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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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ARTIC. I. SECTIO XVI.
sagt damit kindern GOttes nichts/ das ihnen göttliche ordnung jemals ge-
geben: dann daß der gebrauch der priesterlichen allen Christen zukommen-
den ämtern ordenlicher weise an das predigamt gewiesen/ ist nicht bloß der
kirchen wolgefallen/ sondern selbs eine göttliche ordnung. Also ist ein gros-
ser unterscheid unter einem alten gebrauch/ welcher gleichwol seinen guten
grund in göttlicher ordnung und zur absicht der kirchen ordenlichere verfas-
sung hat; und einem andern/ der allein auff die erhöhung des so genandten
geistlichen standes ziehlet/ und der gemeinde etwas dessen ent-
zeucht/ dessen ermanglung ihr schaden thut. Diese letztere haben allein
eine päpstische art/ nicht aber die erste. Nun gehöret die abhaltung der heim-
lichen communionen nicht zu den letzten/ sondern ersten: dann ob man wol die-
ses Sacrament an das predigamt verbindet/ da es also das ansehen haben
möchte/ es seye um dessen eigenes interesse zu thun/ so ist doch dieses nicht/
sondern die erhaltung der nöthigen ordnung der kirchen selbs erfordert sol-
ches/ und wird also den zuhörern verwehret/ was ihnen nicht wahrhafftig
nutzen/ sondern in dem gebrauch nur anlaß vieles mißbrauchs seyn würde:
hingegen wird die innerliche macht und würde allen gleich zugesprochen/ und
also der so grosse unterscheid unter so genandten layen und geistlichen/ darin-
nen der grund des Pabst thums stehet auffgehaben/ nachdem diese zu ihren
verrichtungen vor jenen nichts anders als ihren beruff haben. Also ist auch
ein grosser unterscheid unter der verwehrung dergleichen geheimen commu-
nionen/ und hingegen der päpstischen verbietung der schrifft/ so dann raub
des kelchs: indem dieser die gantze gemeinde von der gemeinschafft des bluts
Christi/ welches der HErr doch allen verordnet hat/ ausschleußt; jene aber
wiederum dieselbe von demjenigen abhält/ was ihnen der HErr/ und dazu
fein im gegensatz des predigamts/ als dessen vortrag ihrem examini und prü-
fung solle unterworffen seyn/ austrücklich anbefohlen hat; dergleichen be-
fehl wir nicht finden/ jemal den Christen im gegensatz der Prediger/ oder mit
dero ausschliessung/ von der communion gegeben zu seyn.

4. Einen grossen schein hats/ was unser liebe Lutherus T. 3. Alt. f. 468. b.
schreibet: Die dritte weise/ die rechte art der Evangelischen ordnung/
müßte nicht so öffentlich auff dem platz geschehen unter allerley volck/
sondern diejenige/ so mit ernst Christen wollen seyn/ und das Evan-
gelium mit hand und mund bekennen/ müßten mit nahmen sich ein-
zeichnen/ und etwa in einem hause allein sich versammlen/ zum gebet/
zu lesen/ zu tauffen/ das Sacrament zu empfahen/ und andre christ-
liche wercke zu üben.
So bekenne davon/ daß der liebe mann/ wie einige
ihn entschuldigen wollen/ nicht bloß unbedachtsam diese wort in die feder flies-

sen

ARTIC. I. SECTIO XVI.
ſagt damit kindern GOttes nichts/ das ihnen goͤttliche ordnung jemals ge-
geben: dann daß der gebrauch der prieſterlichen allen Chriſten zukommen-
den aͤmtern ordenlicher weiſe an das predigamt gewieſen/ iſt nicht bloß der
kirchen wolgefallen/ ſondern ſelbs eine goͤttliche ordnung. Alſo iſt ein groſ-
ſer unterſcheid unter einem alten gebrauch/ welcher gleichwol ſeinen guten
grund in goͤttlicher ordnung und zur abſicht der kirchen ordenlichere verfaſ-
ſung hat; und einem andern/ der allein auff die erhoͤhung des ſo genandten
geiſtlichen ſtandes ziehlet/ und der gemeinde etwas deſſen ent-
zeucht/ deſſen ermanglung ihr ſchaden thut. Dieſe letztere haben allein
eine paͤpſtiſche art/ nicht aber die erſte. Nun gehoͤret die abhaltung der heim-
lichen communionen nicht zu den letzten/ ſondern erſten: dann ob man wol die-
ſes Sacrament an das predigamt verbindet/ da es alſo das anſehen haben
moͤchte/ es ſeye um deſſen eigenes intereſſe zu thun/ ſo iſt doch dieſes nicht/
ſondern die erhaltung der noͤthigen ordnung der kirchen ſelbs erfordert ſol-
ches/ und wird alſo den zuhoͤrern verwehret/ was ihnen nicht wahrhafftig
nutzen/ ſondern in dem gebrauch nur anlaß vieles mißbrauchs ſeyn wuͤrde:
hingegen wird die innerliche macht und wuͤrde allen gleich zugeſprochen/ und
alſo der ſo groſſe unterſcheid unter ſo genandten layen und geiſtlichen/ darin-
nen der grund des Pabſt thums ſtehet auffgehaben/ nachdem dieſe zu ihren
verrichtungen vor jenen nichts anders als ihren beruff haben. Alſo iſt auch
ein groſſer unterſcheid unter der verwehrung dergleichen geheimen commu-
nionen/ und hingegen der paͤpſtiſchen verbietung der ſchrifft/ ſo dann raub
des kelchs: indem dieſer die gantze gemeinde von der gemeinſchafft des bluts
Chriſti/ welches der HErr doch allen verordnet hat/ ausſchleußt; jene aber
wiederum dieſelbe von demjenigen abhaͤlt/ was ihnen der HErr/ und dazu
fein im gegenſatz des predigamts/ als deſſen vortrag ihrem examini und pruͤ-
fung ſolle unterworffen ſeyn/ austruͤcklich anbefohlen hat; dergleichen be-
fehl wir nicht finden/ jemal den Chriſten im gegenſatz der Prediger/ oder mit
dero ausſchlieſſung/ von der communion gegeben zu ſeyn.

