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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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ARTIC. I. SECTIO XVI.
ort anzuheben/ sondern wie an einem ort/ wo die zahl der zuhörer zunimmet/
auch etwa neue gemeinden angeleget werden/ daß diese auch dergleichen/ ob
wol durch eine freywillige auswahl aus den andern/ angeordnet würde/ die
aber deswegen die andre gemeinden nicht verwerffen hätten müssen/ als wä-
ren jene keine Christen. Es möchte auch solches damals so viel weniger auff-
sehens gemacht haben/ weil in dem Papstthum/ daraus sie erst gingen/ der
brüderschafften/ die auch gewisse Gottesdienste/ aber unter der auffsicht der
geistlichen/ hatten/ sehr viele waren/ mit denen eine solche ausgewehlte freye
gemeinde eine gleichheit etlicher massen gehabt hätte. Es hätte aber auch
eine anordnung seyn/ und nichts bloß aus etlicher gutachten und belieben ge-
schehen sollen: da denn der theure mann alles das jenige auch in acht genom-
men haben würde/ was vor einwilligung auch anderer zu dergleichen anstal-
ten gehöret. Jch vor meine person wolte mit Luthero gleiches wünschen/ wo
es mit belieben derer/ welche dazu zu reden haben/ geschehen könte/ daß son-
derlich an grössern orten dergleichen besondere gemeinden angeordnet wür-
den/ aber gleichwol auch mit verhütung der trennung/ als welcher schaden
ich grösser zu seyn sorgte/ als von der anstalt selbs nutzen hoffte; indessen/ son-
derlich bey jetziger der zeiten und gemüther bewandnüß/ diese bedingung fast
unmüglich halte. So sehen wir auch/ daß der liebe mann/ da er gleichwol
noch 20 jahr nach diesem seinem vorschlag gelebet/ und eine solche autorität
gehabt/ daß er mehr als nach ihm einiger etwas grosses hätte sollen haben
durchtreiben können/ dennoch seinen eigenen vorschlag zu wercke zu richten/
sich nicht unterstanden hat: ohne zweiffel/ weil er so viel schwehrigkeiten und
gefahr dabey gesehen/ daß ers zu thun billich angestanden.

5. Es wird auch noch eine andre stelle aus Luthero angeführet/ (Groß.
Catech.
f. 225.) da der liebe Vater die wort unsers Heylands/ so offt als ihrs
thut/
also gloßiret: ich setze auch ein oster-fest oder abendmahl/ das ihr
nicht eben diesen abend des jahrs einmal/ sondern offt sollet geniessen/
wenn und wo ihr wollet/ nach eines jeglichen gelegenheit und noth-
durfft/ an keinen ort oder bestimmte zeit angebunden.
Da scheinet es
nun/ weil die offtere niessung befohlen wird/ auch keine bestimmte zeit oder ort
solle in acht genommen werden/ es werde damit den geheimen communio-
nen das wort geredet. Es folget aber auch dieses nicht/ sondern allein wird
erfordert/ daß es offt geschehen solle/ welches Lutherus hie sonderlich der
päpstischen einmaligen oster-communion entgegen setzet/ da er wiedrum sagt:
wiewol der Papst hernach solches umkehret/ und wieder ein Juden-
fest daraus gemacht hat.
So gehet auch der gegensatz gegen das jüdische
passah/ so allein auff einen gewissen tag/ und nachdem der HErr solchen ort

er-
K

ARTIC. I. SECTIO XVI.
ort anzuheben/ ſondern wie an einem ort/ wo die zahl der zuhoͤrer zunimmet/
auch etwa neue gemeinden angeleget werden/ daß dieſe auch dergleichen/ ob
wol durch eine freywillige auswahl aus den andern/ angeordnet wuͤrde/ die
aber deswegen die andre gemeinden nicht verwerffen haͤtten muͤſſen/ als waͤ-
ren jene keine Chriſten. Es moͤchte auch ſolches damals ſo viel weniger auff-
ſehens gemacht haben/ weil in dem Papſtthum/ daraus ſie erſt gingen/ der
bruͤderſchafften/ die auch gewiſſe Gottesdienſte/ aber unter der auffſicht der
geiſtlichen/ hatten/ ſehr viele waren/ mit denen eine ſolche ausgewehlte freye
gemeinde eine gleichheit etlicher maſſen gehabt haͤtte. Es haͤtte aber auch
eine anordnung ſeyn/ und nichts bloß aus etlicher gutachten und belieben ge-
ſchehen ſollen: da denn der theure mann alles das jenige auch in acht genom-
men haben wuͤrde/ was vor einwilligung auch anderer zu dergleichen anſtal-
ten gehoͤret. Jch vor meine perſon wolte mit Luthero gleiches wuͤnſchen/ wo
es mit belieben derer/ welche dazu zu reden haben/ geſchehen koͤnte/ daß ſon-
derlich an groͤſſern orten dergleichen beſondere gemeinden angeordnet wuͤr-
den/ aber gleichwol auch mit verhuͤtung der trennung/ als welcher ſchaden
ich groͤſſer zu ſeyn ſorgte/ als von der anſtalt ſelbs nutzen hoffte; indeſſen/ ſon-
derlich bey jetziger der zeiten und gemuͤther bewandnuͤß/ dieſe bedingung faſt
unmuͤglich halte. So ſehen wir auch/ daß der liebe mann/ da er gleichwol
noch 20 jahr nach dieſem ſeinem vorſchlag gelebet/ und eine ſolche autoritaͤt
gehabt/ daß er mehr als nach ihm einiger etwas groſſes haͤtte ſollen haben
durchtreiben koͤnnen/ dennoch ſeinen eigenen vorſchlag zu wercke zu richten/
ſich nicht unterſtanden hat: ohne zweiffel/ weil er ſo viel ſchwehrigkeiten und
gefahr dabey geſehen/ daß ers zu thun billich angeſtanden.

