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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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ARTIC. II. SECTIO IV.
gründlich erkennen/ und dero schwehre wie es sich gebühret/ beweinen
könte! lasse sie mir aber in dieser meiner angst nachtrücklich vor augen
stehen/ und dieses eine frucht derselben seyn/ daß ich mich vor dir desto
besser demüthigen und sie hassen lerne/ welche uns mit solchen ängsten
lohnet. Lasse aber auch alle solche meine sünde durch das blut deines
allerliebsten Sohns/ meines treuen Heylands/ getilget und vergeben
seyn/ weil ja solches auch für dieselbe vergossen worden ist. Laß sol-
chen trost in meinem hertzen lebendig und meinen glauben durch die
versiegelung deines H. Geistes gestärcket werden/ wie du mir in mei-
ner heiligen tauff eine ewige erlösung und vergebung meiner sünden
zugesaget und geschencket/ solche so offt in dem gnaden-wort des Ev-
angelii wiederholet/ und mit dem leib und blut deines liebsten Sohns
als einem theuren pfand versiegelt hast. Diesen glauben laß ja nim-
mermehr von mir genommen/ noch von der gewalt der anfechtung
umgestossen werden. Lehre mich aber nicht auff das betrügliche füh-
len meines lügenhafften hertzens sehen/ noch daraus meinen glauben
schätzen/ sondern daß ich mich blosser dings an deine gnaden-verheis-
sungen in deinem wort halte/ auch daß ich diesem die ehre gebe/ daß es
wahr seye/ ob auch mein fleisch/ meine vernunfft und das fühlen mei-
nes hertzens/ lauter nein darzu spreche/ und mir meinen glauben in
zweiffel ziehen wolte. Wircke in mir stäts eine demüthige erkänt-
nüß meiner sünden/ einen ernstlichen haß gegen dieselbe/ und wahre
traurigkeit darüber/ daß ich dich meinen liebsten Vater beleidiget
habe/ erhalte das sehnliche verlangen nach deiner gnade/ und daß ich
dieselbige über alles andere in der gantzen welt schätze und achte; stär-
cke den heiligen vorsatz/ mein gantzes leben allein zu deinen ehren
treulich anzuwenden/ giesse in mein hertze aus eine brünstige liebe
gegen dich/ eine wahrhafftige verschmähung der welt und alles des-
sen/ was ausser dir mein hertz in liebe gefangen nehmen wolte/ eine
auffrichtige liebe meines nechsten/ ohne unterscheid derer die mir gu-
tes oder böses erzeiget hätten/ eine beständige höffnung auff deine
hülffe in aller noth/ eine gedultige gelassenheit in allem leiden/ mei-
nen willen dir auffzuopffern/ eine feurige andacht zu dem gebet
und heiligen übungen/ eine wahre sanfftmuth/ demuth/ eintracht
und freundlichkeit in dem umgang mit meinem nechsten/ und alle an-

dere
Z z z z 3

ARTIC. II. SECTIO IV.
gruͤndlich erkennen/ und dero ſchwehre wie es ſich gebuͤhret/ beweinen
koͤnte! laſſe ſie mir aber in dieſer meiner angſt nachtruͤcklich vor augen
ſtehen/ und dieſes eine frucht derſelben ſeyn/ daß ich mich vor dir deſto
beſſer demuͤthigen und ſie haſſen lerne/ welche uns mit ſolchen aͤngſten
lohnet. Laſſe aber auch alle ſolche meine ſuͤnde durch das blut deines
allerliebſten Sohns/ meines treuen Heylands/ getilget und vergeben
ſeyn/ weil ja ſolches auch fuͤr dieſelbe vergoſſen worden iſt. Laß ſol-
chen troſt in meinem hertzen lebendig und meinen glauben durch die
verſiegelung deines H. Geiſtes geſtaͤrcket werden/ wie du mir in mei-
ner heiligen tauff eine ewige erloͤſung und vergebung meiner ſuͤnden
zugeſaget und geſchencket/ ſolche ſo offt in dem gnaden-wort des Ev-
angelii wiederholet/ und mit dem leib und blut deines liebſten Sohns
als einem theuren pfand verſiegelt haſt. Dieſen glauben laß ja nim-
mermehr von mir genommen/ noch von der gewalt der anfechtung
umgeſtoſſen werden. Lehre mich aber nicht auff das betruͤgliche fuͤh-
len meines luͤgenhafften hertzens ſehen/ noch daraus meinen glauben
ſchaͤtzen/ ſondern daß ich mich bloſſer dings an deine gnaden-verheiſ-
ſungen in deinem wort halte/ auch daß ich dieſem die ehre gebe/ daß es
wahr ſeye/ ob auch mein fleiſch/ meine vernunfft und das fuͤhlen mei-
nes hertzens/ lauter nein darzu ſpreche/ und mir meinen glauben in
zweiffel ziehen wolte. Wircke in mir ſtaͤts eine demuͤthige erkaͤnt-
nuͤß meiner ſuͤnden/ einen ernſtlichen haß gegen dieſelbe/ und wahre
traurigkeit daruͤber/ daß ich dich meinen liebſten Vater beleidiget
habe/ erhalte das ſehnliche verlangen nach deiner gnade/ und daß ich
dieſelbige uͤber alles andere in der gantzen welt ſchaͤtze und achte; ſtaͤr-
cke den heiligen vorſatz/ mein gantzes leben allein zu deinen ehren
treulich anzuwenden/ gieſſe in mein hertze aus eine bruͤnſtige liebe
gegen dich/ eine wahrhafftige verſchmaͤhung der welt und alles deſ-
ſen/ was auſſer dir mein hertz in liebe gefangen nehmen wolte/ eine
auffrichtige liebe meines nechſten/ ohne unterſcheid derer die mir gu-
tes oder boͤſes erzeiget haͤtten/ eine beſtaͤndige hoͤffnung auff deine
huͤlffe in aller noth/ eine gedultige gelaſſenheit in allem leiden/ mei-
nen willen dir auffzuopffern/ eine feurige andacht zu dem gebet
und heiligen uͤbungen/ eine wahre ſanfftmuth/ demuth/ eintracht
uñ freundlichkeit in dem umgang mit meinem nechſten/ und alle an-

dere
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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 733. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/741>, abgerufen am 22.11.2024.