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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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ARTIC. II. SECTIO XXIX.
und erkäntnüß ihres gefährlichen und verdammlichen zustands zu bringen.
Wie uns Paulus an gedachtem ort v. 32. auch dazu anleitung gibt. Also 3)
will ich hoffen/ sie solle nicht nur zu der erkäntnüß ihrer natürlichen verderb-
nüß dadurch kommen/ sondern insgesamt göttliche güte/ sie aus der verdamm-
lichen sicherheit/ darinnen ich förchte/ daß sie bey ihrer vorigen einbildung
von Christo (indem bey solchem feindseligen hertzen das liecht des glaubens
nicht hat bey ihr seyn können) gestecket war/ herausreissen/ und das wahre
liecht/ ob etwa mit vielem und langem kampff/ in ihr anzünden/ damit sie auch
an ihrem exempel dermaleins erfahre/ wie göttliche gerichte allezeit mit gü-
tigkeit vermischet seyen.

II. Ob bey solchem zweiffel sie unrecht gethan/ zum tisch des
HErrn zu gehen/ und der gebrauch desselben eine ursach mehrer un-
gewißheit gegeben/ oder ob sie dem zweiffel abzukommen/ solches zur
glaubens-stärckung brauchen können und sollen?
Hierauf antworte/
wo sich solche zweiffel bey einer person befänden/ welche sonsten vorhin in gött-
licher gnade gestanden/ wolte ich sagen/ daß das gehen zum heiligen abend-
mahl derselben nicht sündlich oder schädlich gewesen wäre/ indem dasselbe sei-
ner einsetzung nach wahrhafftig eine stärckung des glaubens bey denjenigen
ist/ bey welchen dieser sich obwol schwach findet. Wann ich aber diese person
nach vorangedeutetem nicht anders ansehen kan/ als eine solche/ die sich be-
reits durch haß und unversöhnlichkeit ausser GOttes gnade gesetzt/ und
schon vor solchem gefühl des zweiffels das himmlische liecht des glaubens ver-
lohren hatte/ so bringet solches mit sich/ daß sie dann zu solchem sacrament un-
tüchtig gewesen/ und durch dessen gebrauch das gericht über sie immer ver-
mehret habe/ und sie also sich dessen bey solcher ihrer bewandnüß besser enthal-
ten haben würde.

III. Ob der darauf erfolgte horror von dem gebrauch aus teuf-
felischem eingeben oder bloß aus forcht der unwürdigen niessung ent-
standen?
Hievon wolte eher das erste erwehlen/ aber auf diese weise/ daß
zwahr der satan bey einer seelen über die er eine ziemliche gewalt erlanget/ die-
sen abscheu vor dem heiligen sacrament erreget/ nach seiner gewohnheit/ wie er
von selbsten geneigt ist/ alle göttliche einsetzungen uns zu wider zu machen:
Aber daß GOTT ihm solches aus heiligem rath verhenget habe/ damit er
die seele/ welche in fortsetzendem unbußfertigem gebrauch leichter hätte ver-
lohrengehen können/ durch solche angst auffgewecket und hülff zu suchen ange-
reget werden lassen möchte.

IV. Ob die darauf/ als sie aufihres Beicht-vaters/ der es für
eine gemeine versuchung gehalten/ einrathen/ mit dem gebrauch des

hei-

ARTIC. II. SECTIO XXIX.
und erkaͤntnuͤß ihres gefaͤhrlichen und verdammlichen zuſtands zu bringen.
Wie uns Paulus an gedachtem ort v. 32. auch dazu anleitung gibt. Alſo 3)
will ich hoffen/ ſie ſolle nicht nur zu der erkaͤntnuͤß ihrer natuͤrlichen verderb-
nuͤß dadurch kommen/ ſondern insgeſamt goͤttliche guͤte/ ſie aus der verdamm-
lichen ſicherheit/ darinnen ich foͤrchte/ daß ſie bey ihrer vorigen einbildung
von Chriſto (indem bey ſolchem feindſeligen hertzen das liecht des glaubens
nicht hat bey ihr ſeyn koͤnnen) geſtecket war/ herausreiſſen/ und das wahre
liecht/ ob etwa mit vielem und langem kampff/ in ihr anzuͤnden/ damit ſie auch
an ihrem exempel dermaleins erfahre/ wie goͤttliche gerichte allezeit mit guͤ-
tigkeit vermiſchet ſeyen.

II. Ob bey ſolchem zweiffel ſie unrecht gethan/ zum tiſch des
HErrn zu gehen/ und der gebrauch deſſelben eine urſach mehrer un-
gewißheit gegeben/ oder ob ſie dem zweiffel abzukommen/ ſolches zur
glaubens-ſtaͤrckung brauchen koͤnnen und ſollen?
Hierauf antworte/
wo ſich ſolche zweiffel bey einer perſon befaͤnden/ welche ſonſten vorhin in goͤtt-
licher gnade geſtanden/ wolte ich ſagen/ daß das gehen zum heiligen abend-
mahl derſelben nicht ſuͤndlich oder ſchaͤdlich geweſen waͤre/ indem daſſelbe ſei-
ner einſetzung nach wahrhafftig eine ſtaͤrckung des glaubens bey denjenigen
iſt/ bey welchen dieſer ſich obwol ſchwach findet. Wann ich aber dieſe perſon
nach vorangedeutetem nicht anders anſehen kan/ als eine ſolche/ die ſich be-
reits durch haß und unverſoͤhnlichkeit auſſer GOttes gnade geſetzt/ und
ſchon vor ſolchem gefuͤhl des zweiffels das himmliſche liecht des glaubens ver-
lohren hatte/ ſo bringet ſolches mit ſich/ daß ſie dann zu ſolchem ſacrament un-
tuͤchtig geweſen/ und durch deſſen gebrauch das gericht uͤber ſie immer ver-
mehret habe/ und ſie alſo ſich deſſen bey ſolcher ihrer bewandnuͤß beſſer enthal-
ten haben wuͤrde.

