Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.Das fünffte Capitel. wol gar seine verderbnüß schwehrer als bey andern achtet/ ob alle diese ding/die gleichwol gut seynd/ sich bey ihm also finden könten/ daß er sie aus sich selbs hätte/ oder aber ob nicht vielmehr dieselbe unwidersprechliche zeugnüs- sen seynd/ daß der Geist GOttes/ welchen er von sich gewichen zu seyn sorget/ wahrhafftig in ihm wohne/ weil er solche theure früchten in ihm bringet. Wie kan aber derjenige ohne glauben seyn/ bey welchem diese liebe früchten des glaubens und des Geistes sich finden? Also/ auserwehlter Bruder/ erkenne er die ihm verborgene wurtzel/ daß sie gleichwol bey ihm lebendig annoch seyn müsse/ da er deroselben werthe früchten sihet/ welche einmal ohne solche wur- tzel durchaus nicht könten da seyn. Wenn also auf einer seiten sein hertz/ welches wie alles menschliche hertz von natur ein lügenhafftes hertz ist/ aus seinem betrieglichen empfinden ihm saget/ er habe keinen glauben/ auf der an- dern seiten saget GOttes wort/ der mensch seye von sich selbs zu allem guten untüchtig/ daher wo sich geistliches gutes befinde/ so müsse dasselbige göttliche wirckung/ und ein solcher mensch des heiligen Geistes werckstatt seyn/ wo der glaube sich nothwendig befinden muß: Welchem unter beyden meinet er nun mit recht glauben zuzustellen? die vernunfft selbs wird ihn lehren/ daß nicht sein lügenhafftes hertz/ und dessen betriegliches fühlen/ sondern das wort der wahrheit allein/ würdig seye/ ihm glauben beyzulegen. Also erkenne er wi- der allen seines hertzens widerspruch gleichwol/ daß er glaubig seye. Es wird ferner zu dem heiligen abendmahl erfordert ein hertzlicher vorsatz/ sein leben in der that und wahrheit nach aller gnade/ die einem GOTT darzu verleihen werde/ zu bessern. Hie hoffe ich auch nicht/ daß es ihm mangeln/ sondern sich derselbe so viel auffrichtiger bey ihm finden werde/ als weniger der zustand der angefochtenen einiger heucheley bey ihnen platz lässet. So gehe er dem- nach mit hertzlicher demuth und gehorsam zu solchem tisch der gnaden/ und speise und träncke seine seele mit solchen himmlischen gütern/ die ihm anerbo- ten werden. Er versichere sich auch darbey/ daß er nicht nur allein wahrhaff- tig den leib und blut seines liebsten Heylands daselbs empfangen/ sondern zu- gleich der darinnen versprochenen gnaden unfehlbarlich theilhafftig werde werden. Jm übrigen kämpffe er noch fort in der krafft des HErrn HErrn/ in dem kampff/ welchen dessen heilige wahrheit ihm bestimmet hat/ als gewiß/ welcher biß dahero beygestanden ist/ daß er überwunden hat/ wird auch ferner nicht weniger beystehen/ und ihm helffen den völligen sieg davon tragen. Es wird ihm zwahr auch dieses seltzam vorkommen/ daß er biß dahero überwun- den haben solte/ da ihn doch deucht/ er seye immerfort vielmehr überwunden worden/ und habe in sich keine krafft zu streiten. Aber liebster Bruder/ es ist dieses bereits ein herrlicher sieg und überwindung/ daß ihn der HErr biß da- her annoch erhalten hat/ daß er auf diese stund noch stehet/ und ob wol seinem fühlen