4. Einen groſſen ſchein hats/ was unſer liebe Lutherus T. 3. Alt. f. 468. b.
ſchreibet: Die dritte weiſe/ die rechte art der Evangeliſchen ordnung/
muͤßte nicht ſo oͤffentlich auff dem platz geſchehen unter allerley volck/
ſondern diejenige/ ſo mit ernſt Chriſten wollen ſeyn/ und das Evan-
gelium mit hand und mund bekennen/ muͤßten mit nahmen ſich ein-
zeichnen/ und etwa in einem hauſe allein ſich verſammlen/ zum gebet/
zu leſen/ zu tauffen/ das Sacrament zu empfahen/ und andre chriſt-
liche wercke zu uͤben.
So bekenne davon/ daß der liebe mann/ wie einige
ihn entſchuldigen wollen/ nicht bloß unbedachtſam dieſe wort in die feder flieſ-

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[71/0079] ARTIC. I. SECTIO XVI. ſagt damit kindern GOttes nichts/ das ihnen goͤttliche ordnung jemals ge- geben: dann daß der gebrauch der prieſterlichen allen Chriſten zukommen- den aͤmtern ordenlicher weiſe an das predigamt gewieſen/ iſt nicht bloß der kirchen wolgefallen/ ſondern ſelbs eine goͤttliche ordnung. Alſo iſt ein groſ- ſer unterſcheid unter einem alten gebrauch/ welcher gleichwol ſeinen guten grund in goͤttlicher ordnung und zur abſicht der kirchen ordenlichere verfaſ- ſung hat; und einem andern/ der allein auff die erhoͤhung des ſo genandten geiſtlichen ſtandes ziehlet/ und der gemeinde etwas deſſen ent- zeucht/ deſſen ermanglung ihr ſchaden thut. Dieſe letztere haben allein eine paͤpſtiſche art/ nicht aber die erſte. Nun gehoͤret die abhaltung der heim- lichen communionen nicht zu den letzten/ ſondern erſten: dann ob man wol die- ſes Sacrament an das predigamt verbindet/ da es alſo das anſehen haben moͤchte/ es ſeye um deſſen eigenes intereſſe zu thun/ ſo iſt doch dieſes nicht/ ſondern die erhaltung der noͤthigen ordnung der kirchen ſelbs erfordert ſol- ches/ und wird alſo den zuhoͤrern verwehret/ was ihnen nicht wahrhafftig nutzen/ ſondern in dem gebrauch nur anlaß vieles mißbrauchs ſeyn wuͤrde: hingegen wird die innerliche macht und wuͤrde allen gleich zugeſprochen/ und alſo der ſo groſſe unterſcheid unter ſo genandten layen und geiſtlichen/ darin- nen der grund des Pabſt thums ſtehet auffgehaben/ nachdem dieſe zu ihren verrichtungen vor jenen nichts anders als ihren beruff haben. Alſo iſt auch ein groſſer unterſcheid unter der verwehrung dergleichen geheimen commu- nionen/ und hingegen der paͤpſtiſchen verbietung der ſchrifft/ ſo dann raub des kelchs: indem dieſer die gantze gemeinde von der gemeinſchafft des bluts Chriſti/ welches der HErr doch allen verordnet hat/ ausſchleußt; jene aber wiederum dieſelbe von demjenigen abhaͤlt/ was ihnen der HErr/ und dazu fein im gegenſatz des predigamts/ als deſſen vortrag ihrem examini und pruͤ- fung ſolle unterworffen ſeyn/ austruͤcklich anbefohlen hat; dergleichen be- fehl wir nicht finden/ jemal den Chriſten im gegenſatz der Prediger/ oder mit dero ausſchlieſſung/ von der communion gegeben zu ſeyn. 4. Einen groſſen ſchein hats/ was unſer liebe Lutherus T. 3. Alt. f. 468. b. ſchreibet: Die dritte weiſe/ die rechte art der Evangeliſchen ordnung/ muͤßte nicht ſo oͤffentlich auff dem platz geſchehen unter allerley volck/ ſondern diejenige/ ſo mit ernſt Chriſten wollen ſeyn/ und das Evan- gelium mit hand und mund bekennen/ muͤßten mit nahmen ſich ein- zeichnen/ und etwa in einem hauſe allein ſich verſammlen/ zum gebet/ zu leſen/ zu tauffen/ das Sacrament zu empfahen/ und andre chriſt- liche wercke zu uͤben. So bekenne davon/ daß der liebe mann/ wie einige ihn entſchuldigen wollen/ nicht bloß unbedachtſam dieſe wort in die feder flieſ- ſen

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/79>, abgerufen am 09.05.2024.