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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das fünffte Capitel.
dere dir gefällige tugenden/ damit ich aus diesen früchten und guten
wirckungen deines Geistes überzeuget werde/ daß ich den glauben
noch habe/ welchen du mir so tieff verborgen hast. Du sihest auch/
liebster Vater/ wie der satan/ weil du dein gnaden-antlitz vor mir
verdecket hast/ sich der gelegenheit gebrauchet/ und trachtet mich mit
seinen feurigen pfeilen vollends zu verderben/ in verzweiffelung/
mißglauben und andere schand und laster zu verführen. HErr ich
bin viel zu schwach/ diesem bösewicht und seinen versuchungen zu wi-
derstehen/ aber ach sihe du selbs mit erbarmenden augen auff mich/
und hilff mir ritterlich ringen; gib ihm nicht zur beute die seele/ wel-
che dein Sohn so theuer erkauffet und erlöset hat/ sondern stärcke
mich also/ daß ich ritterlich kämpffe/ alles wohl ausrichte und das feld
behalte. Ach laß dieses feuer der anfechtung dazu gesegnet werden/
daß dadurch meines glaubens gold rechtschaffen geläutert/ von den
schlacken und aller unreinigkeit gesäubert/ und insgesamt alles/
was von liebe dieser welt bey mir übrig seyn möchte/ ausgebrandt
werde. Gib mir nur gedult und standhafftigkeit in solcher schweh-
ren prob dir gehorsamlich auszuhalten. Ach wie verlanget mich
nach deiner süssen gnade/ dieselbe in ihrem trost wiederum empfind-
lich in meinem hertzen zu schmecken/ und mit freudigem Geist dich zu
loben: Wie ich aber dieser wolthat mich unwürdig achte/ so bitte ich
nur vielmehr allein/ daß du deine gnade nicht von mir wendest/ so
solle mir daran genügen/ daß deine krafft in den schwachen mächtig
seye. Lehre mich nur wandeln würdiglich desjenigen creutzes-be-
ruffs/ darein du mich jetzo gesetzet hast/ daß ich darinnen nicht wider
dich sündige/ sondern mich unter deine gewaltige hand demüthige/
und nichts mehrers verlange/ als was dein wille über mich ist. Soll
ich also aller freude und trostes ermangeln/ und in dieser finsternüß
und höllen-angst aushalten: Hie bin ich HErr/ der ich es verschul-
det/ ja ewiglich nicht daraus erlöset zu werden wohl verdienet habe/
mache mit deinem knecht/ was du wilt: Jch weiß doch und glaube fe-
stiglich/ daß dein liebreiches Vater-hertz mich nicht immerdar ver-
stossen kan/ sondern/ ob du mir schrecklich worden bist/ daß ich noch
dein gnaden-antlitz wiederum schauen werde/ dann das werck dei-
ner hand und den du so hertzlich geliebet hast/ kanstu nicht verlassen/

weil

Das fuͤnffte Capitel.
dere dir gefaͤllige tugenden/ damit ich aus dieſen fruͤchten und guten
wirckungen deines Geiſtes uͤberzeuget werde/ daß ich den glauben
noch habe/ welchen du mir ſo tieff verborgen haſt. Du ſiheſt auch/
liebſter Vater/ wie der ſatan/ weil du dein gnaden-antlitz vor mir
verdecket haſt/ ſich der gelegenheit gebrauchet/ und trachtet mich mit
ſeinen feurigen pfeilen vollends zu verderben/ in verzweiffelung/
mißglauben und andere ſchand und laſter zu verfuͤhren. HErr ich
bin viel zu ſchwach/ dieſem boͤſewicht und ſeinen verſuchungen zu wi-
derſtehen/ aber ach ſihe du ſelbs mit erbarmenden augen auff mich/
und hilff mir ritterlich ringen; gib ihm nicht zur beute die ſeele/ wel-
che dein Sohn ſo theuer erkauffet und erloͤſet hat/ ſondern ſtaͤrcke
mich alſo/ daß ich ritterlich kaͤmpffe/ alles wohl ausrichte und das feld
behalte. Ach laß dieſes feuer der anfechtung dazu geſegnet werden/
daß dadurch meines glaubens gold rechtſchaffen gelaͤutert/ von den
ſchlacken und aller unreinigkeit geſaͤubert/ und insgeſamt alles/
was von liebe dieſer welt bey mir uͤbrig ſeyn moͤchte/ ausgebrandt
werde. Gib mir nur gedult und ſtandhafftigkeit in ſolcher ſchweh-
ren prob dir gehorſamlich auszuhalten. Ach wie verlanget mich
nach deiner ſuͤſſen gnade/ dieſelbe in ihrem troſt wiederum empfind-
lich in meinem hertzen zu ſchmecken/ und mit freudigem Geiſt dich zu
loben: Wie ich aber dieſer wolthat mich unwuͤrdig achte/ ſo bitte ich
nur vielmehr allein/ daß du deine gnade nicht von mir wendeſt/ ſo
ſolle mir daran genuͤgen/ daß deine krafft in den ſchwachen maͤchtig
ſeye. Lehre mich nur wandeln wuͤrdiglich desjenigen creutzes-be-
ruffs/ darein du mich jetzo geſetzet haſt/ daß ich darinnen nicht wider
dich ſuͤndige/ ſondern mich unter deine gewaltige hand demuͤthige/
und nichts mehrers verlange/ als was dein wille uͤber mich iſt. Soll
ich alſo aller freude und troſtes ermangeln/ und in dieſer finſternuͤß
und hoͤllen-angſt aushalten: Hie bin ich HErr/ der ich es verſchul-
det/ ja ewiglich nicht daraus erloͤſet zu werden wohl verdienet habe/
mache mit deinem knecht/ was du wilt: Jch weiß doch und glaube fe-
ſtiglich/ daß dein liebreiches Vater-hertz mich nicht immerdar ver-
ſtoſſen kan/ ſondern/ ob du mir ſchrecklich worden biſt/ daß ich noch
dein gnaden-antlitz wiederum ſchauen werde/ dann das werck dei-
ner hand und den du ſo hertzlich geliebet haſt/ kanſtu nicht verlaſſen/