Das fuͤnffte Capitel. wol gar ſeine verderbnuͤß ſchwehrer als bey andern achtet/ ob alle dieſe ding/die gleichwol gut ſeynd/ ſich bey ihm alſo finden koͤnten/ daß er ſie aus ſich ſelbs haͤtte/ oder aber ob nicht vielmehr dieſelbe unwiderſprechliche zeugnuͤſ- ſen ſeynd/ daß der Geiſt GOttes/ welchen er von ſich gewichen zu ſeyn ſorget/ wahrhafftig in ihm wohne/ weil er ſolche theure fruͤchten in ihm bringet. Wie kan aber derjenige ohne glauben ſeyn/ bey welchem dieſe liebe fruͤchten des glaubens und des Geiſtes ſich finden? Alſo/ auserwehlter Bruder/ erkenne er die ihm verborgene wurtzel/ daß ſie gleichwol bey ihm lebendig annoch ſeyn muͤſſe/ da er deroſelben werthe fruͤchten ſihet/ welche einmal ohne ſolche wur- tzel durchaus nicht koͤnten da ſeyn. Wenn alſo auf einer ſeiten ſein hertz/ welches wie alles menſchliche hertz von natur ein luͤgenhafftes hertz iſt/ aus ſeinem betrieglichen empfinden ihm ſaget/ er habe keinen glauben/ auf der an- dern ſeiten ſaget GOttes wort/ der menſch ſeye von ſich ſelbs zu allem guten untuͤchtig/ daher wo ſich geiſtliches gutes befinde/ ſo muͤſſe daſſelbige goͤttliche wirckung/ und ein ſolcher menſch des heiligen Geiſtes werckſtatt ſeyn/ wo der glaube ſich nothwendig befinden muß: Welchem unter beyden meinet er nun mit recht glauben zuzuſtellen? die vernunfft ſelbs wird ihn lehren/ daß nicht ſein luͤgenhafftes hertz/ und deſſen betriegliches fuͤhlen/ ſondern das wort der wahrheit allein/ wuͤrdig ſeye/ ihm glauben beyzulegen. Alſo erkenne er wi- der allen ſeines hertzens widerſpruch gleichwol/ daß er glaubig ſeye. Es wird ferner zu dem heiligen abendmahl erfordert ein hertzlicher vorſatz/ ſein leben in der that und wahrheit nach aller gnade/ die einem GOTT darzu verleihen werde/ zu beſſern. Hie hoffe ich auch nicht/ daß es ihm mangeln/ ſondern ſich derſelbe ſo viel auffrichtiger bey ihm finden werde/ als weniger der zuſtand der angefochtenen einiger heucheley bey ihnen platz laͤſſet. So gehe er dem- nach mit hertzlicher demuth und gehorſam zu ſolchem tiſch der gnaden/ und ſpeiſe und traͤncke ſeine ſeele mit ſolchen himmliſchen guͤtern/ die ihm anerbo- ten werden. Er verſichere ſich auch darbey/ daß er nicht nur allein wahrhaff- tig den leib und blut ſeines liebſten Heylands daſelbs empfangen/ ſondern zu- gleich der darinnen verſprochenen gnaden unfehlbarlich theilhafftig werde werden. Jm uͤbrigen kaͤmpffe er noch fort in der krafft des HErrn HErrn/ in dem kampff/ welchen deſſen heilige wahrheit ihm beſtimmet hat/ als gewiß/ welcher biß dahero beygeſtanden iſt/ daß er uͤberwunden hat/ wird auch ferner nicht weniger beyſtehen/ und ihm helffen den voͤlligen ſieg davon tragen. Es wird ihm zwahr auch dieſes ſeltzam vorkommen/ daß er biß dahero uͤberwun- den haben ſolte/ da ihn doch deucht/ er ſeye immerfort vielmehr uͤberwunden worden/ und habe in ſich keine krafft zu ſtreiten. Aber liebſter Bruder/ es iſt dieſes bereits ein herrlicher ſieg und uͤberwindung/ daß ihn der HErr biß da- her annoch erhalten hat/ daß er auf dieſe ſtund noch ſtehet/ und ob wol ſeinem fuͤhlen
