ſich gleichwol an mir nichtes finden/ wodurch eine Gotternſtliche dienende ſeele erbauet werden moͤchte/ welches ſich nicht auch bey andern CHriſti dienern allen/ (gegen denen ich billich meine geringe faͤ- hig-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 644. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/652>, abgerufen am 22.11.2024.