III. Ob der darauf erfolgte horror von dem gebrauch aus teuf-
feliſchem eingeben oder bloß aus forcht der unwuͤrdigen nieſſung ent-
ſtanden?
Hievon wolte eher das erſte erwehlen/ aber auf dieſe weiſe/ daß
zwahr der ſatan bey einer ſeelen uͤber die er eine ziemliche gewalt erlanget/ die-
ſen abſcheu vor dem heiligen ſacrament erreget/ nach ſeiner gewohnheit/ wie er
von ſelbſten geneigt iſt/ alle goͤttliche einſetzungen uns zu wider zu machen:
Aber daß GOTT ihm ſolches aus heiligem rath verhenget habe/ damit er
die ſeele/ welche in fortſetzendem unbußfertigem gebrauch leichter haͤtte ver-
lohrengehen koͤnnen/ durch ſolche angſt auffgewecket und huͤlff zu ſuchen ange-
reget werden laſſen moͤchte.

IV. Ob die darauf/ als ſie aufihres Beicht-vaters/ der es fuͤr
eine gemeine verſuchung gehalten/ einrathen/ mit dem gebrauch des

hei-
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[831/0839] ARTIC. II. SECTIO XXIX. und erkaͤntnuͤß ihres gefaͤhrlichen und verdammlichen zuſtands zu bringen. Wie uns Paulus an gedachtem ort v. 32. auch dazu anleitung gibt. Alſo 3) will ich hoffen/ ſie ſolle nicht nur zu der erkaͤntnuͤß ihrer natuͤrlichen verderb- nuͤß dadurch kommen/ ſondern insgeſamt goͤttliche guͤte/ ſie aus der verdamm- lichen ſicherheit/ darinnen ich foͤrchte/ daß ſie bey ihrer vorigen einbildung von Chriſto (indem bey ſolchem feindſeligen hertzen das liecht des glaubens nicht hat bey ihr ſeyn koͤnnen) geſtecket war/ herausreiſſen/ und das wahre liecht/ ob etwa mit vielem und langem kampff/ in ihr anzuͤnden/ damit ſie auch an ihrem exempel dermaleins erfahre/ wie goͤttliche gerichte allezeit mit guͤ- tigkeit vermiſchet ſeyen. II. Ob bey ſolchem zweiffel ſie unrecht gethan/ zum tiſch des HErrn zu gehen/ und der gebrauch deſſelben eine urſach mehrer un- gewißheit gegeben/ oder ob ſie dem zweiffel abzukommen/ ſolches zur glaubens-ſtaͤrckung brauchen koͤnnen und ſollen? Hierauf antworte/ wo ſich ſolche zweiffel bey einer perſon befaͤnden/ welche ſonſten vorhin in goͤtt- licher gnade geſtanden/ wolte ich ſagen/ daß das gehen zum heiligen abend- mahl derſelben nicht ſuͤndlich oder ſchaͤdlich geweſen waͤre/ indem daſſelbe ſei- ner einſetzung nach wahrhafftig eine ſtaͤrckung des glaubens bey denjenigen iſt/ bey welchen dieſer ſich obwol ſchwach findet. Wann ich aber dieſe perſon nach vorangedeutetem nicht anders anſehen kan/ als eine ſolche/ die ſich be- reits durch haß und unverſoͤhnlichkeit auſſer GOttes gnade geſetzt/ und ſchon vor ſolchem gefuͤhl des zweiffels das himmliſche liecht des glaubens ver- lohren hatte/ ſo bringet ſolches mit ſich/ daß ſie dann zu ſolchem ſacrament un- tuͤchtig geweſen/ und durch deſſen gebrauch das gericht uͤber ſie immer ver- mehret habe/ und ſie alſo ſich deſſen bey ſolcher ihrer bewandnuͤß beſſer enthal- ten haben wuͤrde. III. Ob der darauf erfolgte horror von dem gebrauch aus teuf- feliſchem eingeben oder bloß aus forcht der unwuͤrdigen nieſſung ent- ſtanden? Hievon wolte eher das erſte erwehlen/ aber auf dieſe weiſe/ daß zwahr der ſatan bey einer ſeelen uͤber die er eine ziemliche gewalt erlanget/ die- ſen abſcheu vor dem heiligen ſacrament erreget/ nach ſeiner gewohnheit/ wie er von ſelbſten geneigt iſt/ alle goͤttliche einſetzungen uns zu wider zu machen: Aber daß GOTT ihm ſolches aus heiligem rath verhenget habe/ damit er die ſeele/ welche in fortſetzendem unbußfertigem gebrauch leichter haͤtte ver- lohrengehen koͤnnen/ durch ſolche angſt auffgewecket und huͤlff zu ſuchen ange- reget werden laſſen moͤchte. IV. Ob die darauf/ als ſie aufihres Beicht-vaters/ der es fuͤr eine gemeine verſuchung gehalten/ einrathen/ mit dem gebrauch des hei-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 831. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/839>, abgerufen am 22.11.2024.