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[734/0742] Das fuͤnffte Capitel. dere dir gefaͤllige tugenden/ damit ich aus dieſen fruͤchten und guten wirckungen deines Geiſtes uͤberzeuget werde/ daß ich den glauben noch habe/ welchen du mir ſo tieff verborgen haſt. Du ſiheſt auch/ liebſter Vater/ wie der ſatan/ weil du dein gnaden-antlitz vor mir verdecket haſt/ ſich der gelegenheit gebrauchet/ und trachtet mich mit ſeinen feurigen pfeilen vollends zu verderben/ in verzweiffelung/ mißglauben und andere ſchand und laſter zu verfuͤhren. HErr ich bin viel zu ſchwach/ dieſem boͤſewicht und ſeinen verſuchungen zu wi- derſtehen/ aber ach ſihe du ſelbs mit erbarmenden augen auff mich/ und hilff mir ritterlich ringen; gib ihm nicht zur beute die ſeele/ wel- che dein Sohn ſo theuer erkauffet und erloͤſet hat/ ſondern ſtaͤrcke mich alſo/ daß ich ritterlich kaͤmpffe/ alles wohl ausrichte und das feld behalte. Ach laß dieſes feuer der anfechtung dazu geſegnet werden/ daß dadurch meines glaubens gold rechtſchaffen gelaͤutert/ von den ſchlacken und aller unreinigkeit geſaͤubert/ und insgeſamt alles/ was von liebe dieſer welt bey mir uͤbrig ſeyn moͤchte/ ausgebrandt werde. Gib mir nur gedult und ſtandhafftigkeit in ſolcher ſchweh- ren prob dir gehorſamlich auszuhalten. Ach wie verlanget mich nach deiner ſuͤſſen gnade/ dieſelbe in ihrem troſt wiederum empfind- lich in meinem hertzen zu ſchmecken/ und mit freudigem Geiſt dich zu loben: Wie ich aber dieſer wolthat mich unwuͤrdig achte/ ſo bitte ich nur vielmehr allein/ daß du deine gnade nicht von mir wendeſt/ ſo ſolle mir daran genuͤgen/ daß deine krafft in den ſchwachen maͤchtig ſeye. Lehre mich nur wandeln wuͤrdiglich desjenigen creutzes-be- ruffs/ darein du mich jetzo geſetzet haſt/ daß ich darinnen nicht wider dich ſuͤndige/ ſondern mich unter deine gewaltige hand demuͤthige/ und nichts mehrers verlange/ als was dein wille uͤber mich iſt. Soll ich alſo aller freude und troſtes ermangeln/ und in dieſer finſternuͤß und hoͤllen-angſt aushalten: Hie bin ich HErr/ der ich es verſchul- det/ ja ewiglich nicht daraus erloͤſet zu werden wohl verdienet habe/ mache mit deinem knecht/ was du wilt: Jch weiß doch und glaube fe- ſtiglich/ daß dein liebreiches Vater-hertz mich nicht immerdar ver- ſtoſſen kan/ ſondern/ ob du mir ſchrecklich worden biſt/ daß ich noch dein gnaden-antlitz wiederum ſchauen werde/ dann das werck dei- ner hand und den du ſo hertzlich geliebet haſt/ kanſtu nicht verlaſſen/ weil

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 734. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/742>, abgerufen am 22.11.2024.