5. Es wird auch noch eine andre ſtelle aus Luthero angefuͤhret/ (Groß.
Catech.
f. 225.) da der liebe Vater die wort unſers Heylands/ ſo offt als ihrs
thut/
alſo gloßiret: ich ſetze auch ein oſter-feſt oder abendmahl/ das ihr
nicht eben dieſen abend des jahrs einmal/ ſondern offt ſollet genieſſen/
wenn und wo ihr wollet/ nach eines jeglichen gelegenheit und noth-
durfft/ an keinen ort oder beſtimmte zeit angebunden.
Da ſcheinet es
nun/ weil die offtere nieſſung befohlen wird/ auch keine beſtimmte zeit oder ort
ſolle in acht genommen werden/ es werde damit den geheimen communio-
nen das wort geredet. Es folget aber auch dieſes nicht/ ſondern allein wird
erfordert/ daß es offt geſchehen ſolle/ welches Lutherus hie ſonderlich der
paͤpſtiſchen einmaligen oſter-com̃union entgegen ſetzet/ da er wiedrum ſagt:
wiewol der Papſt hernach ſolches umkehret/ und wieder ein Juden-
feſt daraus gemacht hat.
So gehet auch der gegenſatz gegen das juͤdiſche
paſſah/ ſo allein auff einen gewiſſen tag/ und nachdem der HErr ſolchen ort

er-
K
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[73/0081] ARTIC. I. SECTIO XVI. ort anzuheben/ ſondern wie an einem ort/ wo die zahl der zuhoͤrer zunimmet/ auch etwa neue gemeinden angeleget werden/ daß dieſe auch dergleichen/ ob wol durch eine freywillige auswahl aus den andern/ angeordnet wuͤrde/ die aber deswegen die andre gemeinden nicht verwerffen haͤtten muͤſſen/ als waͤ- ren jene keine Chriſten. Es moͤchte auch ſolches damals ſo viel weniger auff- ſehens gemacht haben/ weil in dem Papſtthum/ daraus ſie erſt gingen/ der bruͤderſchafften/ die auch gewiſſe Gottesdienſte/ aber unter der auffſicht der geiſtlichen/ hatten/ ſehr viele waren/ mit denen eine ſolche ausgewehlte freye gemeinde eine gleichheit etlicher maſſen gehabt haͤtte. Es haͤtte aber auch eine anordnung ſeyn/ und nichts bloß aus etlicher gutachten und belieben ge- ſchehen ſollen: da denn der theure mann alles das jenige auch in acht genom- men haben wuͤrde/ was vor einwilligung auch anderer zu dergleichen anſtal- ten gehoͤret. Jch vor meine perſon wolte mit Luthero gleiches wuͤnſchen/ wo es mit belieben derer/ welche dazu zu reden haben/ geſchehen koͤnte/ daß ſon- derlich an groͤſſern orten dergleichen beſondere gemeinden angeordnet wuͤr- den/ aber gleichwol auch mit verhuͤtung der trennung/ als welcher ſchaden ich groͤſſer zu ſeyn ſorgte/ als von der anſtalt ſelbs nutzen hoffte; indeſſen/ ſon- derlich bey jetziger der zeiten und gemuͤther bewandnuͤß/ dieſe bedingung faſt unmuͤglich halte. So ſehen wir auch/ daß der liebe mann/ da er gleichwol noch 20 jahr nach dieſem ſeinem vorſchlag gelebet/ und eine ſolche autoritaͤt gehabt/ daß er mehr als nach ihm einiger etwas groſſes haͤtte ſollen haben durchtreiben koͤnnen/ dennoch ſeinen eigenen vorſchlag zu wercke zu richten/ ſich nicht unterſtanden hat: ohne zweiffel/ weil er ſo viel ſchwehrigkeiten und gefahr dabey geſehen/ daß ers zu thun billich angeſtanden. 5. Es wird auch noch eine andre ſtelle aus Luthero angefuͤhret/ (Groß. Catech. f. 225.) da der liebe Vater die wort unſers Heylands/ ſo offt als ihrs thut/ alſo gloßiret: ich ſetze auch ein oſter-feſt oder abendmahl/ das ihr nicht eben dieſen abend des jahrs einmal/ ſondern offt ſollet genieſſen/ wenn und wo ihr wollet/ nach eines jeglichen gelegenheit und noth- durfft/ an keinen ort oder beſtimmte zeit angebunden. Da ſcheinet es nun/ weil die offtere nieſſung befohlen wird/ auch keine beſtimmte zeit oder ort ſolle in acht genommen werden/ es werde damit den geheimen communio- nen das wort geredet. Es folget aber auch dieſes nicht/ ſondern allein wird erfordert/ daß es offt geſchehen ſolle/ welches Lutherus hie ſonderlich der paͤpſtiſchen einmaligen oſter-com̃union entgegen ſetzet/ da er wiedrum ſagt: wiewol der Papſt hernach ſolches umkehret/ und wieder ein Juden- feſt daraus gemacht hat. So gehet auch der gegenſatz gegen das juͤdiſche paſſah/ ſo allein auff einen gewiſſen tag/ und nachdem der HErr ſolchen ort er- K

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/81>, abgerufen am 22.11.2024.