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0738" n="730"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das fuͤnffte Capitel.</hi></fw><lb/> wol gar ſeine verderbnuͤß ſchwehrer als bey andern achtet/ ob alle dieſe ding/<lb/> die gleichwol gut ſeynd/ ſich bey ihm alſo finden koͤnten/ daß er ſie aus ſich<lb/> ſelbs haͤtte/ oder aber ob nicht vielmehr dieſelbe unwiderſprechliche zeugnuͤſ-<lb/> ſen ſeynd/ daß der Geiſt GOttes/ welchen er von ſich gewichen zu ſeyn ſorget/<lb/> wahrhafftig in ihm wohne/ weil er ſolche theure fruͤchten in ihm bringet. Wie<lb/> kan aber derjenige ohne glauben ſeyn/ bey welchem dieſe liebe fruͤchten des<lb/> glaubens und des Geiſtes ſich finden? Alſo/ auserwehlter Bruder/ erkenne er<lb/> die ihm verborgene wurtzel/ daß ſie gleichwol bey ihm lebendig annoch ſeyn<lb/> muͤſſe/ da er deroſelben werthe fruͤchten ſihet/ welche einmal ohne ſolche wur-<lb/> tzel durchaus nicht koͤnten da ſeyn. Wenn alſo auf einer ſeiten ſein hertz/<lb/> welches wie alles menſchliche hertz von natur ein luͤgenhafftes hertz iſt/ aus<lb/> ſeinem betrieglichen empfinden ihm ſaget/ er habe keinen glauben/ auf der an-<lb/> dern ſeiten ſaget GOttes wort/ der menſch ſeye von ſich ſelbs zu allem guten<lb/> untuͤchtig/ daher wo ſich geiſtliches gutes befinde/ ſo muͤſſe daſſelbige goͤttliche<lb/> wirckung/ und ein ſolcher menſch des heiligen Geiſtes werckſtatt ſeyn/ wo der<lb/> glaube ſich nothwendig befinden muß: Welchem unter beyden meinet er nun<lb/> mit recht glauben zuzuſtellen? die vernunfft ſelbs wird ihn lehren/ daß nicht<lb/> ſein luͤgenhafftes hertz/ und deſſen betriegliches fuͤhlen/ ſondern das wort der<lb/> wahrheit allein/ wuͤrdig ſeye/ ihm glauben beyzulegen. Alſo erkenne er wi-<lb/> der allen ſeines hertzens widerſpruch gleichwol/ daß er glaubig ſeye. Es wird<lb/> ferner zu dem heiligen abendmahl erfordert ein hertzlicher vorſatz/ ſein leben in<lb/> der that und wahrheit nach aller gnade/ die einem GOTT darzu verleihen<lb/> werde/ zu beſſern. Hie hoffe ich auch nicht/ daß es ihm mangeln/ ſondern ſich<lb/> derſelbe ſo viel auffrichtiger bey ihm finden werde/ als weniger der zuſtand<lb/> der angefochtenen einiger heucheley bey ihnen platz laͤſſet. So gehe er dem-<lb/> nach mit hertzlicher demuth und gehorſam zu ſolchem tiſch der gnaden/ und<lb/> ſpeiſe und traͤncke ſeine ſeele mit ſolchen himmliſchen guͤtern/ die ihm anerbo-<lb/> ten werden. Er verſichere ſich auch darbey/ daß er nicht nur allein wahrhaff-<lb/> tig den leib und blut ſeines liebſten Heylands daſelbs empfangen/ ſondern zu-<lb/> gleich der darinnen verſprochenen gnaden unfehlbarlich theilhafftig werde<lb/> werden. Jm uͤbrigen kaͤmpffe er noch fort in der krafft des HErrn HErrn/<lb/> in dem kampff/ welchen deſſen heilige wahrheit ihm beſtimmet hat/ als gewiß/<lb/> welcher biß dahero beygeſtanden iſt/ daß er uͤberwunden hat/ wird auch ferner<lb/> nicht weniger beyſtehen/ und ihm helffen den voͤlligen ſieg davon tragen. Es<lb/> wird ihm zwahr auch dieſes ſeltzam vorkommen/ daß er biß dahero uͤberwun-<lb/> den haben ſolte/ da ihn doch deucht/ er ſeye immerfort vielmehr uͤberwunden<lb/> worden/ und habe in ſich keine krafft zu ſtreiten. Aber liebſter Bruder/ es iſt<lb/> dieſes bereits ein herrlicher ſieg und uͤberwindung/ daß ihn der HErr biß da-<lb/> her annoch erhalten hat/ daß er auf dieſe ſtund noch ſtehet/ und ob wol ſeinem<lb/> <fw place="bottom" type="catch">fuͤhlen</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [730/0738]
Das fuͤnffte Capitel.
wol gar ſeine verderbnuͤß ſchwehrer als bey andern achtet/ ob alle dieſe ding/
die gleichwol gut ſeynd/ ſich bey ihm alſo finden koͤnten/ daß er ſie aus ſich
ſelbs haͤtte/ oder aber ob nicht vielmehr dieſelbe unwiderſprechliche zeugnuͤſ-
ſen ſeynd/ daß der Geiſt GOttes/ welchen er von ſich gewichen zu ſeyn ſorget/
wahrhafftig in ihm wohne/ weil er ſolche theure fruͤchten in ihm bringet. Wie
kan aber derjenige ohne glauben ſeyn/ bey welchem dieſe liebe fruͤchten des
glaubens und des Geiſtes ſich finden? Alſo/ auserwehlter Bruder/ erkenne er
die ihm verborgene wurtzel/ daß ſie gleichwol bey ihm lebendig annoch ſeyn
muͤſſe/ da er deroſelben werthe fruͤchten ſihet/ welche einmal ohne ſolche wur-
tzel durchaus nicht koͤnten da ſeyn. Wenn alſo auf einer ſeiten ſein hertz/
welches wie alles menſchliche hertz von natur ein luͤgenhafftes hertz iſt/ aus
ſeinem betrieglichen empfinden ihm ſaget/ er habe keinen glauben/ auf der an-
dern ſeiten ſaget GOttes wort/ der menſch ſeye von ſich ſelbs zu allem guten
untuͤchtig/ daher wo ſich geiſtliches gutes befinde/ ſo muͤſſe daſſelbige goͤttliche
wirckung/ und ein ſolcher menſch des heiligen Geiſtes werckſtatt ſeyn/ wo der
glaube ſich nothwendig befinden muß: Welchem unter beyden meinet er nun
mit recht glauben zuzuſtellen? die vernunfft ſelbs wird ihn lehren/ daß nicht
ſein luͤgenhafftes hertz/ und deſſen betriegliches fuͤhlen/ ſondern das wort der
wahrheit allein/ wuͤrdig ſeye/ ihm glauben beyzulegen. Alſo erkenne er wi-
der allen ſeines hertzens widerſpruch gleichwol/ daß er glaubig ſeye. Es wird
ferner zu dem heiligen abendmahl erfordert ein hertzlicher vorſatz/ ſein leben in
der that und wahrheit nach aller gnade/ die einem GOTT darzu verleihen
werde/ zu beſſern. Hie hoffe ich auch nicht/ daß es ihm mangeln/ ſondern ſich
derſelbe ſo viel auffrichtiger bey ihm finden werde/ als weniger der zuſtand
der angefochtenen einiger heucheley bey ihnen platz laͤſſet. So gehe er dem-
nach mit hertzlicher demuth und gehorſam zu ſolchem tiſch der gnaden/ und
ſpeiſe und traͤncke ſeine ſeele mit ſolchen himmliſchen guͤtern/ die ihm anerbo-
ten werden. Er verſichere ſich auch darbey/ daß er nicht nur allein wahrhaff-
tig den leib und blut ſeines liebſten Heylands daſelbs empfangen/ ſondern zu-
gleich der darinnen verſprochenen gnaden unfehlbarlich theilhafftig werde
werden. Jm uͤbrigen kaͤmpffe er noch fort in der krafft des HErrn HErrn/
in dem kampff/ welchen deſſen heilige wahrheit ihm beſtimmet hat/ als gewiß/
welcher biß dahero beygeſtanden iſt/ daß er uͤberwunden hat/ wird auch ferner
nicht weniger beyſtehen/ und ihm helffen den voͤlligen ſieg davon tragen. Es
wird ihm zwahr auch dieſes ſeltzam vorkommen/ daß er biß dahero uͤberwun-
den haben ſolte/ da ihn doch deucht/ er ſeye immerfort vielmehr uͤberwunden
worden/ und habe in ſich keine krafft zu ſtreiten. Aber liebſter Bruder/ es iſt
dieſes bereits ein herrlicher ſieg und uͤberwindung/ daß ihn der HErr biß da-
her annoch erhalten hat/ daß er auf dieſe ſtund noch ſtehet/ und ob wol ſeinem
fuͤhlen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |